Hamburg. Im Boden des Universitätsgebäudes steckt Naphthalin. Lehrende und Studierende berichten von vielen Krankmeldungen.
Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwindel – wer im Pferdestall arbeitet oder studiert, kennt seine täglichen Begleiter. In diesem allseits so genannten Gebäude der Universität Hamburg am Allende-Platz 1 neben dem Abaton-Kino kursieren seit Jahren die Beschwerden über einen unangenehmen Geruch, von dem viele sagen: Er beeinträchtigt unsere Gesundheit.
Es ist ein Dunst, der an Mottenpulver und Teer erinnert. Und ebenfalls seit Jahren ist klar: Es ist Naphthalin, das da im Boden des Hauses steckt, das vorrangig von den Sozialwissenschaftlern genutzt wird. Ein Stoff, der laut Umweltbundesamt als „krebsverdächtig“ gilt. Das Naphthalin stammt wohl aus dem Gussasphalt, der beim Bau der früheren Stallungen verwendet wurde.
Universität Hamburg erfuhr 2015 von Naphthalin
Im Jahr 2015 soll das Gebäudemanagement der Uni zum ersten Mal davon in konkreten Hinweisen erfahren haben. „Umgehend eingeleitete Renovierungsarbeiten (Malern und neue Böden)“ hätten die Geruchsbelästigung nicht beseitigen können, heißt es in einer Antwort des Senats auf eine Anfrage der Linken in der Bürgerschaft. Sie stammt vom Dezember 2020. Im Jahr 2017 seien bei einer Messung polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe festgestellt worden. Es gebe eine „partielle Belastung mit erhöhten Naphthalinwerten“. Einige Räume seien gesperrt, Sanierungen begonnen worden.
Professoren und Studierende, die nicht genannt werden wollen, berichten außerdem: Seit Jahren gebe es vermehrte Krankmeldungen. Die Konzentration der im Pferdestall arbeitenden oder studierenden Menschen sei gemindert. Böden seien zum Teil aufgerissen und neu verklebt worden. Dabei habe sich der neue Belag später von allein gelöst. Das führte zu wenig Vertrauen in die Sanierung der Uni. Es gab Krisensitzungen, in den Fachschaftsräten der Studenten wurde beratschlagt, wie man mit der Situation umgehen soll.
Universität Hamburg: Mitarbeiter wurden ausquartiert
Die Corona-Pandemie entschärfte die Lage, weil Zoom-Seminare die Anwesenheit im Pferdestall ersetzte. Zwischenzeitlich wurden Mitarbeiter ausquartiert: in die Max-Brauer-Allee oder den WiWi-Bunker auf dem Campus. Für den Beginn dieses Wintersemesters war die Sanierung des ersten und zweiten Stockes angekündigt, die Bibliothek im dritten Geschoss sollte offen bleiben. Die „lärmintensiven Arbeiten“ waren für die Nachtstunden avisiert. Mitarbeiter hatten ihre Räume bis Ende September zu räumen, die Arbeiten begännen umgehend.
Doch es gab weiter freien Zugang zum belasteten Haus, nur ein Sicherheitsmitarbeiter kontrollierte die Corona-Pässe der Studenten. Von der angekündigten Rückkehr in die Präsenzlehre war wenig zu sehen. „Ausnahmezustand“ nannte ein Mitarbeiter im Pferdestall die Situation. Das GMH Gebäudemanagement teilte dem Abendblatt mit: „Nach aktueller Planung werden die Arbeiten im ersten Quartal 2022 beginnen und im Jahr 2022 abgeschlossen.“
Rose stellt Anfrage an Senat
Mehr als sechs Jahre nach den ersten Anzeichen für eine gesundheitliche Beeinträchtigung gibt es noch immer keine Lösung. Die wissenschaftspolitische Sprecherin der Linken-Fraktion, Stephanie Rose, hat nun erneut beim Senat angefragt, ob es überhaupt einen Sanierungsplan für den Pferdestall gebe. Außerdem will sie wissen, welche Kosten für die Ausweichquartiere entstehen.
Dieselbe Frage stellt sich in einem anderen Campus-Bauprojekt: beim Philosophenturm. Von dort zogen Tausende Professoren und Studierende im Jahr 2017 in die ungeliebten Gebäude der City Nord. Deren Status hängt nicht nur mit der Entfernung zum Uni-Campus zusammen, sondern auch mit der mangelnden Luftzirkulation, die dort ebenfalls beklagt wird. Hier witzeln Professoren bereits, dass sie bis zur Emeritierung den Philturm wohl nicht mehr von innen sehen werden.
Philosophenturm sollte abgerissen werden
Der 14-stöckige Bau, so berichteten es ihnen mit der Sanierung beauftragte Experten, habe aufgrund seiner miserablen Statik eigentlich abgerissen gehört. Das sei aber wegen des Denkmalschutzes nicht machbar gewesen.
So entwickelte sich seit mehr als vier Jahren ein Umbau, der in die Hamburger Baugeschichte eingehen dürfte. Der Schall- und Brandschutz wird zeitgemäßen Standards angepasst, die über mehrere Stockwerke verteilten Fachbereichsbibliotheken zu einer Einheit zusammengefasst, allerdings auch auf mehreren Geschossen. Die Außenhaut wird verschönert, die Statik gefestigt.
Universität Hamburg: Arbeiten kommen nicht voran
Allerdings durften wegen der Corona-Pandemie die Bauarbeiter nur unter Wahrung der Abstandsregeln in die Aufzüge, um sie in die oberen Stockwerke zu bringen. Das dauerte länger als üblich. Ob diese Verzögerungen allein die verlängerte Sanierung verantwortet, ist unklar. Schon vor einem Jahr beklagte die Uni, dass es weitere zwölf Monate brauche, den Philturm instand zu setzen. Die Fertigstellung sei für die zweite Jahreshälfte 2022 geplant.
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Uni-Präsident Dieter Lenzen war sauer, denn auch schon das Vorzeigeprojekt „Haus der Erde“ zieht sich: „Die Universität Hamburg ist sehr betroffen über die langfristige Verzögerung der beiden Bauten Philosophenturm und Haus der Erde, die beide für den Betrieb der Universität, insbesondere im Forschungsbereich, essenziell sind.“ Lenzen sprach von „offenbar fehlender Professionalität bei dem Staatsbetrieb, der als Bauherr fungiert“. Bei der Sprinkenhof GmbH war man wenig begeistert. Neue Kritik von Lenzen ist jedoch nicht zu erwarten. Seine Amtszeit endet im Februar.