Hamburg. Aida und TuiCruises brechen Reisen mit ihren Flaggschiffen ab, auch bei anderen kommt es zu Corona-Ausbrüchen. Droht neuer Stillstand?
Wenn sich an Bord eines Kreuzfahrtschiffes plötzlich der Kapitän zu Wort meldet, muss das an sich noch kein schlechtes Zeichen sein. Bei vielen Reedereien obliegt ihm nämlich nicht nur die Führung des Ozeanriesen, oft versorgt der wichtigste Mann an Bord seine Passagiere per Borddurchsage auch mit ein paar Tagestipps sowie nautischen oder meteorologischen Hinweisen.
All jene, die am 25. November in Hamburg mit der „AidaSol“ auf eine 43 Tage dauernde Seereise in Richtung Karibik gegangen sind, haben so zum Beispiel von ihrem Kapitän Felix Rothe erfahren, dass ihre ursprünglich geplante Route für die Rückreise abgeändert werden musste – was allerdings nicht zu Frust an Bord geführt hat, sondern zu einem lauten Jubel, der noch auf der direkt daneben liegenden „AidaPerla“ zu hören war.
Corona: Kreuzfahrtbranche vor nächster Krise - "AidaNova" bricht ab
Beide Schiffe hatten in Philipsburg auf der Karibik-Insel St. Maarten festgemacht, und Rothe erklärte seinen Gästen nun, dass wegen eines ausgedehnten Sturmtiefs hohe Wellen und heftige Winde zu erwarten wären, wenn wie geplant die Azoren und Lissabon angelaufen würden. Stattdessen nehme man einen südlicheren Kurs und könne Silvester vor Madeira noch das spektakuläre Feuerwerk bewundern, bevor am 7. Januar die Rückkehr nach Hamburg ansteht.
Dieses Spektakel vor Funchal hätten gerne auch die rund 3000 Passagiere der „AidaNova“ auf ihrer Transreise zu den Kanaren miterlebt, die am 22. Dezember in Hamburg gestartet oder ein paar Tage später in Lissabon zugestiegen waren. Doch hier waren die Durchsagen von Kapitän Jens Janauscheck weniger erfreulich. Erst musste er einräumen, dass es bei den routinemäßigen Corona-Tests unter der Crew positive Fälle gegeben hatte, woraufhin die Behörden das geplante Auslaufen untersagten, weil betriebswichtige Positionen an Bord nicht mehr besetzt werden konnten.
Später wurde klar, dass auch der angeforderte Ersatz nicht rechtzeitig würde eintreffen können. Die Gäste durften in der Zwischenzeit immerhin an Land, wenn sie zuvor an Bord einen PCR-Test gemacht hatten - ob und wie es für sie weitergeht, blieb aber bis zum Neujahrstag unklar. Dann jedoch stand fest: Der Törn wird abgebrochen, alle Gäste müssen am Montag aussteigen und sollen mit einen von Aida bereitgestellten Flug die vorzeitige Heimreise antreten.
Corona auf "AidaNova": Gäste ließen ihren Frust an den Mitarbeitern aus
Die Stimmung an Bord wechselte in den fünf Tagen von Lissabon Berichten zufolge zwischen Verständnis und Erregung. Während die einen Gäste sich über eine gelungene Silvesterfeier auf dem Schiff freuten („Die Zeit an Bord war trotzdem schön ...“), stritten sich andere mit den Mitarbeitern an der Rezeption oder auch mit Gästen, die das obligatorische Tragen von Masken in Innenräumen und das Einhalten der Abstände noch immer nicht ganz ernst nehmen wollten („Es ist keine Urlaubsstimmung mehr ...“). Amtlichen portugiesischen Angaben zufolge bleiben acht positiv getestete Passagiere vorerst in Lissabon. Bei insgesamt 60 Crewmitgliedern wurde das Virus nachgewiesen. Alle Infizierten befinden in Hotels in Isolation.
