Neuwerk/Scharhörn. Nationalparkt auf Hamburger Insel in Nordsee ist Unesco-Weltnaturerbe. Ein Ranger über besonderen Lebenraum, der jedoch bedroht ist.
Nationalpark-Ranger Thorsten Köster klettert in den Anhänger. Der Traktor startet auf Neuwerk, und Köster sucht sich seinen Platz auf einem Stuhl. 45 Minuten lang wird der Trecker vom „Hus achtern Diek“ durch das hamburgische Wattenmeer tuckern, um bei Ebbe auf die Vogelschutzinsel Scharhörn zu gelangen.
Es ruckelt, es holpert, als würde es geradewegs über Schlaglöcher gehen. Der mitreisende Reporter erinnert an ein Gedicht von Theodor Storm: „Gärenden Schlammes geheimnisvollen Ton / Einsames Vogelrufen / So war es immer schon“. Über Priele fliegen Nonnengänse, bis am Horizont die Salzwiesen von Scharhörn auftauchen.
Willkommen im Nationalpark Hamburgisches Wattenmeer, Unesco-Weltnaturerbe. 104 Kilometer vom Rathausturm entfernt prägen die Gezeiten den Lebensraum. Drei Inseln liegen wie Perlen im Watt, sie gehören zur Hansestadt: Neuwerk (30 Einwohner) und die Vogelschutzinseln Scharhörn und Nigehörn.
Nordsee: Drei Inseln gehören zur Hamburg
In diesen Tagen feiert Hamburgs Umweltbehörde ein Jubiläum: Die Nationalparkverwaltung, 1991 gegründet, besteht im Oktober 30 Jahre lang – die Erfolgsgeschichte einer kleinen, aber schlagkräftigen Fachabteilung.
Der promovierte Meeresbiologe Klaus Janke (63) leitet das Referat von Anfang an. Grundlage für dessen Entstehung war das zuvor von der Bürgerschaft beschlossene Gesetz zur Einrichtung eines Nationalparks hamburgisches Wattenmeer.
- Leuchttürme – früher "Hüter der Meere", heute Reiseziel
- Hamburger Wahrzeichen auf Platz drei im Reiseführer-Ranking
- Kulturschock an Nordsee: Eine "exotische Familie" auf Föhr
Zur Abteilung der Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft (BUKEA) gehören drei weitere Mitarbeiter – einer von ihnen ist als Mann vor Ort der Nationalpark-Ranger.
Als Klaus Janke den Job beginnt, fehlt ein Stuhl
Als Klaus Janke am 1. Oktober 1991 seinen neuen Job in der Umweltbehörde antrat, musste er sich zuerst einen Bürostuhl besorgen, wie er schmunzelnd erzählt. Die Kunst der Verwaltung habe er sich „learning by doing“ angeeignet. Aber er hatte eine Vision: das hamburgische Wattenmeer in Kooperation mit Schleswig-Holstein, Niedersachsen sowie in der Trilateralen Wattenmeer-Zusammenarbeit mit Dänemark und den Niederlanden zu schützen und zu internationaler Geltung zu bringen.
Janke baute das jährliche Wattenmeer-Monitoring mit externen Wissenschaftlern auf, pflegte ein breites Netzwerk zu Behörden, Wissenschaftlern, Naturschützern und kam, „Baustein für Baustein“, wie er sagt, dem gemeinsamen Ziel näher: Weltnaturerbe Wattenmeer. Nur das Fahrwasser der Elbe wollte er dabei ausklammern. „Ich habe mich dafür eingesetzt. Denn die Funktionsfähigkeit des Hamburger Hafens durfte nicht beeinträchtigt werden. Das gehört zu meiner Wertschätzung für den Hafen.“
Nationalpark Hamburgisches Wattenmeer ist Teil des Unesco-Weltnaturerbes
Seit 2011 ist der Nationalpark Hamburgisches Wattenmeer Teil des Unesco-Wattenmeer-Weltnaturerbes. Und bereits seit 1992 Unesco-Biosphärenreservat. Nur weltweit einzigartige Kultur- und Naturschätze werden in die berühmte Welterbe-Liste aufgenommen wie die Serengeti, die Galapagosinseln, der Grand Canyon, das Great Barrier Reef, die Pyramiden von Gizeh sowie – als Würdigung der Kultur – die Hamburger Speicherstadt mit Kontorhausviertel und Chilehaus.
Seitdem hat sich viel im Bewusstsein der Insulaner und Küstenbewohner verändert. „Die Menschen sehen ihre Heimat jetzt ganz anders. Sie wissen nun: Der für sie selbstverständliche Lebensraum ist weltweit einzigartig. Die ganze Küste ist beseelt vom Gedanken des Weltnaturerbes“, sagt Klaus Janke.
„Der Meeresspiegel wird ansteigen"
Nationalpark-Ranger Thorsten Köster achtet bei seinen Touren auf den Inseln und im Watt darauf, dass die Besucher die geltenden Vorschriften und Gesetze achten. Sonst droht ein Ordnungswidrigkeitsverfahren. So dürfen Hunde nur angeleint ins Watt, sonst droht ein Bußgeld von 70 bis 100 Euro. Reiter dürfen mit ihren Pferden nur die vorgeschriebenen Wege benutzen „und auf keinem Fall auf dem Deich unterwegs sein“, so Köster. Zum Glück halten sich die meisten Besucher an die Regeln.
Die Hansestadt Hamburg stellt aus dem Haushalt der Umweltbehörde für die Nationalpark-Verwaltung jährlich rund 500.000 Euro zur Verfügung, ein vergleichsweise kleiner Betrag mit großer Wirkung. So kann das Nationalpark-Haus auf Neuwerk, nur wenige Meter vom 700 Jahre alten Leuchtturm der Insel entfernt, inzwischen Erdwärme nutzen. Der Ranger lädt zu Führungen und Vorträgen ein, kümmert sich um Beschilderungen und Reparaturen.
Ende des Jahres wird Klaus Janke, der Mann der ersten Stunde in der Nationalparkverwaltung, in den Ruhestand gehen. Auch ihn treibt der Klimawandel um, wenn er in die Zukunft blickt. Der steigende Meeresspiegel könnte auch die Inseln und Halligen bedrohen, wenn der Mensch nicht gegensteuert. „Der Meeresspiegel wird ansteigen, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche“, sagt er. „Aber ich hoffe, dass wir den Klimawandel so verlangsamen können, damit sich Natur und Mensch anpassen können.
Der Trecker fährt unterdessen wieder von Scharhörn nach Neuwerk zurück. Dort treffen mit der nächsten Fähre bald wieder neue Tagestouristen ein. Sie werden einen Nationalpark erleben, der am besten so bleiben soll, wie er ist: wilde Natur im Rhythmus der Gezeiten. Denn so war es immer schon.