Hamburg. Michael Conrad ist “Quereinsteiger“ im Hotel- und Gaststättenbereich. Trotzdem wählten ihn die Dehoga-Mitglieder zum neuen Präsidenten.

Voller Elan und blendend gelaunt erscheint Michael Conrad zum Gespräch auf der Terrasse vom Restaurant Port im Hotel Hafen Hamburg. Die Sonne scheint, an den Landungsbrücken zieht gerade ein Containerschiff vorbei. Vor Kurzem ist Conrad aus dem Familienurlaub auf der dänischen Insel Lolland zurückgekommen. Seine Frau Brigida war dabei, sein Zwillingsbruder Holger und die vier Söhne mit Anhang. Natürlich durften die neunjährige Enkeltochter und der vierjährige Enkelsohn nicht fehlen.

„Ich bin ein absoluter Familienmensch, deshalb habe ich diese gemeinsame Zeit wieder sehr genossen. Wir haben alle zusammen in einem ehemaligen Kloster gewohnt, und für jeden Tag waren vom Frühstück bis zum Abend immer zwei Leute für das Kochen zuständig.“ Das Niveau der Unterkunft habe eher Jugendherbergscharakter, aber er brauche auch keinen Luxus, sagt der 67-Jährige mit einem gewinnenden Lächeln.

Hotel Hamburg: Ein Steuerberater als Präsident der Dehoga

Eigentlich ist der Steuerberater jetzt in einem Alter, in dem andere ihre Rente genießen. Aber Conrad hat seit Kurzem ein neues Ehrenamt inne. Der Diplom-Kaufmann ist Ende Juni auf der Mitgliederversammlung im Hotel Grand Elysée zum Präsidenten des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) Hamburg gewählt worden.

Die Wahl erfolgte außerplanmäßig: Im November war überraschend Franz J. Klein im Alter von 72 Jahren verstorben. Der ehemalige Senatsdirektor hatte das Amt seit 2015 inne. Zunächst führte Dehoga-Vizepräsident Niklaus Kaiser von Rosenburg den Verband kommissarisch. Hinter den Kulissen wurde mit der Suche nach einem würdigen Nachfolger begonnen. Michael Conrad, der dem Dehoga Hamburg seit 15 Jahren als Steuerberater zu Diensten war, wurde auch ins Gespräch gebracht. „Ich habe zunächst ein wenig überlegt, weil ich ja weder Gastronom noch Hotelier bin. Aber dann habe ich mir gedacht, mit Verbandsarbeit kenne ich mich aus, und mit dem Dehoga bin ich seit Langem geschäftlich verbunden.“ Also sagte Conrad zu.

Conrad ist jetzt für fünf Jahre Präsident des Hamburger Dehoga

Jetzt leitet er für fünf Jahre die Geschicke des Verbandes. Seine Frau habe übrigens erst am nächsten Morgen aus der Zeitung von seiner Wahl zum Präsidenten erfahren, sagt Conrad lächelnd. „Ich habe nicht um Erlaubnis gefragt. Aber meine Frau weiß, dass ich immer etwas um die Ohren brauche.“

Erfahrung in der Verbandsarbeit hat Conrad bereits bei der Steuerberaterkammer Hamburg gesammelt. Dort war er 26 Jahre im Vorstand, davon acht Jahre lang als Präsident. In seiner neuen Funktion geht es nicht um Steuern, sondern um Gastlichkeit: Durch Corona ist der Dehoga mit seinen rund 1300 Mitgliedsbetrieben noch stärker in den Fokus gerückt. Denn Gastronomie und Hotellerie wurden durch die Pandemie arg gebeutelt. Die Gastronomie durfte von November bis Mitte Mai keine Gäste bewirten und die Hotellerie bis zum 1. Juni insgesamt sieben Monate lang keine Touristen beherbergen. Der Neustart verlief bei den Hotels schleppend.

Dehoga-Präsident: "Die Branche muss höhere Gehälter zahlen"

Doch seit Juli geht es aufwärts, viele Häuser haben schon wieder eine Auslastung von 80 Prozent und mehr. „Gastronomie und Hotellerie sind eine für Hamburg ganz wichtige Branche mit so vielen Facetten. Die Mitgliedsbetriebe sind Imbisse, Bars, gutbürgerliche Restaurants, aber auch Sternelokale und Luxushotels.“ Der neue Dehoga-Präsident hat keine Berührungsängste.

Man könnte ihn sich gut beim Gespräch mit einem Imbissbudenbetreiber mit einer Bratwurst in der Hand vorstellen, aber auch beim Bankett in einem Festsaal unter Kronleuchtern. „Ich bin immer gerne von Menschen umgeben. Deshalb freue ich mich auch über diese neue Aufgabe. Ich habe ein offenes Ohr für unsere Mitglieder und werde mich für ihre Belange einsetzen. Wer mich kennt, weiß, dass ich immer Klartext rede.“ Auch zum Thema Fachkräftemangel hat Conrad eine klare Meinung. „Die Branche muss in bestimmten Bereichen sicherlich höhere Gehälter zahlen und auch die Ausbildungsvergütungen anpassen, um vor allem junge Menschen für Berufe in der Gastronomie und Hotellerie zu begeistern.“

Michael Conrad: "Die 2G-Regel ist genau richtig"

Auch mit dem Thema 2G – in Hamburg können Hotels, Bars, Restaurants und Theater an diesem Model teilnehmen – beschäftigt sich Conrad. Bei 2G dürfen nur noch Genesene und Geimpfte dort zu Gast sein, aber dafür werden Corona-Auflagen wie die Sperrstunde aufgehoben. „Die 2G-Regel ist genau richtig, auch wenn ich Gastronomen verstehe, die erst mal 3G machen. Es wird immer nur von eigenen Rechten gesprochen, viel zu wenig von eigenen Pflichten. Ich finde es undemokratisch, sich nicht impfen zu lassen, wenn man nicht gerade krank oder zu alt ist, in der Hoffnung, dass sich ja alle anderen impfen lassen. Was für ein billiges Trittbrettfahrer-Tun“, sagt Conrad.

