Hamburg. Ankerkraut, Beagle Systems und Cartoflex – diese Hamburger Unternehmen waren 2021 in den drei Kategorien herausragend.

Im vergangenen Jahr musste der Hamburger Gründerpreis wegen der Pandemie quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit verliehen werden. In diesem Jahr war die Gala zur wichtigsten Auszeichnung für Unternehmer der Metropolregion wieder zurück in der Fischauktionshalle – allerdings unter strengen Hygieneauflagen und mit nur rund hundert statt der sonst 800 geladenen Gäste.

Am Montagabend bekamen die Gründer des Drohnenentwicklers Beagle Systems in der Kategorie Existenzgründer, das Ehepaar Anne und Stefan Lemcke vom Gewürzanbieter Ankerkraut (Aufsteiger) und der Gründer des Lüneburger Verpackungsspezialisten Carto-flex, Karl-Heinz Hebrok (Lebenswerk), ihre Preise überreicht.

Anne und Stefan Lemcke, die Gründer von Ankerkraut
Anne und Stefan Lemcke, die Gründer von Ankerkraut © Michael Rauhe | Michael Rauhe

Als Laudatoren sprachen Handwerkskammer-Präsident Hjalmar Stemann, Finanzsenator Andreas Dressel und Abendblatt-Chefredakteur Lars Haider. Organisiert wird der Preis von der Haspa, dem Abendblatt und Partnern.

Karl-Heinz Hebrok schuf ein Imperium mit Kartons

Karl-Heinz Hebrok ist ein Unternehmer vom alten Schlag. Geschäfte schließt er gern auf traditionelle Art ab: Man trifft sich, bespricht sich vertrauensvoll, und am Ende wird ein Auftrag mit Handschlag besiegelt. Dass man sich heutzutage aus Hygienegründen besser nicht die Hand gibt und stattdessen Gebote und Auftragsvergabe anonym über den Computer abwickelt, findet er „Mist“.

Er sei ein leidenschaftlicher Netzwerker, dem der persönliche Kontakt wichtig ist. „Nur so habe ich mein Unternehmen so erfolgreich aufbauen können“, sagt Hebrok. Er ist Geschäftsführer und Gesellschafter der Firma Cartoflex in Lüneburg. Und er ist der diesjährige Träger des Gründerpreises des Hamburger Abendblatts und der Hamburger Sparkasse.

Seine Gäste empfängt Hebrok im ersten Stock des Firmensitzes bei gedimmten Licht in einer Art Schauraum. Ein groß gewachsener Mann, leicht gebeugt, schlank mit schlohweißem Haar. Durch hohe Fenster des Raums können Besucher einen Blick auf die Produktion in der Halle darunter werfen.

Gründerpreis für Unternehmer Karl-Heinz Hebrok

Ansonsten bestimmen die angebotenen Produkte des Unternehmens die Raumgestaltung: Es sind Kartons. Kleine und große, schmale und breite, bedruckte und einfarbige , aber alles Kartons. Denn das ist das, womit Hebrok sein Geld verdient und inzwischen rund 250 Mitarbeitern in der Region Lohn und Brot gibt – die Herstellung und der Handel mit Kartons. Bei Cartoflex dreht sich nichts um den Inhalt, aber alles um die Verpackung.

80 Millionen Euro Umsatz macht die Unternehmensgruppe jährlich mit Kartonagen. Und man kann es, angesichts des Werts des benötigten Rohstoffs, Pappe, eigentlich kaum glauben. So ein Karton, der kostet doch nur wenige Cent, denkt man. Hebrok schüttelt energisch den Kopf. „Dazu muss man ihn erst einmal haben“, sagt er und erläutert sein Geschäftsmodell.

Der Wert eines Kartons bemisst sich nicht am Material, aus dem er besteht, sondern an der Verfügbarkeit. „Unsere wichtigste Frage ist immer, wo ist unser Platz im Markt? Mit den großen Herstellern, die Standardkartons in Massen herstellen, können wir zwar mithalten, suchen aber nicht vorrangig diese Geschäfte. Wer hingegen ausgefallene Kartons auch in kleiner Stückzahl sucht – diese aber innerhalb von zwei, drei Tagen – der kommt zu uns“, sagt der dreifache Familienvater. „Und wenn er das, was er sucht, nirgendwo sonst bekommt, dann ist der Kunde auch bereit mehrere Euro für einen Karton zu bezahlen.“

Angefangen hat alles zu jener Zeit, als der deutsche Außenhandel fast komplett über kleine Importeure und Exporteure in Hamburg abgewickelt wurde.

