Hamburg. Um jüngere Wähler zu erreichen, setzen die Direktkandidaten Dorothee Martin (SPD) und Christoph Ploß (CDU) auf soziale Medien.

Sie sitzt an der Kasse bei Edeka Clausen in Barmbek. Lässt sich zeigen, wie man die Artikel vom Band nimmt, über den Scanner zieht, bis es „Piep“ macht, und auf die abschüssige Rampe für die Kunden legt. Nächstes Teil, „Piep“, Artikel ablegen. Weiter.

Dorothee Martin, SPD-Direktkandidatin für den Bundestagswahlkreis Nord, geht im Bundestagswahlkampf dahin, wo Sozialdemokraten die Genossinnen und Genossen gerne sehen: an die Basis. Und damit es auch alle mitkriegen – ob Sozi oder nicht –, postet sie es bei Instagram.

Sie schreibt: „Die Arbeit erfordert hohe Konzentration, Koordination und auch Kraft. Ich habe großen Respekt und hohe Wertschätzung für alle Menschen, die in diesem Beruf arbeiten, und bin sehr dankbar für die heutigen Einblicke in den Lebensmitteleinzelhandel.“

Konkurrenten bei Instagram und im politischen Wettkampf

Kleine, lässliche Tippfehler scheinen zu belegen, dass der Text auf dem Smartphone mit den eng beieinanderliegenden Tasten herausfordernder ist als das hinreißende Foto, das eine junge Frau an einem für sie ungewöhnlichen Platz zeigt. Bild schlägt Text bei Instagram. 148 Usern gefällt das.

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Mutmaßlich aber nicht ihrem Konkurrenten bei Instagram und im politischen Wettkampf. Der saß schon eine Woche zuvor bei Edeka Bannat in Poppenbüttel an der Kasse. Gepiept hat’s wohl auch bei ihm. Gefallen hat’s 393 Insta-Guckern. Christoph Ploß (CDU) und Dorothee Martin (SPD) duellieren sich bei Social Media mit ähnlichen Mitteln. Er hat bei Instagram 5904 Abonnenten (Stand Donnerstag), sie 2297. Er nennt sich dort „Leidenschaftlicher Europäer“, sie „Hamburgerin aus Leidenschaft“.

Wird Wahlkampf mit virtuellen Dreingaben entschieden?

Um das Direktmandat für den Bundestag ist in Hamburg-Nord ein Kampf entbrannt, der in diesem Corona-Jahr mutmaßlich nicht mit klassischen Wahlkampfmitteln, sondern mit virtuellen Dreingaben entschieden werden könnte. Die Mobilisierung der Unentschiedenen spielt wie fast immer eine große Rolle. Als Landeschef der Christdemokraten und konservativer Aufsteigertyp kommt Ploß auf Instagram nicht gerade daher. Die Plattform ist fotogetrieben, längere Botschaften oder gar inhaltsschwere Positionspapiere sind nicht gefragt. Ploß ist auch bei Facebook, Twitter und bei Linkedin. Instagram ist eine Art Fan-Plattform, auf die der Abgeordnete gerne zurückgreift.

Das Feedback der Nutzer sei sehr positiv. „Viele Bürger schreiben mir direkt ihre Anregungen, die ich häufig auch in meine politische Arbeit integriere“, so Ploß zum Abendblatt. „Alle Interessierten bekommen so einen Einblick in die politische Welt im Berliner Regierungsviertel und in meine politische Arbeit für den Wahlkreis Hamburg-Nord/Alstertal. Viele geben mir regelmäßig Rückmeldungen. Ich schätze diesen Austausch sehr. Er ist ein wichtiger Teil meiner Arbeit.“

Wie viel ist Person und wie viel Programm?

Dorothee Martin sagt: „Instagram hat sich zur beliebtesten Plattform in der Politik entwickelt. Dazu zählen auch die Instagram Stories, die nach 24 Stunden verschwunden sind. Man kann trockene Themen greifbar machen wie zum Beispiel ,Steuern‘, aber eben auch die eigene Persönlichkeit.“

Wie viel ist Person und wie viel Programm? Hanna Klimpe ist Professorin für Social Media an der HAW. Sie sagt: „Instagram war mal ein Wohlfühl-Kanal. Es hat sich durchaus politisiert.“ Auf Krawall gebürstet wie bei Twitter oder Facebook bisweilen ist die Kommunikation mit Freund und Feind, Followern und Hatern, hier gerade nicht. „Insta­gram ist insgesamt eine viel stärker ,weibliche Plattform‘, auf der sich Frauen äußern, weil sie sich hier sicherer fühlen, und die junge Frauen erreicht“, sagt Professorin Klimpe.

Auch Influencerinnen trauen sich hier, Politisches in die Runde zu posten. Klimpe sagt: „Zumindest schaffen sie dadurch ein Bewusstsein für die Existenz von Themen. Dabei spielen der Klimaschutz und die Gleichberechtigung eine große Rolle.“

Ploß hat bei Insta junge Frauen als Zielgruppe im Visier

Die Insta-Profile von Ploß und Martin hat sie sich angeschaut und festgestellt: „Bei Christoph Ploß ist auffällig, dass er junge Frauen als Zielgruppe im Visier hat. Er wirkt sehr clean, sportlich, und man hat den Eindruck, er liefert Einblicke in sein Privatleben.“ Martin gebe sich „sehr inhaltlich und auf die Themen der SPD bezogen“.

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Der Wahlkreis Hamburg-Nord war 2017 der einzige in Hamburg, den die CDU direkt gewinnen konnte. Dabei hatte die Union insgesamt an Zweitstimmen mit 27,2 Prozent vor der SPD (23,5 Prozent) gelegen. Die Ploß knapp unterlegene SPD-Frau Dorothee Martin rückte dann in den Bundestag nach, als ihr Parteikollege Johannes Kahrs urplötzlich sein Mandat abgab. Sie macht jetzt auch den altbekannten Haustür-Wahlkampf, schwierig in Corona-Zeiten, aber mit Abstand möglich.

Martin: „Ich poste auch mal Fotos mit Augenringen"

Denn die Grenzen von Instagram sind ihr bewusst. Eine virtuelle Glitzershow allein reicht jedenfalls nicht. „Man merkt jedoch sehr schnell, wenn auf Instagram etwas inszeniert ist. Da wissen die Leute sehr genau zu unterscheiden, wer die tatsächlichen Absender sind“, sagt Martin. Allzu privat soll es nicht werden, aber Authentizität sei wichtig: „Ich poste auch mal Fotos mit Augenringen. Denn das sollten wir nicht verstecken – keiner von uns sieht immer perfekt aus.“

Ploß und Martin haben in Nord eine Konkurrentin bekommen, die sich ebenso bei Instagram zeigt: Katharina Beck ist sogar Spitzenkandidatin der Grünen. Sie postet zumeist ihre Wahl-Veranstaltungen und hat es bislang auf 932 Abonnenten gebracht. Ihre Gesprächsrunde an einem Dienstag im Sasel Haus hat mit der „Generation Insta“ wenig am Hut. Es geht um „Gut leben im Alter im Alstertal“.