Hamburg. Verhilft das Konzerthaus einem privaten Veranstalter zu einer Monopolstellung? Ein Anbieter fühlt sich benachteiligt und klagt.

Altug Ünlü fühlt sich von der Elbphilharmonie ausgeschlossen, benachteiligt, diskriminiert: Als Chef der jungen Hamburger Konzertdirektion Festival Koinzidenz würde der Komponist und Professor für Musik nur zu gern im Großen und Kleinen Saal Konzerte veranstalten. Doch weil ein anderer privater Anbieter, der Hamburger Konzertveranstalter Dr. Goette (ProArte), durch die Elbphilharmonie „massiv bevorzugt“ werde und dadurch eine „monopolartige Vormachtstellung“ auf dem Markt privater klassischer Aufführungen innehabe, bleibe ihm der Zugang zur Spielstätte verwehrt.

Ohne diesen Zugang habe er aber „keine Chance“ auf dem Klassik-Markt, sagt er. Ünlü hat die Elbphilharmonie deshalb verklagt. Von diesem Mittwoch an beschäftigt sich das Landgericht mit dem Rechtsstreit. Er kämpft dafür, nicht weiter von der Terminvergabe klassischer Konzerte ausgeschlossen zu werden. Der Streitwert liegt bei 150.000 Euro.

Elbphilharmonie weist Ünlü ab

Altug Ünlü ist mit seiner kleinen Konzertdirektion seit Anfang 2018 auf dem Markt. Er hat bereits Klassik-Konzerte im Großen Saal der Laeiszhalle und im Michel ausgerichtet. Trotz vielfacher Bemühungen sei es ihm aber nicht gelungen, mehr als einen Termin in der Elbphilharmonie zu ergattern – das war im Juni 2019, ein Konzert mit der Cellistin Natalie Clein und der Pianistin Marianna Shirinyan im Kleinen Saal.

Ohne eine für ihn nachvollziehbare Begründung seien weitere Engagements durch die Elbphilharmonie abgelehnt worden. Stattdessen sei ihm geraten worden, auf andere Spielstätten auszuweichen, da biete sich beispielsweise der Alsterdampfer an. „Als wären wir“, sagt Ünlü, „eine Agentur für Dorfmusikanten.“

Elbphilharmonie hat eigenen Veranstalter

Die meisten Konzerte im Großen Saal der Elbphilharmonie veranstaltet als Einzelakteur natürlich der hauseigene städtische Veranstalter HamburgMusik gGmbH, in der Spielzeit 2019/20 (ab September 2019) waren es mehr als 80. Der NDR, der auch das Elbphilharmonie Orchester als Residenzorchester stellt, folgt mit rund 75 Veranstaltungen.

Auf Platz drei: der unter den Privatanbietern unangefochtene Primus, der Hamburger Konzertveranstalter Dr. Goette („ProArte“). Allein in der Saison 2019/20 waren es 55 Termine im Großen Saal, wie aus Recherchen der von Ünlü beauftragten Kanzlei JS Rechtsanwälte Steinhöfel hervorgeht.

Die zweitgrößte Zahl von Klassik-Konzerten richteten in der Spielzeit demnach im Großen Saal zwei private Anbieter aus – es waren je drei Konzerte. Allerdings kamen die Karsten Jahnke Konzertdirektion und die Hanseatische Konzertdirektion hier auf 17 Veranstaltungen – die zählen die Anwälte aber nicht zu den reinen Klassik-Anbietern.

Klage gegen Elbphilharmonie wegen Nutzungskonzept

HamburgMusik hat schon früh auf eine Kooperation mit Dr. Goette (und anderen Anbietern) gebaut. Der Veranstalter hat Zugriff auf die Elite des internationalen Klassik-Markts – und eben solche Hochkaräter will das Konzerthaus nach Hamburg holen. Doch Ünlü zielt mit seiner Klage auch auf das Nutzungskonzept, wonach beim Programm Vorgaben hinsichtlich Qualität, Mischung und Erschwinglichkeit zu beachten seien.

 „Der Kläger macht geltend, die Beklagten dürften derartige inhaltliche Vorgaben nicht machen, und, selbst wenn doch, könne er sie erfüllen“, sagt Gerichtssprecher Kai Wantzen. So oder so tauge das Konzept nicht als Rechtfertigung für „die monopolartige Stellung eines einzelnen privaten Musikveranstalters“, so Ünlüs Anwälte. Während sich der Anteil von Goette an privaten Veranstaltungen in der Saison 2019/20 auf 51 Prozent belaufe, teilten sich 36 weitere private Veranstalter den Rest. 23 hätten jeweils nur einen Termin gehabt.

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Monopolbildung in der Elbphilharmonie?

„Dr. Goette profitiert von seiner bevorzugten Stellung doppelt“, sagt Rechtsanwalt Joachim Steinhöfel. „Da dieser Veranstalter einen Zugang zur Elbphilharmonie garantieren kann, ist er in der Lage, die namhaftesten Künstler zu akquirieren. Außerdem profitiert er durch die hervorragende Auslastung der Elbphilharmonie finanziell.“ Indem die Elbphilharmonie eine Monopolbildung auf dem privaten Klassik-Markt zulasse, setze sie sich in Widerspruch zur gewollten Schaffung einer lebendigen und vielfältigen Musikszene.

„Unser Mandant wünscht nur diskriminierungsfreien Zugang, er will nicht besser behandelt werden, als der Monopolist, aber eben auch nicht schlechter.“ Zumal die Elbphilharmonie als städtisches Unternehmen der unmittelbaren Bindung durch das Grundgesetz unterliege: Sein Mandant könne sich auf den Gleichbehandlungsgrundsatz, die Kunstfreiheit und die Freiheit der Berufsausübung berufen.

Er könne, so Ünlü, pro Jahr bis zu 20 Veranstaltungen im Großen Saal organisieren und sei in der Lage, auch internationale Hochkaräter nach Hamburg zu holen. „Wir wollen eine Gleichstellung erreichen und einen fairen Wettbewerb.“ Auf Anfrage wollte sich die Elbphilharmonie nicht näher zu dem Rechtsstreit äußern. Als öffentliches Unternehmen wolle man „der Bewertung des Sachverhaltes durch das Gericht nicht durch Äußerungen in den Medien vorgreifen“.