Hamburg. Die Krise als Chance nutzen: Künstler, Designer und Gründer ziehen in leere Geschäfte – und beleben so die City. Das Programm.
Hamburg wird bunt: Hinter dem Museumsshop des Bucerius Kunst Forums hat die Affenfaust Galerie einen Laden bezogen, davor bietet „La Tribune Noire“ Mode, Kultur und Gastronomie von schwarzen Menschen an, neben Ladage & Oelke hat die junge Modedesignerin Alina Klemm ein kleines Geschäft eröffnet – und auf der Rückseite des Gebäudes senden die handgefertigten Leuchtkästen der Nights Glow Dark soziale Botschaften über das Alsterfleet in die Welt.
Wer die Innenstadt für eine langweilige Aneinanderreihung von Filialisten und Ketten hält, war lange nicht mehr dort – und kennt die jüngste Idee der Kreativ Gesellschaft noch nicht.
Leerstand in Hamburg bietet Raum für Kreative
Das Förderprogramm mit dem pfiffigen Titel „Frei_Fläche“ hat sich zum Ziel gesetzt, Räume für kreative Zwischennutzung zu vermitteln. Was im Juli begann und bis Ende 2022 läuft, entwickelt sich gut. Inzwischen sind 25 Geschäfte vorübergehend vermietet. Der Clou daran: Die Unternehmensgründer und Kreativen bekommen attraktive Flächen für lediglich 1,50 Euro pro Quadratmeter, die Kreativ Gesellschaft übernimmt zusätzlich die Kaution sowie die Betriebs- und Nebenkosten.
Künstler erhalten gute Räume, die sie sich sonst nie leisten können; Quartiere werden belebt, und alle Beteiligten können lernen, wie sich die Stadt von morgen mit Leben füllt. Diese Experimente auf Zeit lohnen sich auch für die Vermieter, bleiben sie doch flexibel und können schnell auf Nachfrage reagieren. Nun hat die Art-Invest Real Estate Räumlichkeiten am Alten Wall für vier sogenannte „Pop-up Stores“ zur Verfügung gestellt.
Quartiere in Hamburg durch die Kunst belebt
Finanzsenator Andreas Dressel und Kultursenator Carsten Brosda machten sich am Freitag ein eigenes Bild. In Tagen, in denen Erfolgsmeldungen eher rar gesät sind, sind das dankbare Termine: Brosda und Dressel schnackten, scherzten – und lobten. Der Kultursenator sprach von einem „schönen Impuls“, weil Kunst die Qualität des Standortes steigere. Das Programm Frei_Fläche ermögliche es Kreativen, sich an zentralen Orten zu präsentieren. Dressel betonte, so lasse sich aus der Not eine Tugend machen. „Mit kreativwirtschaftlichen Nutzungen beleben wir die Quartiere.“
Tatsächlich macht es Spaß, etwa die Siebdrucke und Bilder der Affenfaust Galerie zu bestaunen, teilweise auch als Puzzle oder Flaschenetiketten gedruckt – oder zwischen afrikanischer Mode plötzlich exquisite Soßen oder äthiopischen Espresso zu entdecken.
Programm gegen Leerstand ein „Gewinn für alle Seiten"
Seit dem Projektstart sind 4300 Quadratmeter an Kreative vergeben worden. Und im Topf, gefüllt mit neun Millionen Euro, liegt eine Menge Geld – bislang wurde nur ein kleiner Teil abgerufen. So appellierte der Finanzsenator an die Immobilienwirtschaft: „Nutzen Sie das Programm. Machen Sie mit, bevor Sie Leerstand finanzieren.“ Mit der ECE, der Sprinkenhof GmbH, dem Levantehaus oder dem Stilwerk sind schon namhafte Hamburger Vermieter dabei.
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Egbert Rühl, Geschäftsführer der Kreativ Gesellschaft, lobte das Programm als „Gewinn für alle Seiten. Es macht nicht nur Spaß, sondern ist auch für alle überaus erfolgreich.“ Das sieht Martin Wolfrat, Leiter der Art-Invest Real Estate Hamburg, ähnlich: „Die Innenstädte brauchen neue Konzepte, um attraktiv zu bleiben.“ Das Projekt mit den Künstlern lade zum Flanieren, Entdecken und zum Dialog ein. „Frei_Fläche ist ein tolles Beispiel – da müssten andere Städte nachziehen.“