Hamburg. Barbara K. aus Eimsbüttel sucht seit zwei Jahren eine seniorengerechte Zweizimmerwohnung – hat bislang aber nur Absagen kassiert.

Zwei Zimmer, Küche, Bad – mit den 39 Quadratmetern in Eimsbüttel, in denen sie seit 40 Jahren lebt, ist Barbara K. bislang sehr zufrieden. Dass ihre Wohnung keinen Balkon hat, wird durch den schönen Innenhof des Wohnblocks kompensiert. Außerdem ist die Anbindung an Bus und Bahn perfekt. Hadern tut die 69-Jährige nur damit, dass sie im vierten Stock lebt und keinen Fahrstuhl hat.

„Noch geht das, aber als ich einmal wegen einer Beinverletzung ein halbes Jahr an Krücken gehen musste, habe ich gemerkt, dass das keine Dauerlösung sein kann“, sagt die ausgebildete Kauffrau, die nach einem Abendstudium als Sozialpädagogin gearbeitet hat – und seit einer krankheitsbedingten zweijährigen Pause vor etwa 25 Jahren nie wieder eine Festanstellung fand, sondern nur befristete Jobs.

Wohnen in Hamburg: Die Rente reicht nicht

Jetzt, wo sie sich aus Altersgründen nach einer anderen Wohnung umschaut, bekommt sie die Folgen zu spüren: Ihre Rente, 1065 Euro, reicht nicht aus für eine neue Bleibe, die seniorengerecht über einen Fahrstuhl verfügt oder im Erdgeschoss liegt und ebenso zentral ist wie die jetzige. Dass sie auf dem freien Wohnungsmarkt kaum Chancen hat, wusste sie vorher.

Eine Sozialwohnung, die ihr gefällt, wurde ihr noch nicht angeboten. Also versuchte sie, einer der vielen Genossenschaften beizutreten, die in Hamburg Wohnen zu attraktiven, fairen Preisen anbieten. Doch die Genossenschaften haben Aufnahmestopp – Mitglied werden kann man nur indirekt über das Anmieten einer Bestandswohnung, an der die Bestandsmitglieder nicht interessiert sind. Das passiert nicht selten. Doch Barbara K. kassierte in den letzten beiden Jahren nur Absagen.

Verhältnis der Miete zu Einkommen nicht kompatibel

Dabei hätte sie zwei Wohnungen aus dem Bestand der Hamburger Wohnen, wo sie sich 2020 und 2021 beworben hat, wirklich gerne genommen: eine in Sasel, eine andere in Barmbek. Doch aus der Geschäftsstelle in Sasel erhielt sie im März 2021 die Auskunft, dass man sie aus der Liste der Interessenten für dort neugebaute seniorengerechte Wohnungen herausnehmen würde.

„Die Begründung hieß, mein Einkommen und die Miethöhe seien nicht kompatibel. Laut Satzung dürfe die Miete nur maximal ein Drittel des Einkommens betragen“, sagt Barbara K., Sie halte das nicht mehr für zeitgemäß. „Mittlerweile geben viele die Hälfte ihres Einkommens für die Miete aus. Man muss sich dann halt etwas einschränken.“

Wohnung spontan anderweitig vergeben

Anfang Juni bot Hamburg Wohnen ihr dann eine Zweizimmerwohnung in Barmbek an, die ab dem 1. Juli zur Verfügung stehen würde. Sie verabredete eine Besichtigung mit den Vormietern, die bereits ausgezogen waren, und war entzückt. „Sie war frisch gestrichen, gut geschnitten und hatte einen schönen alten Holzfußboden und sogar einen Balkon.“ Dass sie wegen der eigenen Kündigungsfristen eine Zeit lang doppelt Miete würde zahlen müssen, hätte sie in Kauf genommen.

