Hamburg. Es kann emotional werden: Die Sitar-Virtuosin Anoushka Shankar kuratiert ein viertägiges Festival mit indischer Musik.

„Ja, die Fingerkuppen schmerzen immer noch“ bestätigt Anoush­ka Shankar im Backstage-Bereich der Elbphilharmonie. Aber sie lächelt dabei, denn dieser Schmerz ist einfach unvermeidbar, wenn man die Sitar spielt, das berühmteste indische Instrument, das ihr Vater Ravi Shankar (1920–2012) auch im Westen populär machte. Immer wieder mit den Fingern über die Stahlsaiten gleiten, das tut weh – selbst wenn man, wie Anoushka Shankar, bereits seit dem neunten Lebensjahr beinahe Tag für Tag darauf spielt.

Nach Hamburg ist die 40-Jährige auf Einladung der Elbphilharmonie gekommen und kuratiert hier in der Reihe „Reflektor“ ein viertägiges Festival der indischen Musik. Dabei geht es nicht nur um die nordindische Klassik, mit der sie aufwuchs, sondern auch um ganz moderne Klänge, zu denen in den Clubs von Mumbai ebenso getanzt wird wie in London, ihrer Wahlheimat. Dankbar sei sie für diese Möglichkeit, die Generalintendant Christoph Lieben-Seutter ihr hier eröffnet, und die freie Auswahl beim Einladen der Künstlerinnen und Künstler zu haben, habe sich angefühlt, „wie ein Geschenk nach dem anderen auszupacken“.

Festival in der Elbphilharmonie: Anoushka Shankar zu Tränen gerührt

Als Anoushka Shankar 1999 erstmals nach Hamburg kam, war sie gerade 18 Jahre alt und stellte im Hotel Steigenberger ihr Debütalbum „Anoushka“ vor; damals war sie noch ganz der nordindischen Klassik verschrieben, gab Konzerte gemeinsam mit ihrem Vater, der auch ihr Guru war (in Indien hat das Wort keinen negativen Beiklang) und musste immer wieder erleben, dass in Artikeln über sie der weitaus größte Platz ihm gewidmet war.

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„Mit Anfang/Mitte 20 hatte ich schon das Gefühl, irgendwie ausbrechen und ich selbst sein zu müssen, aber dann dachte ich: Wie soll das aussehen? Ich bleibe immer seine Tochter. Und er bleibt mein Lehrer, der meinen musikalischen Weg geprägt hat. Also habe ich meinen Frieden damit gemacht. Dagegen anzukämpfen erschien mir sinnlos.“ Wie eng die Beziehung der beiden war, zeigt unter anderem das Buch „Bapi – The Love Of My Life“, das Anoushka Shankar 2002 veröffentlichte.

Anoushka Shankar am Sonntag im Großen Saal

Mit diesem Festival präsentiert Anoush­ka Shankar nun die ganze Spannbreite ihrer musikalischen Entwicklung, zu der traditionelle Ragas ebenso gehören wie Jazz und Clubsounds. So kommt an diesem Sonnabend (20 Uhr) etwa Schlagzeuger Sarathy Korwar mit seinem Upay Collective in den Großen Saal, derzeit eine der heißesten Nummer der Londoner Fusionjazz-Szene.

Für sphärische Indie-Electronic steht hingegen Gitarristin und DJ Nabihah Iqbal (Sonntag, 18 Uhr, Kleiner Saal). Und ein Höhepunkt ist dann sicher der Auftritt von Anoushka Shankar, die am Sonntag (20 Uhr) im Großen Saal nicht nur ihr aktuelles Album „Love Letters“ vorstellt, sondern gemeinsam mit indischen und europäischen Musikern auch ältere Nummern spielt.

Musikalische Früherziehung mit nordindischer Klassik

Die Vielfalt der indischen Musik will sie in diesen Tagen zeigen, sitzt selbst in den Konzerten, bei denen sie nicht auftritt und lässt etwa beim Auftritt von Sängerin Indrani Mukherjee vor Rührung auch schon mal den Tränen freien Lauf, wie sie auf Facebook schreibt („I totally wept“). Und weil sie aus eigener Erfahrung weiß, wie wichtig musikalische Früherziehung ist, kommt im Hause Shankar regelmäßig nordindische Klassik aus den Boxen.

Allerdings entwickelt Zubin (10), der ältere ihrer beiden Söhne, gerade eigene Vorlieben: „Er steht auf Mainstream-Pop und vor allem auf Ava Max“, erzählt Anoushka Shankar lächelnd. „Aber das ist ist okay, in seinem Alter war ich schließlich auch ein riesiger Kylie-Minogue-Fan.“

Anoushka Shankar Reflektor bis 7.11., eventuell Restkarten an der Abendkasse