Geschäftsmodell: Ausgefallene Kartons in kleiner Stückzahl

Hebrok hatte eine Ausbildung als Großhandelskaufmann bei einem Papierhändler und Drucker absolviert. Dabei knüpfte er erste Kontakte in die Branche. Anschließend wechselte der 1943 in Lüneburg geborene Unternehmenslenker zum Haarkosmetikhersteller Schwarzkopf. Dort baute Hebrok den Vertrieb aus und lernte dabei, welche Anforderungen der Einzelhandel an Verpackungen stellt. Das Kartonagen-Geschäft ließ ihn nicht los. 1971 sprang er zurück in sein altes Gewerbe, als regionaler Vertreter eines Wellpappen-Unternehmens. 1977 machte sich Hebrok selbstständig. Als Wellpappe-Handelsvertreter mit einem kleinen Büro im Keller seines Hauses in Lüneburg.

Aber das, was seine Kunden forderten, schnell produzierte Kartonverpackungen unterschiedlicher Größen in kleinen Mengen, konnten seine Produzenten nicht liefern. Also stieg er nur ein Jahr später mit gebraucht gekauften Falzmaschinen selber in die Produktion ein – in einer Halle eines ehemaligen Textilproduzenten in Bleckede. Hebrok: „Ich verstand viel vom Verkaufen, aber von Produktion eigentlich gar nichts.“

Seine erste Rechnung war für zehn Kartons voll mit Klebeband. Den Durchschlag hat er aufbewahrt. Er hängt heute noch an der Wand seines Büros. „Rechnung Nr. 1“ wollte er sie nicht nennen. „Ich wollte dem Kunden nicht zeigen, dass er mein erster Auftrag war. Also versah ich die Rechnung mit der Nummer 3001 – als ob ich schon ganz viele Aufträge hatte“, erinnert sich Hebrok.

1980 machte er seine erste Million

Das Geschäft wuchs. Tagsüber fuhr Hebrok herum und betrieb Kundenakquise. Nachts stand er in der Halle und falzte und klebte Kartons. 1980 machte er seine erste Million. Von da an verdoppelte er den Umsatz jährlich. 1990 fiel dann die Entscheidung, die Produktion nach Lüneburg zu verlegen.

Die Idee das Unternehmen Carto­flex zu nennen, kam ihm nach einer Bandscheibenoperation in der Reha in Kiel. „Ich saß auf der Bettkante und dachte, das ist es: Wir stellen Kartons her und wir sind flexibel. Cartoflex.“ Zum „C“ anstatt eines „K“ riet ihm ein Freund, der ihm unentgeltlich auch gleich das Logo entwarf. 1996 stieg Sohn Matthias in die Geschäftsführung mit ein. Heute gehören zur Gruppe fünf Unternehmen mit Sitz in Lüneburg, Hamburg und Bad Oldesloe. Trotz seiner 78 Jahren kommt Hebrok täglich ins Büro, und sein Unternehmergeist ins ungebrochen. „Wir würden gerne unsere Wellpappenproduktion ausbauen, und suchen 20 bis 30 neue Mitarbeiter. Aber der Markt ist wie leer gefegt.“

Karl-Heinz Hebrok vor den Stapeln riesiger Papierrollen in seiner Wellpappen-Fabrik in Lüneburg.
Karl-Heinz Hebrok vor den Stapeln riesiger Papierrollen in seiner Wellpappen-Fabrik in Lüneburg. © MARK SANDTEN / FUNKE FOTO SERVICES | Mark Sandten / FUNKE FOTO SERVICES

Zudem engagiert er sich gesellschaftlich: „Ich habe immer hart gearbeitet, aber auch viel Glück in meinem Leben gehabt“, sagt Hebrok. „Davon will ich etwas zurückgeben.“ So gründete er 2004 eine Stiftung zur Bildung und Weiterbildung von Kindern und Jugendlichen. Er verhalf Migranten zum Schulabschluss und investierte in den Naturcampus Bockum, wo Gruppen oder ganze Schulklassen in einer Naturoase gemeinsam lernen können.

Hebrok ist ein hanseatisch zurückhaltender Mensch

Sein anderes Steckenpferd ist die von ihm mit aufgebaute deutsch-estnische Gesellschaft zu Lüneburg. Schon bald nach der Unabhängigkeit, Anfang der 90er-Jahre hatte er Estland bereist. „Ich war neugierig, wie es da aussah.“ Hängen blieb Hebrok in der zweitgrößten estnischen Stadt Tartu, die wie Lüneburg einst eine Hansestadt war. Der Zustand der unter der kommunistischen Herrschaft heruntergewirtschafteten, einst reichen Stadt tat ihm leid.

Er förderte den Um- und Ausbau einer Kita, der Austausch von Praktikanten im Bereich Wirtschaft sowie die Vermittlung der deutschen Sprache in Kindertageseinrichtungen und Schulen. Dafür zeichnete ihn der ehemalige estnische Staatspräsident Toomas Ilves 2007 mit dem staatlichen Rotkreuz-Orden der Repu­blik Estland aus. Im gleichen Jahr erhielt er für seinen Einsatz für Völkerverständigung die Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen. „Das müssen Sie nicht schreiben“, sagt er. Ein hanseatisch zurückhaltender Mensch.