Hamburg. Lars Braun vom gleichnamigen Herrenausstatter redet über die Bedeutung des Onlinegeschäfts und über die Veränderungen der Mode.

Männer kaufen Anzüge für 6000 Euro, aber keine Krawatten mehr – sagt einer, der es wissen muss. Lars Braun führt den traditionsreichen Herrenausstatter Braun und erlebt, wie sich die Männermode durch die Pandemie noch stärker verändert. In unserer Reihe „Entscheider treffen Haider“ spricht er über „Jogg­style“, Schuhe ohne Strümpfe und seinen ersten Chef, der ihm die freien Tage strich.

Das sagt Lars Braun über …

… den Kampf gegen Retouren im Online-Modehandel:

„Wir haben mit Retouren zu tun wie alle anderen Händler, die Mode online verkaufen. Aber weil wir aus unseren stationären Geschäften wissen, wie ein Produkt funktioniert und wie es passt, können wir es auf unserer Internetseite besser beschreiben. Und wenn ein Kunde vier verschiedene Passformen bestellt, dann rufen wir ihn auch mal an und bieten eine Beratung an. Auf diesem Weg versuchen wir, dass Retourenaufkommen erträglich zu halten, was sicher auch im Interesse der Kunden ist und sich auszahlt: Uns werden etwas mehr als ein Drittel der Bestellungen zurückgeschickt, dass ist in der Modebranche eine sehr gute Quote.“

… die Bedeutung des Onlinegeschäfts und die Zukunft des stationären Handels für Braun:

„Im Laufe der Pandemie hat sich der Onlineumsatz bei uns natürlich deutlich gesteigert im Vergleich zu den Umsatzzahlen aus den Stores. Deshalb sind wir bisher auch gut durch diese Zeit gekommen. Trotzdem sind unsere stationären Geschäfte als Anlaufpunkt in der Innenstadt weiterhin unsere Visitenkarte, aber auch ein Ort, wo wir bei Marken eine gewisse Begehrlichkeit erzeugen.“

… die Krawatte:

„Ich bin gestern nach Düsseldorf geflogen, in der Maschine hatten zwei Menschen eine Krawatte um: der Pilot und ich. Das sagt eigentlich schon alles. Das Geschäft mit Krawatten ist für uns nicht mehr relevant, wir haben unser Angebot in diesem Bereich dramatisch reduziert. Natürlich könnte ich 1000 verschiedene Krawatten im Angebot haben, hätte am Jahresende dann aber 995 davon nicht verkauft. Die Zeit der Krawatte ist erst einmal vorbei, was auch ein gutes Zeichen ist: Mode für Herren ist individueller geworden, jeder kann das tragen, was er möchte und, noch wichtiger, was ihm steht.“

… Strümpfe:

„Früher war es undenkbar, als Mann ohne Strümpfe durch die Gegend zu gehen. Heute ist das total angesagt, wir verkaufen extrem viele Schuhe, die optisch ohne Strümpfe, wohl aber mit Füßlis getragen werden. Das ist ein großes Thema.“´

… Männer, die sich Anzüge für 6000 Euro kaufen:

„Die gibt es. Es ist doch großartig, einen Anzug zu tragen, der sich anschmiegt, bei dem Sie ein angenehmes Gefühl haben, bei dem das Sakko nicht verklebt. Was für ein Luxus ist das! Und Sie tragen es dicht auf der Haut, da ist doch schön, wenn es etwas Tolles ist. Es kommt hinzu, dass ein teurer Anzug die schönste Art des Understatements ist.“

… die Herrenmode in und nach der Pandemie:

„Auf jeden Fall hat sich die Mode während der Pandemie deutlich verändert, weil unsere Kunden nicht mehr ausgegangen sind. In den vergangenen Monaten war fast nur bequeme Kleidung gefragt, wir nennen das Joggstyle. Inzwischen merken wir, dass das Interesse an formellerer Kleidung wieder anzieht. Ich sage dem Anzug ein Comeback voraus, weil es immer mehr Menschen gibt, auch junge Unternehmer, die sich von denen, die nur noch Turnschuhe und T-Shirts tragen, abgrenzen wollen.“

… die Hamburger Innenstadt:

