Hamburg. Die Morde an einer 28-Jährigen und einer Seniorin sind nun aufgeklärt – der Täter wird wohl nie wieder auf freien Fuß kommen.
Das Geheimnis ihres Todes währte gut ein Vierteljahrhundert. Nun aber ist klar, unter welchen Umständen zwei Frauen in den 1990er-Jahren getötet wurden – und wer ihr Mörder ist. Es ist Willi S., ein 69 Jahre alter Mann mit bewegter Vergangenheit und einem langen Strafregister.
Jetzt kommt weitere Verurteilung hinzu: Am Dienstag verhängte das Schwurgericht zwölf Jahre Freiheitsstrafe gegen den Mann, der nach Überzeugung der Kammer im Jahr 1993 eine 28 Jahre alte Frau tötete und sechs Jahre danach eine 79-Jährige umbrachte – zwei Verbrechen, die als „Cold Cases“ behandelt und jetzt vor Gericht verhandelt wurden.
Prozess in Hamburg: Doppelmord – Willi S. brachte zwei Frauen um
„Mord verjährt nie“, betonte die Vorsitzende Richterin Jessica Koerner. „Es kommt selten vor, dass so lange zurückliegende Fälle zur Anklage kommen.“ Dass die beiden Hamburger Taten aufklärt werden konnten, sei „der hervorragenden Arbeit der Ermittlungsbehörden und insbesondere der Soko ,Cold Case’ zu verdanken“. Erst ein erneuter akribischer Abgleich der Akten habe dazu geführt, dass die Taten jetzt abgeurteilt werden konnten. Zusätzlich zu der Haftstrafe ordnete das Gericht die Sicherungsverwahrung für den Angeklagten an.
Die Kammer habe „keinen Zweifel“, dass Willi S. jener Mann ist, der für beide Morde verantwortlich ist. Die 28 Jahre alte Roswitha N. war, vermutlich in der Nacht vom 12. auf den 13. Juni 1993, in ihrer Wohnung sexuell missbraucht und mit einem Handtuch stranguliert worden. Dann stahl der Täter ihre Handtasche.
Der zweite Mord ereignete sich sehr wahrscheinlich am 19. April 1999. Hier verging sich der Täter an der 79 Jahre alten Ilse H. und tötete sie, indem er der Rentnerin gewaltsam eine Plastiktüte über den Kopf stülpte und diese sowie einen Seidenschal am Hals des Opfers verknotete. Auch bei ihr entwendete der Mörder Wertsachen, insbesondere eine Handtasche und Goldschmuck.
Zwölfeinhalb Jahre Haft und Sicherungsverwahrung wegen Doppelmords
Mit der Verurteilung folgte das Gericht im Wesentlichen dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die zwölfeinhalb Jahre Haft sowie Sicherungsverwahrung gefordert gefordert hatte. Lebenslänglich komme nicht in Frage, weil laut einem psychiatrischen Sachverständigen der Angeklagte unter anderem wegen Intelligenzminderung sowie Alkoholproblemen nur vermindert schuldfähig ist.
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Die Verteidigung hatte Freispruch beantragt. Der Angeklagte, ein schmaler Mann mit zerfurchtem Gesicht, hatte die Vorwürfe zurückgewiesen. „Die wirklichen Täter laufen draußen frei herum“, hatte er mit schnarrender Stimme in seinem letzten Wort gesagt. „Ich bin unschuldig, und ich bin kein Mörder.“
Doppelmord: "Allein der Angeklagte vereint alle Indizien auf sich"
Doch nach Überzeugung des Gerichts ist Willi S. genau das: ein Mörder. „Es ist allein der Angeklagte, auf den sich alle Indizien konzentrieren und der alle Indizien auf sich vereint“, fasste Richterin Koerner zusammen. Der 69-Jährige habe beide Opfer gekannt. Bei Roswitha N. wurde DNA gefunden, für die Willi S. als Spurenleger in Betracht kommt. In Ilse H.’s ansonsten tadellos sauberer Wohnung wurde eine Zigarettenkippe entdeckt, auf der eindeutig die DNA des 69-Jährigen nachgewiesen werden konnte.
Er hatte bei Befragungen immer wieder neue Versionen präsentiert, ob beziehungsweise wann er in der Wohnungen der Opfer gewesen sei und hatte vielfach andere als vermeintliche Mörder beschuldigt. Zudem hatte er behauptet, in beiden Fällen etwa zur Zeit der Verbrechen beobachtet zu haben, wie andere die Wohnungen verließen. Und: In beiden Fällen beschrieb er detailliert Handtaschen und deren Inhalt, die den Opfern gestohlen worden seien.
Willi S. ist vielfach vorbestraft – auch wegen Sexualdelikten
Gerade mit der Kenntnis, dass den beiden Frauen jeweils bestimmte Handtaschen abhanden gekommen waren, habe Willi S. „Täterwissen offenbart“, so die Richterin. Zudem passten die Verbrechen auch in die „strafrechtliche Historie“ des 69-Jährigen. Er ist vielfach vorbestraft, auch wegen Sexualdelikten. Zuletzt erhielt er wegen sexuellen Übergriffs sowie versuchten Mordes an seiner Nichte neun Jahre Freiheitsstrafe und Sicherungsverwahrung.
Die beiden Morde an den Frauen aus den Jahren 1993 und 1999 waren die ersten Fälle seit Längerem, in denen es in einem Cold Case überhaupt zu einem Prozess gekommen war. Zuletzt hatte es nach einem spektakulären Freispruch in einem anderen Mordfall im Jahr 2018 erhebliche Kritik insbesondere an dem damaligen Leiter der Soko „Cold Case“, Steven Baack, gegeben. Diesmal aber gab es nun großes Lob für die Soko.