Hamburg. Am Goldbekkanal beginnt der Wiederaufbau der Traditionswerft, die vergangenes Jahr abgebrannt war. Wann die Eröffnung geplant ist.
Der Abend des 25. September 2020 war einer der schlimmsten, die Axel Bartels je erlebt hat. Flammen vernichteten die Bootswerft Gustävel, die er erst neun Monate zuvor übernommen und seitdem mit viel Herzblut und Arbeit geführt hatte. Die Ursache: Brandstiftung, wahrscheinlich Jugendliche. Die Täter konnten bis heute nicht ermittelt werden.
Mit den Hallen fielen den Flammen rund 300 teils historische Boote zum Opfer. Zunächst sah es so aus, als bedeute der Brand den Ruin des Barmbekers, der gelernter Tischler ist, sich dann in der IT-Branche selbstständig gemacht hatte und sich mit der Bootswerft nach einem Wendepunkt in seinem Leben eine neue Existenz aufbauen wollte. Das Gebäude war nur bis zu einer bestimmten Summe versichert, die gesamte Werkstatt mit den vielen Werkzeugen und teils historischen Maschinen waren darin nicht enthalten – ebenso wenig wie Bartels eigene Kanus, Bootsanhänger, Slipwagen sowie die Einkommensausfälle. Kurze Zeit stand sogar der Verdacht im Raum, er könne das Feuer selbst gelegt haben.
Bootswerft Gustävel: Neubau der Traditionswerft am Goldbekkanal
Heute sind auf dem Grundstück am Goldbekkanal die Arbeiten für den Bau der neuen Bootshallen in vollem Gange. Die ersten Betonfundamente wurden in den schlammigen Boden getrieben, dessen Beschaffenheit nur eine der vielen Widrigkeiten ist, mit denen Bartels in den vergangenen 15 Monaten kämpfen musste. Doch er hat es geschafft – „mit unerschütterlichem Optimismus und einer enormen Unterstützung von Freunden und Mietern“, wie der 54-Jährige selber sagt. Aber auch mit einem selbst angeeigneten Fachwissen, das ihm viel Anerkennung eingebracht haben dürfte.
Doch erst einmal zurück zur Zeit unmittelbar nach dem Brand. Weil die Mieter mit ihren Booten teilweise Familienerbstücke verloren hatten und emotional stark angefasst waren, hatte Bartels „Trauer-Tage“ organisiert, in denen die ehemaligen Bootsbesitzer zwischen Mauerresten, verkohlten Balken und Bootsgerippen nach Andenken suchen konnten – und dabei tatsächlich ihre Schiffsglocken, Bootsnamen aus Messing und ein geliebtes HSV-Feuerzeug fanden.
„Gustävel war keine x-beliebige Werft und Vermietung“
Auch er selber habe unter Schock gestanden und „quasi nur noch funktioniert“. Dennoch nahm er mit einigen Architekten aus seiner Mieterschaft schnell die Planungen einer neuen Halle auf. „Gustävel war ja keine x-beliebige Werft und Vermietung. Daher will ich auch keine Zweckhalle bauen, sondern – im Rahmen meiner Möglichkeiten – wieder etwas Besonderes.“
Im Dezember 2020, keine drei Monate nach dem Brand, reichte er den Bauantrag ein. Die neue Halle wird ein Ständerwerk mit Holzverschalung und einem doppelten Satteldach mit horizontal verlaufendem Lichtband. Statt eines Lagersystems wie dem alten – mit vier Kanus übereinander, die seitlich herausgezogen werden – soll sie nicht mehr nur Platz für 330, sondern für 350 Boote bieten – und das, obwohl sie der geltenden Baugrenzen wegen, die früher an der ein oder anderen Stelle überschritten wurden, nur noch 1350 Quadratmeter einnehmen darf, rund 200 Quadratmeter weniger als die alte.