An Bord in Lissabon war auch der Hamburger Kreuzfahrt-Blogger und Schiffstester Matthias Morr. Er sagt auf YouTube: „Es war für mich ein Aufenthalt und keine Reise. Die Stimmung blieb insgesamt trotzdem gut, und die Frage ist ja auch, ob man sich von anderen die Laune verderben lässt, die damit gerechnet haben, dass eine Reederei in der Pandemie zaubern kann.“ Und zum Reisen in Pandemiezeiten hat er auch eine klare Meinung: „Ich bin mittlerweile der Auffassung, dass wir die Begegnung mit dem Virus vielleicht weiter hinauszögern, aber nicht für alle Zeit vermeiden können. Ich bin gesund und geimpft, was soll da meine Angst sein?“
Corona-Ausbruch auf "Mein Schiff 6" trotz erweiterten 2G-Modells
Der Stopp der „AidaNova“ reiht sich ein in eine Kolonne von Vorfällen, die die gebeutelte Kreuzfahrtbranche zurzeit erneut unter Stress setzt. Zwar gibt es bei anderen Schiffen der Reederei Aida, die nach der Corona-Pause bereits wieder ein knappes Dutzend Cruiser in Betrieb genommen hatte, aktuell keine vergleichbar schweren Vorkommnisse, jedoch mussten auch andere Anbieter schon Reisen abbrechen. So beendete die „Mein Schiff 6“ am Montag ihren aktuellen Orient-Törn in Dubai, nachdem zuvor schon Katar nicht angelaufen werden konnte.
„Hintergrund sind vereinzelte Fälle von Covid-19 an Bord, die im Laufe der Reise festgestellt wurden. Als reine Vorsichtsmaßnahme und zum Schutz von Gästen und Besatzung hat sich TUICruises jetzt zu dieser kurzen Pause entschlossen“, hieß es in einer Mitteilung des Unternehmens. Auch hier soll es bei den Betroffenen nur leichte oder gar keine Symptome geben.
Laut der Reederei wäre die Reise für den Großteil der knapp 2000 Passagiere zwar ohnehin am Montag zu Ende gegangen, neue Passagiere werden aber jetzt nicht zusteigen – also auch nicht jene, die zuvor schon ihren Plan begraben mussten, in Doha aufs Schiff zu gehen und dann von TuiCruises auf den Starthafen Dubai umgebucht worden waren. Was die Urlauber in spe natürlich frustriert, hatten sie doch darauf gehofft, dass die Hygieneprotokolle greifen. Auch auf der „Mein Schiff 6“ galt ein erweitertes 2G-Modell: Alle Gäste ab 12 Jahren und die rund 800 Personen starke Besatzung waren vollständig geimpft. Zudem wurden die Gäste vor und während der Reise getestet, allerdings anders als bei Aida nicht nach dem PCR-Verfahren, sondern nur mit Antigen-Tests.
Wie Kreuzfahrtschiffe mit Infizierten umgehen
Ebenfalls anders als geplant liefen die Weihnachts- und Silvesterreisen der Luxusschiffe „Europa“ und „Europa 2“ von Hapag-Lloyd. Bis zu 100 Passagiere sollen sich dort mit Corona infiziert haben, sodass die Reisen ab Dubai zu den Malediven und nach Mauritius abgebrochen wurden. Und auch die „Artania“ von Phoenix, die ausschließlich mit Geimpften fährt, war zwischenzeitlich wegen Corona ausgefallen, während die „MS Hamburg“ nur einmal wegen eines unbegründeten Corona-Verdachts einen Hafen in Argentinien auslassen musste.
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Wer bei einer Kreuzfahrt positiv getestet wird oder enge Kontaktperson ist, wird in der Regel zunächst in einer Kabine isoliert und dann in einem Hafen von Bord gebracht. Diese Prozesse wurden von den Reedereien schon vor Monaten etabliert, sie funktionieren allerdings nur dann reibungslos, wenn die Zahl der Betroffenen die Kapazitäten des aktuellen Fahrtgebiets nicht übersteigt. Gerade auf kleineren Inseln ist die Bereitschaft deshalb nicht sonderlich groß, ein riesiges Kreuzfahrtschiff mit zahlreichen Infizierten anlegen zu lassen, wie Beispiele von mehreren US-Schiffen zeigen. Bleibt es aber dank der frühzeitigen Testung bei einer Handvoll Fälle, steht einer Fortsetzung der Reise in der Regel nichts im Wege.
MSC setzt Kreuzfahrt trotz Corona-Ausbruch an Bord fort
So war es etwa bei der „Mein Schiff 1“ beim Anlaufen von Barbados kein Problem, die Fahrt fortzusetzen. Vor dem Landgang in Bridgetown (Barbados) wurde ein Covid-Fall ermittelt, der Infizierte ging von Bord und bezog eine Quarantäne-Unterkunft. Übrigens kann auf Barbados, wie ein Video auf TikTok zeigt, bei Covid-Befund eine elektronische Fußfessel angebracht werden, um den Radius von Infizierten zu begrenzen. Die Reise der 1661 Gästen und 815 Besatzungsmitglieder bei sommerlichen Temperaturen konnte weitergehen – anders als bei der „Queen Mary 2“, die auf Barbados vorübergehend außerplanmäßig auf Reede gelegt wurde, in Sichtweite zur dort ebenfalls schon länger liegenden „Queen Victoria“.
