Hamburg. Hamburg Historisch: Johann Hinrich Köser importierte die Idee aus Großbritannien und krempelte so den Fischhandel komplett um.
Der Fischdampfer „Solea“ nimmt an einem Novembertag vor 135 Jahren Kurs auf den Hamburger Hafen. Anders als sonst ist diesmal kein Stopp für die Zwischenhändler geplant. Die „Reise-Verkäufer“ waren bislang den Fischern auf der Elbe entgegengesegelt und hatten ihnen große Teile des Fangs frei von Bord abgekauft – oft mit einer viel zu niedrigen Pauschalsumme.
Jetzt aber soll der komplette Fang der „Solea“, darunter Schollen und Steinbutt, in der St. Pauli-Markthalle versteigert werden. Am Tag darauf berichtet die Regionalpresse unter der Überschrift „Tagesneuigkeiten“ über ein in Deutschland bisher einzigartiges Ereignis: „In der St. Pauli-Markthalle fand am 20. November zum ersten Mal eine öffentliche Fischauktion über mit dem Steam-Trawler ,Solea‘ eingebrachte Fische durch den Auktionator H. Köser statt.“ Der Senat habe das Gesuch genehmigt, und fortan müssten sich alle Fischer dem neuen „Reglement“ unterwerfen.
Fischmarkt: Erste Auktion in Hamburg 1886
Dass es vor genau 135 Jahren die erste Fischauktion in Deutschland gab, ging auf die Initiative des Hamburger Kaufmanns Johann Hinrich Köser (1835–1921) zurück. Der Sohn eines Tonnenlegers aus dem Alten Land hatte die Idee aus Großbritannien mitgebracht. Köser stellte beim Hamburger Senat den Antrag auf Vereidigung als Fischauktionator mit dem Hinweis darauf, dass er und sein Sohn Walter die neue, in England bereits angewandte Absatzmethode kannten. Dieser Schritt, heißt es in der Unternehmenschronik der Firma Köser, löste lebhafte Diskussionen aus, fand aber schließlich Zustimmung.
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So beschloss die Finanzdeputation, „dem Köser unter der Voraussetzung, dass er den gesetzlichen Vorschriften nachkommen werde, und unter Vorbehalt jederzeitigen Widerrufs, zu gestatten, in der St. Pauli-Markthalle öffentliche Fischauktionen abzuhalten“. Die Vereidigung erfolgte kurz vor seiner ersten, in der St. Pauli-Fischhalle abgehaltenen Seefisch-Versteigerung am 20. November 1886. Die finanziell gebeutelten Fischer konnten vom neuen Handelsweg nur profitieren. Nun brachten sie ihren Fang in die Fischauktionshalle und erzielten dort einen fairen und transparenten Preis. Bei den Auktionen konnte die Ware außerdem in kürzester Zeit verkauft werden.
Fischmärkte von Altona und St. Pauli werden zusammengelegt
Während der Fischhandel auf St. Pauli florierte, hatten die Händler in Altona derweil das Nachsehen. Johann Cohrs besaß zu dieser Zeit ein Wirtshaus am Fischmarkt und war von den Umsatzverlusten ebenfalls betroffen. Also folgte er dem Beispiel von Kaufmann Köser: Er wurde beeidigter Auktionator. Am 22. Juni 1887 hielt Cohrs die erste Altonaer Fischversteigerung ab. 1895/96 wurde die Fischauktionshalle Altona gebaut.
Doch die Erfolgsgeschichte sollte nicht lange dauern. In den 1930er-Jahren wurden beide Fischmärkte zusammengelegt. Nach dem Abriss der St. Pauli-Markthalle drohte nun auch der Altonaer Fischauktionshalle in den 1970er-Jahren das Aus. Doch mehrere Bürgerinitiativen retteten das Gebäude, das längst als beliebter Veranstaltungsort an der Elbe neben dem touristischen Fischmarkt fungiert. Heute sind aus den Fischauktionen internationale Handelsketten geworden, bei denen Fischkutter, die ihre Ware bis nach Hamburg bringen, keine Rolle mehr spielen. Drehscheibe für Deutschland bleibt allerdings Hamburg mit den Importeuren und Großhändlern und der Fischmarkt Hamburg-Altona in der Großen Elbstraße 137.
Der Transportzyklus eines Fischs beträgt maximal fünf Tage
Dort herrscht bereits nachts um 2 Uhr Hochbetrieb, wenn die Tiefkühllaster eintreffen. Sie transportieren frischen Fisch zum Beispiel aus Island und Norwegen.
„Fischmakler“ stehen in engem Kontakt mit ihren Lieferanten in Skandinavien und bieten den Großhändlern Rotbarsch, Kabeljau und Lachs an. Ein in Norwegen gefangener Fisch ist drei Tage später auf dem Fischmarkt und spätestens nach zwei weiteren Tagen auf dem Tisch der Konsumenten.
Der moderne Hamburger Fischmarkt (60 Betriebe, 750 Mitarbeiter) macht einen jährlichen Umsatz von 280 Millionen Euro und hat rund 100 Fischarten im Angebot. Dazu kommen Muscheln und Krebse. Wie Sandra Kesse vom Fisch-Informationsdienst sagt, kommen die meisten in Hamburg gehandelten Fischarten aus dem Nordostatlantik sowie aus Aquakulturen in Norwegen, Griechenland und der Türkei. „Die Anfahrt der Fische in die Markthalle an der Großen Elbstraße erfolgt heutzutage ausschließlich über den Landweg per Lkw.“ Für Fischer-Romantik ist längst kein Platz mehr.