Hamburg. 1989 wurde das von Fritz Schumacher geplante „Latte“ abgerissen. Vor Ort entstanden Wohnungen – es gab viel Kritik.

Wenn es um Sommertage in Freibädern geht, teilen viele Menschen – bei aller Individualität – ganz bestimmte Erinnerungen. Egal, ob es der Geruch von Sonnenöl, der von einem Hauch Chlor umwehte Geschmack von Pommes oder das Geräusch der beim Absprung klappernden und dann nachschwingenden Sprungbretter ist: Manches war und ist immer gleich – und bleibt über Jahrzehnte unvergessen.

Etliche Hamburgerinnen und Hamburger verbinden mit alldem den Namen des Freibads Lattenkamp – oder umgangssprachlich auch kurz „das Latte“. Schon seit 1989, dem Jahr, in dem es abgerissen wurde, ist es ein verschwundener Ort, aber das Bad bleibt in den Erinnerungen lebendig.

Stadtentwicklung: „Latte“ hatte eine lange Geschichte

Den meisten Besuchern war vermutlich gar nicht klar, dass das „Latte“ eine lange Geschichte hatte. Für seine Errichtung zeichnete immerhin Oberbaudirektor Fritz Schumacher (1869–1947) verantwortlich, die Bauleitung hatte der Oberbaudirektor des Ingenieurwesens, Gustav Leo (1868–1944) inne. Dem Buch „Hamburg und seine Bauten“ ist zu entnehmen, dass der Bau während des Ersten Weltkrieges, im Jahr 1915, begonnen worden war und dann – nach einer teilweisen Fertigstellung und der kriegsbedingten Stilllegung der Arbeiten – erst während einer Bauzeit von Februar bis Juni 1926 fertiggestellt werden konnte.

Die streng symmetrische Anlage war zunächst in ein Männer- und ein Frauenbassin aufgeteilt – mit den dazugehörenden Dusch-, Umkleide- und Toilettenanlagen. Später wurde das Freibad modernisiert und den sich ändernden Auflagen und Anforderungen angepasst, sodass es in späteren Jahren so gut wie keine Ähnlichkeit mehr mit der alten Anlage hatte.

Freibad Lattenkamp rechnete sich nicht mehr

Die undatierte Luftaufnahme zeigt das Freibad Lattenkamp.
Die undatierte Luftaufnahme zeigt das Freibad Lattenkamp. © archiv | ARCHIV

Die gute Lage des Freibads, 30.000 Quadratmeter an einem Alsterarm und ganz in der Nähe des U-Bahnhofs Lattenkamp mitten in Winterhude, machte das Grundstück in den 1980er-Jahren immer attraktiver – nicht nur für die Besucher, sondern auch für Projektentwickler. Schließlich wurde dann verkündet, „das Latte“ rechne sich nicht mehr. Die „Saisonkosten“ sollen sich zuletzt auf 475.000 D-Mark beziffert haben, bei durchschnittlich 10.000 Badelustigen pro Jahr.

Diese Zahlen der Hamburger Wasserwerke wurden jedenfalls damals in den Medien genannt. Als öffentlich bekannt wurde, dass ein Teil der Fläche zwischen Alster, Meenkwiese, Bebelallee und Güterumgehungsbahn neu bebaut werden sollte, machten Schwimmbadfans gegen den geplanten Abbruch mobil, und auch mehrere Parteien in der Bezirksversammlung Hamburg-Nord setzten sich für den Erhalt ein.

800.000 D-Mark für Bau eines Spielplatzes

Dann geschah etwas Ungewöhnliches. Das Testament eines 1988 verstorbenen Hamburger Kaufmanns kam ins Spiel, der den Bau eines neuen Spielplatzes nach seinem Ableben verfügt hatte. Dafür stünden 800.000 D-Mark bereit, die aber nur ausgezahlt würden, wenn die Umsetzung innerhalb von zwei Jahren gelinge.