Er fügt hinzu: „Wir haben in Deutschland Gott sei Dank alle Freiheiten des Grundgesetzes. Es gibt aber weder ein Grundrecht darauf, so schnell wie meine PS-Laube es hergibt auf der Autobahn zu fahren, noch ein Grundrecht darauf, zu jeder Zeit und egal in welchem Zustand ich mich befinde, eine Gastronomie oder einen Konzertsaal zu besuchen.“

Klavierspielen und Kochen sind Conrads Hobbys

Apropos Konzertsaal. Michael Conrads Herz schlägt für die Musik. Seit 50 Jahren hat er ein Abonnement für die Klavierabende in der Laeisz­halle, spielt selber seit einem halben Jahrhundert. In seinem Haus in der Gemeinde Rosengarten – gleich hinter der Hamburger Landesgrenze in Niedersachsen – steht ein Flügel. „Wenn ich nach Hause komme, setze ich mich erst mal ans Klavier. Das ist ein echtes Ritual für mich. Ich vergesse dann alles um mich herum und konzentriere mich nur noch auf das Stück.“

Zu seinem Repertoire gehören vor allem Werke von Beethoven und Brahms. „Ich spiele so, dass man das jeweilige Werk wiedererkennt“, sagt Conrad mit einem Augenzwinkern. „Immerhin folgen die Gäste immer gerne den Einladungen zu unseren Hauskonzerten.“ Dann spielt Conrad auch mal gemeinsam mit einer Partnerin vierhändig.

"Ich habe allein im September neun Termine für den Dehoga"

Aber seine Leidenschaft gehört nicht nur dem Piano, sondern auch dem Kochen. „Meine Frau und ich wechseln uns immer ab. Wir bauen im Garten Gemüse an, dazu mache ich gerne mal Fisch“, sagt Conrad. Beim Kochen könne er entspannen. Und wie schaut es mit Restaurantbesuchen aus? „Ich brauche kein Chichi. Ich bevorzuge eine gemütliche Atmosphäre, und für mich ist es wichtig, dass der Service persönlich ist und vom Herzen kommt. Natürlich muss das Essen auch lecker schmecken.“

In seiner neuen Funktion dürfte Conrad häufiger in der Gastronomie zu Gast sein. Wenn ein Betrieb Jubiläum hat oder eine Neueröffnung ansteht, dann darf der Präsident nicht fehlen. Dazu zählen natürlich auch andere gesellschaftliche Anlässe. „Ich habe allein im September neun Termine für den Dehoga.“ Aber mit vollen Terminkalendern kennt sich Conrad aus. Arbeiten ist sein Lebenselixier. In seiner Zunft hat Conrad Karriere gemacht.

Der gebürtige Hamburger wuchs in Langenhorn auf

Aufgewachsen ist er in Langenhorn. Dort führten seine Eltern, die aus Wismar stammten, seit Mitte der 50er-Jahre eine Schlachterei, die sein älterer, schon verstorbener Bruder Rainer bis 2014 weiterführte. „Meine Eltern haben ihr Leben lang unfassbar hart gearbeitet und sich kaum etwas gegönnt, aber trotzdem waren die beiden immer zufrieden.“

Er hat das Gymnasium Eppendorf an der Hegestraße besucht, dort auch Abitur gemacht. Die Berufswahl hat er seiner damaligen Partnerin zu verdanken. „Meine Freundin hat eine Ausbildung zur Steuerfachgehilfin absolviert, und ich habe häufig mit ihr gelernt und mich dann schließlich auch für diese Ausbildung entschieden.“ Danach folgte ein Studium zum Diplom-Kaufmann.

Seine Anteile an der Steuerberaterpraxis hat er seinem Sohn verkauft

„Ich habe mein Studentenleben mit Taxifahren und als Aushilfe in meiner Ausbildungskanzlei finanziert“, sagt Conrad. Schließlich hat er sich 1985 mit einer Steuerberatungskanzlei selbstständig gemacht. Nun ist er Senior-Partner off council von Conrad Lahann & Partner mit Sitz an der Großen Theaterstraße. Das Unternehmen hat rund 30 Mitarbeiter und berät „Privatpersonen, Mittelständler, aber auch ein DAX-Unternehmen. Ich persönlich kümmere mich überwiegend um Unternehmensnachfolge, Testamente und Dinge, die man in meinem Alter besser versteht.“

Die Anteile an der Praxis hat ihm sein Sohn Max jetzt abgekauft, der als einziger der vier Jungs in die Fußstapfen seines Vaters getreten ist. Aber so ganz loslassen kann Conrad doch nicht, „ich werde noch einzelne Aufträge übernehmen, an denen ich Spaß habe“.

Der Dehoga-Präsident gönnt sich gern einmal ein Fischbrötchen

Spaß macht dem Hobbysportler, der jahrzehntelang Fußball und Tennis gespielt hat, auch das Golfen – damit hat er vor einem Jahr angefangen. „Dieser Sport ist die perfekte Kombination aus Natur und Bewegung.“

Mit seiner Frau macht Conrad auch gerne Radtouren. Über Harburg geht es dann zum Beispiel nach Finkenwerder, von dort wird mit der Hadag-Fähre übergesetzt Richtung Landungsbrücken. Auch bei diesen Ausflügen mag es der Dehoga-Präsident eher bodenständig – anstatt einer opulenten Einkehr bevorzugt Michael Conrad zur Stärkung ein Fischbrötchen.