Hamburg. Ein Pilotprojekt in Altenheimen soll die Gesundheit der Mitarbeiter stärken. Seit Beginn der Pandemie sind viele am Belastungslimit.
Pflegekräfte sind besonders großen Belastungen ausgesetzt. Ihre Arbeit ist körperlich und psychisch anstrengend, wegen Personalmangels müssen sie oft vieles in Eile erledigen. Hamburgs Pflegekräfte sind überdurchschnittlich oft arbeitsunfähig – im Schnitt sind sie an 23,4 Tagen im Jahr krankgeschrieben, während andere Arbeitnehmer nur 14,8 Tage fehlen. Ein neues Gesundheitsprogramm mit dem Schwerpunkt auf Stressbewältigung und dem Umgang mit körperlichen Belastungen im Pflegebereich soll die Mitarbeiter unterstützen und helfen.
„Wenn sich jemand kurzfristig krankmeldet, muss die Arbeit ja trotzdem gemacht werden. Pflege kann nicht warten“, sagt die Pflegefachkraft Serap Mader. Das ist kräftezehrend für jene, die die zusätzlichen Aufgaben übernehmen müssten. „Vor der Corona-Pandemie hatten wir auch schon Stress, aber seither hat er sich noch erhöht“, sagt die 39-Jährige, die im Alten- und Pflegeheim Moosberg in Lohbrügge arbeitet.
Mitarbeitergesundheit: Wie Pflegekräfte belastbarer werden
In der Einrichtung mit 193 Bewohnern arbeiten 120 Beschäftigte. Das Haus Moosberg ist eines von insgesamt 13 Heimen, die die Pflegen & Wohnen Hamburg GmbH betreibt. Mader ist ausgebildete Krankenschwester und seit mehreren Jahren in der Altenpflege tätig. Sie bildet als Praxisanleiterin den Nachwuchs im Haus aus. Nach einer Qualifizierung beim Unternehmen LifeBonus als Health Coach (Gesundheitsmentorin) kümmert sie sich nun aber auch um ihre erfahrenen Kolleginnen und Kollegen, damit diese möglichst lange gesund in ihrem Beruf arbeiten können.
„Wir entwickeln Präventionsprogramme für Berufe mit hohen psychischen und physischen Belastungen“, sagt Ulrike Voß, Sprecherin der LifeBonus Gesundheitsmanagement GmbH. Das Pionierprogramm solle dazu dienen, die Belastungen von Pflegekräften nachhaltig und jobspezifisch zu reduzieren – mit einem umfassenden Konzept aus innerbetrieblichen Gesundheitsmentoren und digitaler Begleitung.
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Eine App soll die Mitarbeiter zusätzlich unterstützen
Dazu gehört auch eine spezielle App für Pflegekräfte. Diese Anwendung begleitet die Kolleginnen und Kollegen zusätzlich zum analogen Training im Bereich Stressbewältigung und schonende Bewegungen im Pflegealltag.
Serap Mader hat sich im Haus Moosberg vorgenommen, alle Abläufe im Pflegebetrieb zu begleiten und den Kollegen mögliche Verbesserungen vorzuschlagen – beispielsweise, wie man jemanden möglichst schonend für den eigenen Rücken umlagert oder aus dem Bett holt und in einen Stuhl setzt. „Jeder hat ja mal gelernt, wie man es richtig macht, aber wenn man schnell arbeitet, gerät es bei vielen leicht in Vergessenheit.“ Pflegen & Wohnen möchte insgesamt 50 seiner 1869 Mitarbeiter zu Health Coaches fortbilden lassen, die dann wiederum ihre Kollegen unterstützen sollen. Serap Mader wird 25 Prozent ihrer Vollzeitstelle für diese Tätigkeit verwenden können. „Ich werde in allen Wohnbereichen schauen, wo die Kollegen Unterstützungsbedarf haben.“
Der Tod ist eine besondere Herausforderung
Sie werde niemandem sagen, wie er zu arbeiten habe, aber gern unterstützen. „Alle sind neugierig und gespannt, was auf sie zukommt. Ich denke, dass man sich auch helfen lässt“, sagt Mader. An den Erfolg glaubt auch Ulrike Voß: „Die Leute wollen keinen Coach, der nach zwei Tagen wieder geht, sondern jemanden, der sie im Alltag begleitet, der ihre Probleme kennt.“
Der Pflegeberuf sei besser als sein Ruf, findet Serap Mader: „Man verdient nicht so schlecht. Mehr Geld wäre sicher gut, aber noch wichtiger wäre, dass die Pflegekräfte mehr Freizeit bekommen, um sich zu regenerieren. Die Schichtarbeit und die Arbeitsbelastung setzen dem Körper zu.“
Pflege: „Die Zahl derjenigen, die im Beruf bleiben, ist nicht sehr hoch“
Das weiß auch Thomas Flotow, Sprecher der Geschäftsführung von Pflegen & Wohnen: „Wir müssen erheblich mehr in Möglichkeiten investieren, damit die Gesundheit der Mitarbeiter erhalten bleibt.“ Das Konzept von LifeBonus habe ihn überzeugt, weil man immer jemanden im Unternehmen habe, der wirke, ohne belehrend zu sein. Trotzdem sei es ein Angebot, zu dem man keinen Mitarbeiter zwingen könne, „jeder muss sich selbst auf den Weg machen“. In der Pflege werde viel körperlich gearbeitet. Aber auch die ständige Konfrontation mit dem Tod sei in Altenheimen eine besondere psychische Herausforderung.
Das Projekt bei Pflegen & Wohnen wird von der Techniker Krankenkasse (TK) finanziert. „Die Zahl derjenigen, die im Beruf bleiben, ist nicht sehr hoch. Man muss sehr genau gucken, dass man die Arbeitsabläufe so gestaltet, dass die Mitarbeitenden nicht krank werden“, sagt Marion Puttfarcken, Leiterin der TK-Landesvertretung Hamburg. Psychische Belastungen, Stress, Erschöpfung und Rückenschmerzen seien nämlich die größten Probleme in den Pflegeberufen.