Mehr Platz für mehr Boote soll ein ausgeklügeltes System schaffen, das Bartels quasi selbst entworfen hat: Nach dem Vorbild asiatischer „Waben-Architektur“ sollen über vier Stockwerke Boxen gebaut werden, in die die Boote der Länge nach über Sliprollen reingefahren werden. „Jedes Boot bekommt eine Box, die sogar abschließbar wäre“, so Bartels. Geeignete Rollen fand er nach langer Recherche in China – weil sie hier nicht mehr hergestellt werden, musste er keine hohen Zölle darauf zahlen.
Neubau der Werft: Keiner meldet sich auf Ausschreibung
Weniger einfach war es, die benötigten Holzbalken und -schalungen zu bekommen. „Da befand sich die kleine Bootswerft Gustävel plötzlich mitten in den Wirrungen der weltweiten Rohstoffmärkte“, sagt Bartels und spielt auf den „Handelsstreit“ zwischen den USA und Holzlieferant Kanada an, dessentwegen die Amerikaner sich mit Bauholz aus Europa eindeckten. Weil gleichzeitig die Chinesen Unmengen ganzer Baumstämme kauften, kämpfte die Branche mit Materialknappheit.
Und auf die Ausschreibung für den Bau der neuen Halle, die eigentlich im April abgeschlossen sein sollte, meldete sich kein einziges Unternehmen. Im Mai habe er daher selber „Material zu einem horrenden Preis“ organisiert, sagt Bartels. Das lagere jetzt in der Halle eines Freundes außerhalb Hamburgs. Kaum war das Holz da, stand das nächste Thema an: Die Stadt verlangte, dass die neue Bootswerft an die Kanalisation angeschlossen wird (früher hatte es Plumpsklos gegeben). Doch zwischen dem am Grundstück am Wasser und dem Poßmoorweg liegt eine öffentliche Parkfläche mit einem Wanderweg sowie Privatgrundstücke.
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Behördenvorgaben: Versicherung übernimmt Großteil der Mehrkosten
Auch hier kümmerte sich Bartels aus Kostengründen selbst darum, die jeweiligen Genehmigungen einzuholen – und schuf auch gleich die Voraussetzungen für seine Nachbarn Hansa-Steg und Bobby Reich, deren Anlagen ebenfalls vom Brand betroffen waren und in Kürze wieder aufgebaut werden sollen.
Von den Behörden habe er jede nur erdenkliche Unterstützung erhalten, sagt Bartels. Und auch die Versicherung habe sich, „nachdem sich herausgestellt hatte, dass nicht ich der Brandstifter war“, kulant gezeigt. „Sie übernimmt einen Großteil der Mehrkosten, die durch Behördenvorgaben entstehen“, sagt Bartels. Er sei „froh, keine Nebenkriegsschauplätze zu haben“.
Beim Innenausbau helfen Mieter und Freunde mit
Wenn alles gut geht, will er im März, April 2022 öffnen. Der Zeitplan ist ambitioniert: Bis Jahresende soll die Gründung abgeschlossen sein, in der zweiten Januarhälfte sollen die vormontierten Holzmodule auf dem Werftgrundstück zusammengefügt werden. Nach einem großen Richtfest will er sich mit Freunden und Mietern an den Innenausbau machen. Gut die Hälfte der künftig verfügbaren Plätze sind bereits vermietet. Für den Rest rechnet Bartels mit großer Nachfrage. „Die Möglichkeit, einen Hallenplatz direkt am Wasser zu bekommen, sind in dieser Gegend rar“, sagt er.
Zwar werde die Jahresmiete von bislang 300 Euro auf knapp 400 Euro steigen, aber dafür biete die Bootswerft Gustävel künftig alle Annehmlichkeiten eines Neubaus inklusive ordentlicher Toiletten, dem komfortablen Lagersystem und einer elektronischen Schließanlage. Angst vor erneuter Brandstiftung hat Bartels nicht. Als ehemaliger Tischler und Bauherr einer Holzhalle hat er sich intensiv mit Holz als Baustoff auseinandergesetzt – und betrachtet es, wenn es nach heutigen Vorschriften verbaut werde und entsprechend dimensioniert sei, als „sehr sicheren Baustoff.“ Nichtsdestotrotz wäre ihm und seinen Mietern wohler, wenn die Täter doch noch ermittelt würden.