MSC hält bislang sein Routing weitgehend ein – auch nach einem Ausbruch auf der "MSC Grandiosa" mit mindestens 45 infizierten Passagieren wurde die Kreuzfahrt durch das Mittelmeer fortgesetzt. „Durch die strikte Anwendung unseres Gesundheits- und Sicherheitsprotokolls und wie es angesichts der jüngsten Entwicklung der Pandemie zu erwarten war, stellen wir eine begrenzte Anzahl von Fällen unter Gästen und Besatzungsmitgliedern an Bord unserer Schiffe fest. Dies ist ein weiterer Beweis dafür, dass unser Protokoll funktioniert, da es die Identifizierung, Isolierung und Betreuung von Personen und deren engen Kontaktpersonen zum Schutz aller anderen Gäste, der Besatzung sowie der Destinationen, die unsere Schiffe anlaufen, ermöglicht“, schreibt die auch Hamburg anlaufende Reederei in einem Statement.
Bei MSC sind alle Gäste und Crew-Mitglieder vollständig geimpft. „Die Gäste müssen sich vor der Einschiffung einem Test unterziehen und werden an Bord durch zusätzliche Tests und andere Maßnahmen während der Kreuzfahrt regelmäßig überwacht. Die Besatzung wird regelmäßig alle zwei Tage getestet.“
Hygieneprotokolle haben sich vor Omikron bislang bewährt
Bis zur Ausbreitung der neuen Omikron-Virusvariante habe das Hygieneprotokoll gut funktioniert, betont MSC, und auch weiterhin sei man von der Wirksamkeit überzeugt. „All diese Maßnahmen bieten heute - wie auch in den Monaten seit der Wiederaufnahme des Kreuzfahrtbetriebs im August 2020 für alle der über eine Million Gäste, die wir seither weltweit an Bord unserer Schiffe begrüßt haben - ein sicheres Umfeld an Bord, wobei die Fälle unter den Gästen und der Besatzung nur einen Bruchteil der Fälle an Land ausmachen. Darüber hinaus stellen wir Fälle fest, die an Land meist unentdeckt geblieben wären, weil wir strengere Protokolle anwenden als in jedem anderen Reise- und Gastgewerbesektor.“
Zwar gibt es Fans, denen allein schon das Erlebnis eines Schiffes genügt, den meisten macht eine Kreuzfahrt aber nur dann Spaß, wenn sie auch von Bord gehen können. Das ging nach dem Neustart nach der großen Corona-Pause oft zunächst nur in einer sogenannten Blase („Bubble“), alle Ausflüge durften unter diesen Bedingungen nur mit den von der Reederei beauftragten Anbietern und ohne Verlassen der Gruppe erfolgen.
„MS Fridtjof Nansen“ fährt zum ersten Mal von Hamburg nach Norwegen
Später wurden die Vorschriften zunächst in der EU und dann in weiteren Zielgebieten gelockert, nun jedoch wird angesichts von Omikron wieder zu schärferen Schutzmaßnahmen gegriffen. So hat Aida Cruises den Reisenden mehrerer Schiffe mitgeteilt, dass ab sofort nur noch „Bubble“-Landgänge erlaubt sind. Zudem wurden der Crew die Landausflüge gestrichen, was für diese den Arbeitsplatz sicher nicht attraktiver macht. Auch die Frequenz der Corona-Tests soll noch einmal erhöht werden, und Gäste müssen in Innenräumen nun eine FFP2-Maske tragen, nicht mehr nur einen medizinischen Mund-Nasen-Schutz.
Recht unbeeindruckt reagiert man noch bei Hurtigruten, obwohl dort schon im Sommer 2021 der Neustart durch Corona-Infektionen an Bord verpatzt wurde. Am Sonntag startete das Hybrid-Expeditionsschiff „MS Fridtjof Nansen“ erstmals in diesem Jahr von Hamburg aus in Richtung Norwegen. Es ist das zweite Schiff, das regelmäßig ab Hamburg zu Expeditionsseereisen entlang der norwegischen Küste aufbricht. „Aufgrund der positiven Resonanz und großen Nachfrage hat Hurtigruten Expeditions sein Reiseangebot ab Hamburg erweitert. MS „Fridtjof Nansen“ wird bis Anfang April 2022 achtmal aus dem Hamburger Hafen auslaufen“, teilte Hurtigruten mit.
