Hamburg. Praxen bekommen viel weniger BionTech und Moderna als bestellt, Termine werden abgesagt. Ärzteverband attackiert Spahn.

48 BionTech-Impfdosen waren für die Facharztpraxis in Bergedorf bestellt, in der Internist Wolfgang Burmeister beim Impfen unterstützt. Geliefert wurden 24. Auf Nachfrage, ob das fehlende Kontingent mit Moderna-Impfdosen aufgefüllt werden könne, hieß es, dass auch dieser Impfstoff knapp sei. Was die Praxis nun vor große Herausforderungen stellt, ist in Hamburg kein Einzelfall.

„Den Hausarztpraxen wurden 48 Dosen BionTech versprochen. Keine einzige Hamburger Praxis hat die bestellte Menge erhalten. Es gibt sogar Praxen, die gar nichts bekommen haben“, sagt Jana Husemann, erste Vorsitzende des Hausärzteverbands Hamburg. „Jetzt wurde angekündigt, dass auch der Moderna-Impfstoff knapp wird und die Praxen nicht die volle Bestellmenge erhalten werden.“

Corona Hamburg: Zu wenig Impfstoff für Hausarztpraxen

Eine Hiobsbotschaft für alle Hamburgerinnen und Hamburger, die noch auf einen Impftermin warten. Und auch für diejenigen, die bereits einen Termin haben, denn viele Termine müssen nun wieder abgesagt werden. Die Möglichkeit, zeitnah an eine Booster-Impfung zu kommen, rückt in immer weitere Ferne. Haperte es zunächst noch an der Organisation bei der Terminvergabe, gibt es nun schlichtweg nicht genügend Impfstoff. „Damit wird der ganze Impfplan und die Praxisorganisation wieder über den Haufen geworfen“, warnt Husemann. Die Impfkampagne habe gerade erst an Fahrt aufgenommen. „Diese Woche wurde in Hamburg sehr viel geimpft und jetzt muss alles wieder zurückgefahren werden. Das passt nicht zusammen.“

Die Praxen seien nun mit einem wahnsinnig hohen Organisationsaufwand konfrontiert. „Es ist eine enorme Herausforderung gewesen, 48 Patienten an einem Tag unterzubringen“, sagt Internist Burmeister. „Jetzt müssen wir der Hälfte wieder absagen.“ Neben dem organisatorischen Aufwand müssten die Ärztinnen und Ärzte nun auch auswählen, wer zuerst seine Booster-Impfung erhält. „Drastisch ausgedrückt, haben wir jetzt eine Triage, da wir priorisieren müssen.“ Gleichzeitig fordere die Kassenärztliche Vereinigung die Ärzte in einem dramatischen Appell auf, auch sonnabends zu impfen. „Das ist alles widersprüchlich. Ich frage mich, wer eigentlich was organisiert?“

Corona Hamburg: Dramatischer Impfstoff-Mangel bei Hausärzten

Auch in der kommenden Woche können die Praxen nicht mit der vollen Impfstoff-Menge rechnen, wie aus einem Rundschreiben des Vorstands der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg (KVHH) hervorgeht. „Entgegen seiner Zusage hat das Bundesgesundheitsministerium die Impfstoff-Lieferung für die kommende Woche doch gekürzt. Die Auslieferung der zugesagten 48 Impfdosen BioNTech/Pfizer ist fast nirgendwo möglich“, heißt es darin, und weiter: „selbst die Moderna-Bestellungen können nicht überall vollumfänglich bedient werden“. Für die Woche vom 6. bis zum 12. Dezember wird der Impfstoff-Engpass ebenfalls bereits prognostiziert.

Auch bundesweit sehen sich die Hausärzte mit der Impfstoffknappheit konfrontiert. „Jetzt werden die hausärztlichen Praxen und alle anderen Beteiligten der Impfkampagne von Großhandel und Politik an den Rand des organisatorischen Kollapses getrieben“, beklagen der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbands, Ulrich Weigeldt, und die Vorsitzenden der Landesverbände in einem gemeinsamen Brandbrief. „Es grenzt an vollständiges Organisationsversagen: Erst wird völlig unabgestimmt die ganze Bevölkerung zum sofortigen Impfen und Boostern aufgerufen, und dann geht nach kürzester Zeit der Impfstoff aus.“

Corona Hamburg: „Praxen müssen wieder von Woche zu Woche planen“

Für Patientinnen und Patienten bedeute die Impfstoffknappheit auch, dass Termine nicht mehr mehrere Wochen im Voraus vergeben werden können, gibt Husemann vom Hamburger Hausärzteverband zu bedenken. „Die Praxen müssen wieder von Woche zu Woche planen.“ Durch die Impfstoffknappheit befände man sich derzeit wieder in einer genauso schlechten Situation wie im Sommer, als die bestellte Impfstoffmenge noch rationiert war. „Es wird kritisiert, dass zu wenig geimpft wird und die Hausärzte zu langsam impfen. Das liegt daran, dass wir nicht genügend Impfstoff geliefert bekommen.“

Die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte würden das machen, was das Bundesgesundheitsministerium von ihnen erbeten hatte, so die KVHH. „Sie engagieren sich in der Impfkampagne.“ Für die nächste Woche seien bundesweit so viele Impfdosen bestellt worden wie noch nie. „Ganz offensichtlich kann das Bundesgesundheitsministerium diese Bestellungen aber nicht ausführen.“

Hamburg: Insgesamt 856 Infektionen an 227 Schulen

Während der Impfstoff knapp ist, steigen die Infektionszahlen rapide an. Am Freitag meldete die Hamburger Gesundheitsbehörde 830 Corona-Neuinfektionen. Das sind 125 weniger als am Donnerstag und 272 mehr als vor einer Woche. Damit kletterte die Sieben-Tage-Inzidenz in Hamburg mit 252,1 Neuinfektionen in den vergangenen sieben Tagen pro 100.000 Einwohner auf einen neuen Höchststand.

Am Donnerstag lag sie noch bei 237,9, vor einer Woche bei 189,5. Damit haben sich seit Februar 2020 in der Hansestadt mindestens 112.307 Menschen mit Sars-CoV-2 infiziert. 98.700 davon gelten nach Schätzung des Robert-Koch-Instituts als genesen. In den Hamburger Krankenhäusern werden derzeit 212 Covid-19-Patienten behandelt, 52 von ihnen liegen auf der Intensivstation.

An den Hamburger Schulen wurden laut Schulbehörde in den vergangenen zehn Tagen insgesamt 856 Infektionen an 227 Schulen gemeldet, davon betroffen waren 774 Schüler und 82 Schulbeschäftigte. „Es gibt auch weiterhin keine Hinweise auf Infektionen innerhalb der Schulen“, sagte Sprecher Peter Albrecht dem Abendblatt. „Laut Einschätzung der Sozialbehörde sind die allermeisten festgestellten Infektionen im privaten bzw. familiären Umfeld entstanden.“ Aktuell haben die Gesundheitsämter 16 ganze Klassen an 10 Schulen in Quarantäne versetzt. Insgesamt befinden sich derzeit 1437 Schülerinnen und Schüler in Quarantäne. Erst in dieser Woche wurden die Corona-Regeln für Hamburgs Schüler gelockert.