Hamburg. Hausbesuch hinter meterdicken Wänden: Die Geborgenheit in dem ehemaligen Schutzraum ist für die Bewohnerinnen wie ein Sechser im Lotto.

Kalt, dunkel, beklemmend – das sind die Assoziationen, die einem in den Sinn kommen, wenn man an einen Bunker denkt. All das ist der zum Wohnhaus umgebaute Hochbunker in Ottensen nicht. Im Gegenteil. Wer nicht flüchtig vorbeihastet, sondern an das Ende der von zwei weißen Villen gesäumten Einfahrt schaut, erblickt das beeindruckende, graue Gebäude mit den vielen Balkonen, breiten Fenstern und Loggien bereits von der Straße aus. Nähert man sich dem ehemaligen Bunker, fallen viele Details ins Auge, die Zeugnis des Vergangenen sind, obwohl die Fassade mehr als modern daherkommt.

„Es war diese Atmosphäre von Freiheit, ein bisschen schräg, ein bisschen wild, ein bisschen anders, ein bisschen Hinterhof, die mich sofort in den Bann gezogen hat“, sagt Bettina Strehl, die seit August 2018 in dem ehemaligen Bunker lebt. Dass es so gekommen ist, sei ein großer Zufall gewesen, sagt sie. „Meine Frau und ich wollten umziehen. Zunächst zur Miete, aber das war relativ teuer. Dann wollten wir kaufen, aber es gab nur wenige Angebote.“ Schließlich sei ihr die Anzeige über den Hochbunker aufgefallen. „Ich habe gesagt, komm, lass uns einfach mal gucken, was es so gibt in der Stadt. Wir sind hier dann eigentlich als Touristen aufgeschlagen.“

Wohnen in Hamburg: Bunker wurde 1943 gebaut

Zum Zeitpunkt der Besichtigung habe es viel Vorstellungskraft gebraucht. „Der Bunker war wirklich noch ein Bunker. Er ist 1943 gebaut worden, mitten im Krieg, und bis in die 1980er-Jahre noch als Atombunker benutzt worden.“ Aufgetürmte Steine im Eingangsbereich legen noch heute ein Zeugnis der Vergangenheit ab. „Der war noch komplett in Schuss. Da waren sogar noch die Latrinen mit so alten Stoffvorhängen drin“, erinnert sich Strehl. „Es war düster, sehr beklemmend, und die Decken waren niedrig. So, wie man sich einen Bunker eben vorstellt.“

An den Betonwänden ist die Geschichte teilweise noch  sichtbar.
An den Betonwänden ist die Geschichte teilweise noch sichtbar. © Roland Magunia/Funke Foto Services

Überzeugt habe sie die Vision des Bauherrn. „Diese Fantasie brauchte man auch. Der Bau hat ja sehr lange gedauert.“ Vom Kauf bis zum Baubeginn seien rund zweieinhalb Jahre vergangen. „Da hatte man schon Zeit, um auch Zweifel zu bekommen. Natürlich war es auch ein bisschen mutig.“ Dieser Mut wurde belohnt. Vom Früher zeugen heute nur noch die Wände. Die 110 Quadratmeter große Wohnung präsentiert sich hell, warm und modern, voller verspielter Details. Vor einem Fenster baumelt eine Schaukel, vor einem anderen eine Hängematte, an einer Wand hängt ein Hundertwasser-Bild, im Flur eine alte Bank aus der Arztpraxis des Großvaters – zu entdecken gibt es einiges. „Wir haben versucht, die Wohnung mit vielen alten Möbeln von meiner Familie ein bisschen wärmer zu machen“, sagt die 48-Jährige.

Die Käufer konnten den Grundriss mit gestalten

Jeder Käufer habe seine Wohnung mitgestalten können – auch den Grundriss und die Materialien. „Die Wohnungen sind alle extrem unterschiedlich“, so Strehl. „Wir haben an den Außenwänden relativ wenig verändert, und die Böden sind ganz normaler Estrich. Deshalb ist es sehr pur.“ An den dicken Betonwänden sind noch die Kennzeichnungsstreifen und kleine Neonflecken zu sehen, an den Fenstern Metallspäne von den Gittern, hier und da haben die Wände Löcher.

Der Eingangsbereich des Hauses ist puristisch gehalten.
Der Eingangsbereich des Hauses ist puristisch gehalten. © Roland Magunia/Funke Foto Services

„Man hat hier viel zu gucken“, sagt Strehl und lacht. Zu gucken gibt es auch im Treppenhaus und im Eingangsbereich viel. Aus einem gläsernen Fahrstuhl lassen sich die Bunkerwände genau betrachten, als Besucher fühlt sich die Fahrt an wie in einem Museum. Auf dem Dach teilen sich die Bewohner eine Dachterrasse. Eine Garten AG bewirtschaftet ein Hochbeet mit Gemüse, das für alle Bewohner zur Verfügung steht. „Wir haben hier eine sehr schöne Hausgemeinschaft.“

Umbau erfolgt mit Fokus auf Nachhaltigkeit

Beim Bau wurde großer Wert auf Nachhaltigkeit gelegt. „Das Haus wird durch einen Eisspeicher beheizt, was komplett CO2-freie Wärme erzeugt.“ Im Sommer würden die Böden gekühlt, im Winter durch eine Fußbodenheizung beheizt – ohne die Umwelt zu belasten. „Das ist natürlich auch was Besonderes.“ Das heutige Gebäude sei genau das Gegenteil davon, wie man sich einen Bunker vorstellt, sagt Strehl. „Wenn man an die Geschichte denkt, dann ist da Schmerz und Leid und Angst. Da ist Krieg, und was hier jetzt entstanden ist, das ist Begegnung und Freiheit und Luft.“

Wie es sich anfühlt, in einem Bunker zu leben? „Das Motto dieses Baus war ja, dass aus Schutzraum Wohnraum wird. Und dieser Bunker ist auch jetzt noch ein echter Schutzraum. Man fühlt sich hier total geborgen.“ Das liege auch daran, dass die Wände so dick sind, was noch weitere Vorteile mit sich bringt. „Es ist überhaupt nicht hellhörig. Wenn hier Kinder sind, lieben die das, weil man mit einem Fußball so oft an die Wände schießen kann, wie man möchte, und es bekommt niemand mit. Man kann hier auch nachts die Musik aufdrehen und tanzen.“ Einen Nagel könne sie jedoch nicht einfach in die Wand schlagen. „Eine der ersten Maßnahmen war es, mir einen Bohrhammer zuzulegen.“

Wohnen in Hamburg: Bunker „ist ein Sechser im Lotto"

Neben ihrer Wohnung schätzt die Rechtsanwältin auch ihre Nachbarschaft sehr. „Es gibt ja in Hamburg die Alster- und die Elbtypen. Ich bin ganz eindeutig ein Elbtyp, und Ottensen hat für mich eben auch diese Elbatmosphäre.“ In Hamburg habe sie schon an mehreren Orten gewohnt, der letzte Umzug soll für sie jedoch der in den ehemaligen Hochbunker gewesen sein. „Das ist ein Sechser im Lotto. Manchmal stehe ich oben auf der Dachterrasse, mache Gymnastik und gucke über Hamburg und die Kräne und denke, so viel Glück hat man nur einmal im Leben.“