Die damalige Bezirksamtsleitung entschied schnell, wo der Spielplatz gebaut werden sollte – nämlich auf einem Teil des Freibadgeländes. Kritiker verwiesen zwar darauf, dass in der Gegend nicht gerade ein Mangel an Spielplätzen herrsche und dass im Umkreis auch reichlich Grün- und Spielzonen vorhanden seien, aber schon Anfang 1989 wurde der Abrissantrag gestellt.

Schwimmbecken wurden mit Erde gefüllt

Wie das Hamburger Abendblatt damals berichtete, hatten Bezirkspolitiker im Kerngebietsausschuss zwar Anträge gegen den Abbruch durchgesetzt, doch das Bauordnungsamt entschied: Eine Nichterteilung der Abrissgenehmigung wäre rechtswidrig. Und wie das dann manchmal so läuft: Die Tatsache, dass man auf der Freibad-Fläche auch einen rund 10.000 Quadratmeter großen Spielplatz errichten werde, wurde in etlichen Medienberichten vereinfacht: „Freibad Lattenkamp wird Spielplatz“, titelten einige Zeitungen, und noch heute findet man im Internet Hinweise wie: „Freibad Lattenkamp (jetzt Spielplatz)“.

Im Vergleich zu anderen Bauprojekten ging dann alles ganz flott: Ab März wurde das Gelände planiert, die zwei Schwimm­becken und das Planschbecken mit Erde gefüllt. Im Mai begann der Abbruch der Gebäude. „Eine Bagger-Crew machte kurzen Prozess und legte das Sommerbad Lattenkamp in Trümmer“, schrieb das Abendblatt damals.

Große Diskussionen um Wohnungsbau

Schon im April des Folgejahres wurde die neue Spielfläche eingeweiht, und der Wohnungsbau folgte zügig. Im Frühjahr 1992 gab es dann einen handfesten politischen Streit. Da stellte sich nämlich heraus, dass der Senat die ursprünglich angekündigten Sozialwohnungen dann doch lieber als Wohnungen für Spitzenverdiener bauen und vermarkten lassen wollte.

Wohnungen statt Badespaß an der Bebelallee/Ecke Meenkwiese.
Wohnungen statt Badespaß an der Bebelallee/Ecke Meenkwiese. © A.Laible | Andreas Laible

Bezirkspolitiker von CDU, Grünen (damals: GAL) und FDP kritisierten, die Empörung über die Schließung des Bades sei einst mit den versprochenen Sozialwohnungen beruhigt worden. Die sollen dann andernorts gebaut worden sein. Ein Sprecher des damaligen Finanzsenators Wolfgang Curilla (SPD) teilte kühl mit: „Der Senat wird das Programm erfüllen, er hat aber auch die Pflicht, auf die Finanzen zu achten.“

Stadtentwicklung: „Latte“ bleibt in Erinnerungen lebendig

Wer sich heute vor Ort umsieht, findet in der Tat einen sehr schönen, großen Spielplatz, allerdings ist das Gelände entlang der Straßen Bebelallee und Meenkwiese auch mit großen Wohnblocks bebaut. Was jedoch fehlt, ist ein Schwimmbad. Kinder und Jugendliche stürzen sich an heißen Sommertagen beim benachbarten Winterhuder Kai in die Alster, was seit Jahren zu viel Verdruss bei den Anwohnern führt.

Das „Latte“ bleibt immerhin noch in den Erinnerungen der einstigen Nutzer lebendig. „Zuletzt war ich 1988, ein Jahr vor dem Abriss, im Latte“, erinnert sich ein älterer Zeitzeuge. „Die Stimmung hatte sich im Vergleich zu meiner eigenen Jugendzeit überhaupt nicht verändert, allerdings waren die Kinder und Jugendlichen vor Ort deutlich cooler als wir damals.“ Sein Fazit: „Das Latte war ein magischer Ort. Spaß, Sport und viel Ruhe – und das mitten in der Stadt.“

„Hamburgs verschwundene Orte“ von Abendblatt-Redakteur Matthias Schmoock.
„Hamburgs verschwundene Orte“ von Abendblatt-Redakteur Matthias Schmoock. © Bast Medien | Bast Medien

Nächste Folge: Fährhaus Wittenbergen

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