Hamburg. Hamburger Klimaforscher spricht über den Physik-Nobelpreis, die Beziehung von Politik und Wissenschaft und seine Zukunftspläne mit 89.

Auch am Tag nach dem Anruf aus Stockholm ringt Klaus Hasselmann um Fassung. Der 89-jährige Hamburger Klimaforscher ist neuer Physik-Nobelpreisträger; er kann es immer noch kaum glauben. Das Abendblatt erreicht den Geophysiker zu Hause in Ottensen, wo er mit seiner Frau lebt. Einem Interview stimmt er sofort zu. In einer Stunde soll der Geehrte, Vater zweier Töchter, Besuch von weiteren Gratulanten bekommen – also los.

Herzlichen Glückwunsch zu dieser Auszeichnung. Was bedeutet Ihnen der Nobelpreis?

Klaus Hasselmann Es war eine große Überraschung. Ich bin ja längst pensioniert und ziemlich faul, arbeite nicht mehr so viel. Es hat mich sehr erfreut. Ein wenig feiern konnte ich schon am Hamburger Max-Planck-Institut für Meteorologie…

… dessen Direktor Sie bis 1999 waren.

Klaus Hasselmann Dort haben die Wissenschaftler meine Frau und mich mit Blumen begrüßt und wir haben mit Sekt angestoßen. Es war zugleich eine schöne Vorfeier, Ende Oktober werde ich 90 Jahre alt.

Ist die Auszeichnung eine Genugtuung? Sie hatten schon vor Jahrzehnten darauf hingewiesen, dass die globale Erwärmung nicht mit natürlichen Klimaschwankungen zu erklären sei, sondern mit dem Einfluss des Menschen. Der Weltklimarat bestätigte das zuletzt zweifelsfrei.

Klaus Hasselmann Es ist eine Befriedigung. Ich habe mich allmählich daran gewöhnt, dass es etwas länger dauert, bis die Leute begriffen haben, dass sie das Klima ändern. Ich sage schon seit Ende der 1970er-Jahre, dass die Klimaänderungen, die wir jetzt beobachten, nicht mehr natürlich sind – allerdings bin ich dabei nicht so laut gewesen wie einige meiner Kollegen, die es besser gemacht haben.

Dennoch ist diesen Warnungen zunächst längst nicht so viel Beachtung geschenkt worden wie in der jüngeren Zeit.

Klaus Hasselmann Die möglichen Auswirkungen der globalen Erwärmung waren damals noch nicht so offensichtlich im täglichen Leben. Erschwerend hinzu kam: Menschen haben die Tendenz, Veränderungen aufzuschieben. Das war leider auch hier der Fall. Die Politik setzte zunächst nicht um, was angesichts wissenschaftlicher Erkenntnisse ratsam gewesen wäre, die Umstellung auf erneuerbare Energien etwa. Aber nun ja… Die Wissenschaft ist dazu da, auf Probleme hinzuweisen. Und wir tun unser Bestes. Ich bin froh, dass es Fridays for Future gibt und dass sich die jungen Leute so stark für den Klimaschutz engagieren...

… was Sie auch bei Demonstrationen in Hamburg tun.

Klaus Hasselmann Wir als Wissenschaftler haben es nicht geschafft, die Öffentlichkeit so auf das Problem hinzuweisen, wie es Fridays for Future gelungen ist. Ich finde es sehr wichtig und sehr schön, dass sie das gemacht haben.

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Der Sprecher der Bundesregierung dankte ihnen am Dienstag „für alles, was Sie zu unserem Verständnis des Klimas der Erde und des menschlichen Einflusses darauf beigetragen haben“. Was sagen Sie heute der Politik?

Klaus Hasselmann Die Politik sollte früher auf die Wissenschaft hören. Wir wären heute sehr viel weiter im Kampf gegen die globale Erwärmung, wenn die Erkenntnisse zum Einfluss des Menschen früher zu politischen Maßnahmen geführt hätten.

Universitäts-Präsident Dieter Lenzen hat Sie als „Nestor der Klimaforschung“ in Hamburg bezeichnet. Sie waren an der Hochschule einst zum Professor berufen worden, leiteten dann das Institut für Geophysik. Wie blicken Sie heute auf die Entwicklung der Uni?

Klaus Hasselmann Die Universität hat mich immer sehr unterstützt. Die Verstärkung der Umwelt- und Klimaforschung an der Hochschule finde ich sehr wichtig und es freut mich sehr, dass ein Exzellenzcluster zur Klimaforschung an der Universität von Bund und Ländern gefördert wird.

Wie viel Preisgeld bekommen Sie eigentlich – und was wollen sie damit tun?

Keine Ahnung. Ich muss mal meine Frau fragen… (seine Frau lacht, sie sitzt neben ihm). Ich weiß gar nicht, was ich bekomme. Ich muss das alles immer noch verdauen… (kurze Pause). Meine Frau hat eine Idee, was wir mit dem Geld machen sollen, höre ich. Vielleicht werden wir das Geld spenden, wenn wir das dürfen.

Sie werden am 25. Oktober 90 Jahre alt – was haben Sie noch vor?

Och, noch 20 Jahre möchte ich mich gerne amüsieren mit Wissenschaft, Spazierengehen und Familie. Mein Hobby ist die Quantenmechanik, mit der ich mich schon lange beschäftige. Ich habe eine Idee, die die Quantentheorie auf den Kopf stellt. Aber man nimmt mich da nicht ganz für voll. Ich muss versuchen, es noch ein bisschen besser zu machen.

Vielleicht bekommt Ihr Wort in dieser Sache nun mit dem Physiknobelpreis etwas mehr Gewicht

Klaus Hasselmann Stimmt (er lacht). Diese Gelegenheit sollte ich ausnutzen.