„Die Veränderung der Arbeitswelt wird in der Hamburger Innenstadt auch langfristig zu weniger Kunden führen. Es kommt hinzu, dass wir hier einige große Frequenzbringer verloren haben, gerade in der Mönckebergstraße. Insgesamt müssen wir die Innenstadt neu denken, brauchen hier sowohl Wohnungen als auch gute Restaurants, die am Abend geöffnet sind. Und wir müssen wieder erreichbar werden. Wenn sich ein Kunde ein schönes Schmuckstück bei einem Juwelier am Jungfernstieg oder bei uns einen teuren Anzug kauft, dann setzt er sich hinterher eben nicht in die S-Bahn, um nach Hause zu fahren. Ich habe kein Problem damit, dass man die Innenstadt autoarm macht. Aber wir brauchen dringend einige Stellen, an denen man sein Auto abstellen kann.“

… gestrichene freie Tage:

„Mein erster Chef bei meiner Lehre in Münster nahm mich am ersten Tag zur Seite und sagte: „Lars, du möchtest doch später mal in dein elterliches Unternehmen einsteigen, oder?“ Ich nickte, und er sagte: „Dann ist dein freier Tag hiermit gestrichen.“ Das war seine Begrüßung. Ich war erst überrascht und verärgert, fand diese Einstellung dann aber faszinierend und habe statt fünf immer sechs Tage gearbeitet. Diese Einstellung hat mich geprägt.“

Der Fragebogen: Was Braun von Elon Musk wissen will

Was wollten Sie als Kind werden?

Nachdem die ersten Träume, Polizist oder Feuerwehrmann zu werden, ausgeträumt waren, wollte ich lange Mediziner werden.

Was war der beste Rat Ihrer Eltern?

Wähle den Beruf, der dir am meisten Spaß macht.

Wer war/ist Ihr Vorbild?

Da habe ich viele: insbesondere glückliche und zufriedene Menschen. Geschäftlich und strategisch klar denkende und erfolgreiche Unternehmer mit Weitblick.

Was haben Ihre Lehrer/Professoren über Sie gesagt?

Wenn ich im Unterricht nicht störe, bin ich ganz erträglich – mehr Pragmatiker als Theoretiker.

Wann und warum haben Sie sich für Ihren Beruf entschieden?

Mit 18 Jahren war ich mir darüber im Klaren, dass ich meine Zukunft in unserem Familienunternehmen sehe.

Wer waren Ihre wichtigsten Förderer?

Meine Eltern, aber auch meine Freunde.

Was sind Eigenschaften, die Sie an Ihren Chefs bewundert haben?

Sparsamkeit, Souveränität, Ausgeglichenheit und die Fähigkeit, auf andere zu hören.

Was sollte man als Chef auf keinen Fall tun?

Ungerecht sein oder sich davor scheuen, Entscheidungen zu treffen.

Was sind Prinzipien Ihres Führungsstils?

1. Lösungen gemeinsam erarbeiten und im Team entscheiden.

2. Neue Ideen fördern und unterstützen.

Was erwarten Sie von Mitarbeitern?

Dass sie mitdenken.

Worauf achten Sie bei Bewerbungen?

Abgesehen von der fachlichen Expertise achte ich auf gute Umgangsformen, ein gepflegtes Äußeres und die Handschrift, wenn es die Möglichkeit dazu gibt. Gute Sportler haben bei mir immer einen Bonus.

Duzen oder siezen Sie?

Ich sieze.

Was sind Ihre größten Stärken?

Über Schwächen hinwegzusehen und Fantasie für neue Dinge zu haben.

Was sind Ihre größten Schwächen?

Ungeduld.

Welchen anderen Entscheider würden Sie gern näher kennenlernen?

Elon Musk.

Was würden Sie ihn fragen?

Wann er seine große Vision hatte.

Wann haben Sie zuletzt einen Fehler gemacht?

Ich mache jede Sekunde Fehler.

Welche Entscheidung hat Ihnen auf Ihrem Karriereweg geholfen?

Die frühe Vision, neben den stationären Stores einen Onlineshop zu gründen.

Wie viele Stunden arbeiten Sie in der Woche?

Das kann ich kaum festlegen, da ich gedanklich immer in der Firma bin – ich werde für meinen Kopf bezahlt.

Wie gehen Sie mit Stress um?

Da ich einen tollen Beruf habe, empfinde ich diesbezüglich eher selten Stress.

Wenn Sie anderen Menschen nur einen Rat für ihren beruflichen Werdegang geben dürften, welcher wäre das?

Wähle einen Beruf, mit dem du dich identifizieren kannst, in dem du kreativ sein kannst und in dem du Sprachen sprechen kannst.

Was unterscheidet den Menschen von dem Manager Braun?

Das weiß ich nicht, da auch Manager für mich Menschen sind.

Und zum Schluss: Was wollten Sie immer schon mal sagen?

Es ist schön, ein glückliches und gesundes Leben zu führen.