Die Barmbeker Sachbearbeiterin ging nicht auf das Verhältnis von Rente und Miete ein. „Erst als ich nachfragte, wurde sie stutzig. Wir einigten uns dann darauf, dass ich einen Bürgen angeben sollte“, so Barbara K. Was sie tat. Da sie mit dem kompletten Bewerbungssatz bis zum 16. Juni auch eine Schufa-Auskunft eingereicht hatte, war sie zuversichtlich, die Wohnung in der Lorichsstraße zu bekommen. Doch sie hörte nichts mehr von der Mitarbeiterin und konnte sie auch nicht mehr erreichen. „Nach einer Woche hatte ich endlich einen Kollegen am Telefon, der sich erkundigen wollte – und mir kurz darauf mitteilte, die Wohnung wäre anderweitig vergeben worden.“

Hamburger Wohnen: Suchende müssen Geduld haben

Auch mit anderen Genossenschaften hatte sie Pech. Von der Schiffszimmerer Genossenschaft erhielt sie die Auskunft, es gebe im Bestand nur wenige Wohnungen für Berechtigte mit Paragraf-5-Schein. Angeboten wurde ihr eine Zweizimmerwohnung in Schnelsen, die ihr von der Lage (große Wohnblöcke dicht an einer Autobahnauffahrt) aber nicht zusagte. Und die Fluwog-Nordmark eG dankte ihr zwar für ihr Interesse, wies gleichwohl aber darauf hin, dass sie ihr „auf Basis der angegebenen Suchdaten erfahrungsgemäß keine Wohnungsangebote unterbreiten werden können“. Grund seien die seit Jahren erhöhte Nachfrage sowie eine rückläufige Zahl von Wohnungskündigungen.

Die Hamburger Wohnen schließt die Vermittlung von Wohnungen in beliebten Gegenenden nicht aus, betont jedoch auf Abendblatt-Nachfrage: „Wer bei der Suche auf stark nachgefragte Stadtteile oder besondere Ausstattungsmerkmale festgelegt ist, muss Geduld mitbringen, denn für solche Wohnungen gibt es in der Regel mehrere Bewerber.“ Wenn die Interessenten in ihren Anforderungen flexibel seien, ständen die Chancen aber gut, etwas Passendes zu finden.

Auch Nebenkosten spielen bei Vergabe mit rein

Angesprochen auf den anonymisierten Fall von Barbara K. teilt die Genossenschaft mit, dass es in ihrer Satzung – anders, als es die Saseler Mitarbeiterin gesagt haben soll – keine konkreten Vorgaben zur Wohnungsvergabe gebe. Sie erfolge vielmehr anhand mehrerer Kriterien und unter Berücksichtigung des Einzelfalls. Die Zahlungsfähigkeit müsse dabei natürlich gegeben sein. „Die Sachbearbeiter*innen haben eine entsprechende Ausbildung und die notwendige Erfahrung, um eine qualifizierte Entscheidung im Rahmen der internen Richtlinien zu treffen“, schreibt Sprecherin Claudia Ihlius.

Bei der Betrachtung der Zahlungsfähigkeit sei zu beachten, dass neben der Miete weitere Wohnkosten wie Betriebs- und Heizkosten entfielen, die in der Regel in der Bruttomiete als Vorauszahlung enthalten sind. Hinzu kämen aber auch noch beispielsweise Strom, Wasser, Telefon, Internet und Versicherungen, die direkt mit den Versorgern abgeschlossen werden. „In dem von Ihnen beschrieben Fall würden die Wohnkosten insgesamt deutlich mehr als die Hälfte des Einkommens ausmachen. In einem solchen Fall bemühen wir uns gerne, eine alternative Wohnung in unserem Bestand zu finden.“

Wohnen in Hamburg: Barbara K. bewirbt sich weiter

Barbara K. gibt die Hoffnung nicht auf und will sich weiter bewerben. „Mir gefällt sehr, dass sich Genossenschaften nicht nur für faire Wohnbedingungen, sondern auch für das soziale Miteinander ihrer Mieter engagieren“, sagt sie. Es könne doch nicht sein, dass sie gezwungen werde, ihre Heimatstadt zu verlassen, weil sie sich das Wohnen dort nicht mehr leisten könne – selbst unter bescheidenen Bedingungen.