Hamburg. Oft wird vermutet, Santorin berge Reste von Atlantis. Hamburger Wissenschaftler erforschen das Vulkansystem – und machen einen Fund.
Das malerische Santorin ist eine Inselgruppe in der südlichen Ägäis. Diese Inseln bilden den Rand einer mächtigen vom Meer gefluteten vulkanischen Caldera. Häufig wurde spekuliert, dass Santorin die Reste von Atlantis birgt – jenes hoch entwickelten Inselreichs, das plötzlich unterging. Dass hier vor etwa 3600 Jahren der Ausbruch des Vulkans im Inselzentrum eine blühende minoische Stadt zerstörte, bietet Anknüpfungspunkte zu der antiken Legende.
Dieser Ausbruch erzeugte einen Tsunami, der das gesamte östliche Mittelmeer erreichte und so vermutlich zum Untergang der Kultur der Minoer beitrug. Er änderte auch das Klima: Gigantische Aschewolken verdunkelten die Sonne und versetzten die Welt in einen zweijährigen Winter.
Die Spuren der Vulkane reichen auf den Inseln bis zu 600.000 Jahre in die Vergangenheit. Doch die geologischen Strukturen gewähren den Blick nur auf einen Teil der Geschichte. Denn große Teile des Vulkansystems sind unter Wasser und unter dem Meeresboden verborgen.
Hamburger Klimaforscher: Untersuchung des Vulkansystems
Am Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit (CEN) haben meine Kollegen und ich mit einem internationalen Forschungsteam nun erstmals detailliert rekonstruiert, wie sich das Vulkansystem räumlich und zeitlich entwickelt hat. Seine geologische Geschichte umfasst auch die nahe gelegenen Christiana-Inseln und den Unterwasservulkan Kolumbo.
Auf mehreren Expeditionen unter Leitung meines Doktorvaters Christian Hübscher sammelten wir seismische Daten, die uns zeigen, wie die vulkanischen Zentren gewachsen und wieder verschwunden sind. Um ein Bild vom Untergrund des Meeresbodens zu erhalten, nutzten wir ein Verfahren, das dem Ultraschall in der Medizin ähnelt: Mit Forschungsschiffen schleppen wir Unterwassermikrofone, sogenannte Hydrofone, durch das Meer.
Über einen speziellen Luft-Pulser produzieren wir dabei akustische Signale, die in den Boden dringen und wieder zurückgeworfen werden. Die Hydrofone nehmen die reflektierten Signale auf, die wir dann mithilfe von Computerprogrammen auswerten.
Santorin: Forscher machen Neuentdeckung
Mit diesen Signalen können wir ein strukturelles Abbild des Untergrunds erstellen und so einige Hundert Meter unter den Meeresboden schauen. Die Ablagerungen von Vulkanausbrüchen zeigen dabei besondere Eigenschaften, die wir dann einzelnen Vulkanen zuordnen können. Dabei machten wir sogar eine Neuentdeckung: ein bisher unbekannter Vulkan westlich von Santorin! Lange erloschen, wurde er über Jahrtausende von jüngeren Sedimenten überdeckt.
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Aber wann genau entstanden die Schichten? Um dies herauszufinden, haben wir ihre Dicke gemessen. Mithilfe der durchschnittlichen Sedimentationsraten konnten wir ihr Alter abschätzen und ermitteln, wann sich einzelne Eruptionen ereigneten. Wir konnten zeigen, dass das Vulkansystem in vier sehr unterschiedlichen Phasen und aus einer Kette einzelner vulkanischer Zentren entstanden ist.
Die erste Phase begann bereits vor rund drei Millionen Jahren im Pliozän. Erst in der letzten Phase, die vor etwa 350.000 Jahren begann, entstand der zentrale Vulkan, dessen Ablagerungen man heute auf Santorin bewundern kann.
Wir vermuten, dass die Phasen eng mit der tektonischen Aktivität des umliegenden Rift-Systems – einer Reihe von lang gezogenen Brüchen in der Erdkruste – zusammenhängen. Unsere Ergebnisse werden dabei helfen, die Häufigkeit von Vulkanausbrüchen in der Region zu rekonstruieren und so Gefahren zu erkennen und Risiken zuverlässiger zu bewerten.
- Jonas Preine erforscht zusammen mit seinen Kollegen die Geschichte des Vulkanismus in der südlichen Ägäis, die sich mithilfe seismischer Methoden mehr als drei Millionen Jahre zurückverfolgen lässt.