Schiffsquarantäne: „Ein zeitnaher Rücktransport nach Deutschland wäre ausgeschlossen“
„Wir sind begeistert von dem großartigen Feedback unserer Gäste zu unseren Expeditionsseereisen mit den innovativen Hybridschiffen ab Hamburg. Die bisherigen Buchungen übertreffen unsere Erwartungen: Die Expeditionsseereisen ab Hamburg sind bis April nahezu ausgebucht – nur einige wenige Restplätze sind noch verfügbar. Erst ab Mai gibt es wieder mehr Verfügbarkeit“, sagt Heiko Jensen, Hurtigruten VP Sales Europe.
Aktuell fahren die meisten Schiffe nur mit rund 60 Prozent Auslastung, wenn überhaupt, Gedränge an Bord gibt es nicht. Dennoch hält das Auswärtige Amt diese Reiseform nicht unbedingt für angeraten, wie andere allerdings auch. Wörtlich lautet der Hinweis: „Von der Teilnahme an Kreuzfahrten wird abgeraten. Es besteht das Risiko, dass im Falle eines Covid-19-Ausbruchs an Bord – auch unter geimpften Reisenden – von den zuständigen Behörden im Ausland eine mehrtägige Schiffsquarantäne verhängt wird. Ein zeitnaher Rücktransport nach Deutschland wäre ausgeschlossen.“
Im Quarantäne-Fall fallen bei Aida keine Mehrkosten an
Ausgenommen sind deshalb nur Flusskreuzfahrten innerhalb der EU bzw. Schengen mit besonderen Hygienekonzepten sowie Kreuzfahrten auf Schiffen mit spezifischen Hygienekonzepten, deren Reise in einem Hafen in Deutschland beginnt und ohne ein Anlegen in einem ausländischen Hafen wieder in einem Hafen in Deutschland endet.
Bei Aida hatte man bislang wenig Verständnis für diesen Hinweis, schließlich gibt das Unternehmen eine eigene Sicherheitsgarantie („unser Aida-Versprechen“). Die verhindert zwar keine Quarantäne, sorgt aber immerhin dafür, dass im Fall der Fälle keine Mehrkosten für Hotels und außerplanmäßige Rückflüge entstehen. Das ist bei US-Reedereien durchaus anders, wie in der „Washington Post“ zu lesen war. Dort wurde von einem Kanadier berichtet, der nun auf rund 4000 Dollar Extrakosten sitzenbleibt, nachdem er positiv getestet in Miami von Bord und in Isolation gehen musste.
Wie Passsagiere im Corona-Fall entschädigt werden
Inzwischen ist auch klar, wie die Passagiere der vorzeitig abgebrochenen Reisen entschädigt werden sollen. Hier lautet die Regelung: Für die an Bord verbrachten Tage gibt es 50 Prozent des anteiligen Reisepreises zurück, für die ausgefallenen Tage wird alles erstattet. Zudem werden 200 Euro pro Kabine als Prämie bei einer Neubuchung bis Ende März dieses Jahres angerechnet. Ähnliches verspricht TuiCruises: „Selbstverständlich erhalten Sie den Reisepreis in vollem Umfang erstattet. Als Wiedergutmachung erhalten Sie zusätzlich bei Neubuchung eine Ermäßigung in Höhe von 20 Prozent auf den Kreuzfahrtanteil für eine Reise Ihrer Wahl.“
Klar ist: Corona macht auch vor Schiffen nicht halt, und selbst mit Booster ist man nicht mehr vollständig geschützt. Dennoch ist die Lage aktuell nicht mit dem Frühjahr 2020 vergleichbar, als es zahlreiche Irrfahrten und sogar Tote an Bord gab. Denn Impfungen senken die Schwere der Erkrankung, Tests und Hygieneprotokolle das Risiko größerer Ausbrüche. Ob das Reisen - womit und wohin auch immer - in Corona-Zeiten vertretbar ist oder nicht, wird sich in den nächsten Wochen zeigen. Wir werden lernen müssen, mit dem Virus zu leben – dieser Kurs zumindest steht fest.