Hamburg. Prozess wegen versuchten Mordes: Wie ein Mann seine Partnerin tagelang foltert und die Schuld beim Opfer sucht.

Mit kurzen Schritten tippelt die Nebenklägerin in den Gerichtssaal, während sie sich am Rollator festhält. Dass sie überhaupt auf eine Gehhilfe angewiesen sei, daran sei der Angeklagte schuld, ihr Ex-Partner, sagt Margit K. etwas später. Holger H. hat die Rentnerin auf brutalste Weise misshandelt.

Die Tatwerkzeuge: seine Hände, Kabelbinder, eine abgeschlagene Flasche, ein Messer und ein Baseballschläger. Nachdem die körperlichen Wunden abgeheilt waren, sollte eine Therapie der 63-Jährigen helfen, das Martyrium zu vergessen. Jetzt aber, vor dem Schwurgericht, soll sie sich an alles erinnern. Im Gerichtssaal gegenüber sitzt ihr am Dienstag ihr Peiniger mit dem an den Seiten kahlgeschorenem Kopf, die grauen Haare zum Dutt gebunden. Bei seinem Anblick, sagt Margit K., verspüre sie Todesangst.

(Teil-)Geständnis: Hamburger foltert Partnerin tagelang

Warum die kleine Frau Opfer dieser folterartige Gewaltorgie geworden ist, wird auch nach dem (Teil-)Geständnis des unter anderem wegen versuchten Mordes angeklagten 53-Jährigen nicht wirklich klarer. Margit K. indes zeichnet im Zeugenstand das Bild eines gewalttätigen Despoten, der keinen Widerspruch duldet. Einmal, so erinnert sie sich, hatte Holger H. eine Vitrine gebaut, da stand geschrieben: „Das hier ist mein Planet.“ Sie habe entgegnet: „Wenn das dein Planet ist, so ist es doch meine Wohnung.“ Darauf habe Holger H. gerufen: „Sei still! Frauen haben devot zu sein.“

Seit 2019 waren Holger H. und die zehn Jahre ältere Margit K. ein Paar. Ein Problem sei der Altersunterschied nie gewesen, sagt die Zeugin. Streit habe es hier und da über den Haushalt und das Geld gegeben, vor allem aber seien sie wegen Margit K.s Tochter in Clinch geraten: Sie hatte Holger H. einst angezeigt, weil er die Hand gegen ihre Mutter erhoben hatte. Seither grollt er der Tochter – auch weil sie in einem früheren Verfahren angeblich eine Falschaussage zu seinen Lasten abgegeben habe.

Angeklagter fesselte Partnerin mit Kabelbindern

Am 6. Juni 2021 kehrt Holger H. von einer Hausrenovierung in die Wohnung am Sportplatzring zurück. Der gelernte Schlosser ist müde und angetrunken. Er habe geplant, seine Partnerin zu verlassen, sagt der Angeklagte. Doch die Situation gerät außer Kontrolle: Als er erfährt, dass Margit K. Kontakt mit ihrer Tochter hatte, schlägt er ihr mit der Faust ins Gesicht. Holger H. sagt, dass es ihr freigestanden hätte, die Wohnung jederzeit zu verlassen. Das sieht die Staatsanwaltschaft aber ganz anders.

Sie geht davon aus, dass der Angeklagte Margit K. gezwungen hat, in der Wohnung zu bleiben, um sie daran zu hindern, Anzeige zu erstatten. Als die 63-Jährige flüchten wollte, habe Holger H. ihren Kopf mehrmals gegen die Tür geschlagen. Sodann soll er ihr mit einem Jagdmesser in die Vorderseiten der Unterschenkel gestochen und mit einem Baseballschläger auf ihre Knie eingeschlagen haben, um eine Flucht zu erschweren. Schließlich habe er sie mit Kabelbindern gefesselt und diese mit Schnürsenkeln verbunden – stundenlang habe sich Margit K. praktisch nicht bewegen können. Am 8. Juni, als sie die räumliche Trennung gefordert habe, habe er versucht, sie mit einem Kabelbinder um den Hals zu erdrosseln. Als das fehlschlug, habe er ihr mit dem Baseballschläger wuchtig auf den Kopf geschlagen. Danach habe er gesagt: „Die Drecksau ist nicht totzukriegen.“

Angeklagter sucht die Schuld beim Opfer

Dass er sie nicht töten wollte, beteuert der Angeklagte am Dienstag immer wieder. Er habe ihr nur einen „Denkzettel“ verpassen wollen. Später habe es ihn gestört, dass sie dauernd in der Wohnung herumgelaufen sei, wo sie sonst nur auf der Couch herumsitze. Dadurch sei er „nicht zur Ruhe gekommen“. Und so ein Stress verschlimmere seine Bluthochdruck-Symptome, das wisse Margit K. auch. „Ich habe da ein Absichtsverhalten im Zusammenhang mit ihrem Bewegungsdrang gesehen“, sagt er.

Da habe er sie mit den Kabelbindern fixiert, höchstens zwei Stunden, und ihr mit dem Baseballschläger auf den Kopf geschlagen. Aber „mehr pro forma“, sagt Holger H. Wenn er sie wirklich hätte umbringen wollen, dann wäre ihm das mit einem einzigen Schlag gelungen, „dann wäre die Rübe runter gewesen“. Als er gesehen habe, dass Margit K. am Kopf blutete, habe er die Schläge „sofort“ eingestellt. Er habe auch nicht versucht, sie zu erdrosseln – der Kabelbinder am Hals habe nur der Fixierung gedient. Und ein Messer habe er überhaupt nicht benutzt. Irgendwann grätscht die Richterin dazwischen: Holger H. klinge so, als ob er dem Opfer die Schuld für die Gewalt zuweisen wolle. Der Angeklagte: „Diesen Eindruck wollte ich nicht vermitteln.“

Prozess in Hamburg: Opfer hatte Todesangst

Margit K. erinnert sich an rund acht Schläge mit der Keule. Daran, wie sie an mehreren Stellen aus dem Kopf blutete. Wie ihre Hände schmerzten und taub wurden, weil die Kabelbinder so eng geschnürt waren. Sie erinnert sich an ihre Todesangst, als Holger H. ihr einen Kabelbinder um den Hals legte und zuzog. Und daran, wie er auf ihre Füße sprang, ihr in die Rippen trat und ihr mit einer abgeschlagenen Kornflasche die Haut um die Augen zerschnitt. Einmal habe sie die Wohnung verlassen, um für ihren Peiniger Alkohol einzukaufen. „Warum haben sie da nicht die Flucht ergriffen?“, fragt die Richterin. „Ich hatte Angst“, sagt die Zeugin. Aus diesem Grund sei sie auch nicht geflüchtet, als ihr Peiniger schlief. „Ich hatte solche Angst, dass er mich dann wirklich umbringt“, sagt sie.

In Todesangst setzt sie sich dann doch zur Wehr, am dritten Tag. Als ihre Rippen und ihr Schädel gebrochen sind, ihr Meniskus zerschmettert und ihr Körper von Hämatomen und Schnittwunden übersät ist. Da tritt sie ihm zwischen die Beine und flüchtet über die Brüstung ihres Balkons im Erdgeschoss. Margit K. liegt zwei Wochen im Krankenhaus. Noch heute leide sie unter Taubheitsgefühlen und Kopfschmerzen, sagt sie. Immerhin sei sie seit sechs Monaten trocken. Der Prozess wird fortgesetzt.