Hamburg. Fotograf Günter Zint erinnert im Podcast an das Leben der berühmten Hamburger Prostituierten. Er kochte häufig Eintopf für sie.
Domenica Niehoff war eine der bekanntesten Prostituierten der Welt: Die Nachricht von ihrem Tod verbreitete sich 2009 im Internet rasend schnell um die Welt. Selbst in Asien und in den arabischen Ländern wurde darüber berichtet. In Hamburg ist die Vorkämpferin für die Rechte der Prostituierten bis heute unvergessen.
In einer neuen Folge des Abendblatt-Podcasts „Geliebt & Unvergessen“ erinnert Günter Zint, einer ihren engsten Freunde, an die Frau, die über sich und ihre zahllosen Freier einmal sagte: „Ich hatte alle Schichten. Sie waren winselnd, bettelnd, fordernd, gemein. Brav, lieb, reich, arm, jung, alt. Ich hatte alles, ich hatte alles. Ich weiß gar nicht, was mir noch fehlt.“
Domenica Niehoff wuchs im Waisenhaus auf
Günter Zint, der renommierte Fotograf und Kiez-Chronist, erzählt im Podcast, wie die gebürtiger Kölnerin als junges Mädchen in einem Waisenhaus aufwachsen musste und zunehmend renitent wurde. Als 17-Jährige lernte sie einen 42 Jahre alten Bordellbesitzer kennen, der sie heiratete. Seine Frau, die sich später Domenica nannte, sollte nicht für ihn arbeiten. Denn sie sei für ihn die „Geliebte und Heilige“ gewesen.
Zu einem Trauma wurde sein Freitod: Er erschoss sich vor den Augen Domenicas. Selbst in den späten Lebensjahren sprach Domenica mit Erschütterung darüber. Und darüber, wie sie neu anfangen musste. Sie zog nach Hamburg und entschied sich „bewusst, in das Gewerbe zu gehen“, so der Kiez-Chronist. Beide wohnten zunächst im selben Haus und lernen sich so kennen.
Domenica arbeitete an der Herbertstraße auf St. Pauli
Günter Zint vermittelte ihr schließlich ein Haus an der Herbertstraße, das Bordell Domenicas. Privat wohnte sie in der Hein-Hoyer-Straße, wo ausschließlich ihre Freunde Zutritt hatten. Zint gehörte dazu und kochte häufig Eintopf und italienische Gerichte für sie. Er beschreibt Domenica als zugewandten, empathischen Menschen. „Ihr Herz war viel größer als ihr Busen.“ Wenn sie Günter zur Begrüßung in die Arme schloss, bekam er manchmal „heiße Ohren“, was seinen Fluchtreflex verstärkte, wie er schmunzelnd sagt.
Mit 45 Jahren hängte sie ihren Beruf an den Nagel und setzte sich für die Rechte der Prostituierten ein. Prominente unterstützten sie. Zeitweise war sie als Beschäftigte der Stadt Hamburg als Sozialarbeiterin tätig. Aber damit habe sie sich übernommen. Aus dem Gefängnis erhielt sie, wie ihr Nachlass zeigt, Bettelbriefe von Prostituierten. Eine habe ihr sinngemäß geschrieben: Ich war diejenige, die dir die 300 Euro aus dem Portemonnaie geklaut hat. Du kriegt das Geld wieder. Aber besorge mir schon jetzt Hygieneartikel aus der Drogerie.“
Domenicas Herz war tatsächlich so groß, dass sie diesem Wunsch nachkam. Eine Ausstellung im Stader Schwedenspeicher aus dem Fundus des St. Pauli-Museums wird ab Mitte November an die berühmte Hamburgerin erinnern.