Hamburg. Hamburger Unternehmer von Aktion gegen Reedereien betroffen. Was hinter den Vorwürfen der illegalen Schiffsabwrackung steckt.

Eine Reihe Hamburger Reeder erhielt am Mittwochmorgen ungebetenen Besuch: 70 Mitarbeiter von Polizei und Staatsanwaltschaft durchsuchten deren Büroräume wegen des Verdachts der illegalen Abwrackung alter Schiffe im Ausland. Wie die Staatsanwaltschaft mitteilte, wurden insgesamt 22 Durchsuchungsbeschlüsse in sieben Objekten vollstreckt.

Prominentester Betroffener: Der Hamburger Unternehmer und ehemalige Reeder Erck Rickmers. Bei ihm suchten die Ermittler die Büroräume seiner Holding sowie des Tochterunternehmens Nordcapital auf, das Geschäfte in der Schiffs- und Immobilienfinanzierung betreibt.

Schiffe umweltgefährdend in Pakistan abgewrackt?

Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft wiegt schwer. Die Beschuldigten sollen als verantwortliche Betreiber von Seeschiffen jene nach Ablauf der wirtschaftlichen Nutzungsdauer nicht ordnungsgemäß in Werften zum umweltgerechten Abwracken verbracht, sondern an Dritte verkauft haben.

Die Schiffe, bei denen es sich rechtlich um gefährlichen Abfall handelte, sollen von den Käufern wiederum aus dem EU-Gebiet nach Pakistan verbracht worden sein, wo sie auf einen ungesicherten Strand gefahren und dort unter umweltgefährdenden Umständen abgewrackt wurden. Die Schiffe sollen am Strand illegal zerlegt worden sein, weil es für die Käufer wirtschaftlich nur um den Schrottwert ging.

Schiffe mit unklaren Eigentümerverhältnissen

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass den Beschuldigten beim Verkauf der Schiffe bekannt war, dass diese in Pakistan auf den Strand gefahren und dort abgewrackt werden sollten. Damit sei der Anfangsverdacht des Verstoßes gegen europäische Gesetze über die Verbringung von Abfällen gegeben sowie des Basler Übereinkommens über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung, erklärte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft.

Die „MS Alexandra Rickmers“ ist eines von drei Containerschiffen, die ins Visier der Ermittler geraten ist (Archivbild).
Die „MS Alexandra Rickmers“ ist eines von drei Containerschiffen, die ins Visier der Ermittler geraten ist (Archivbild). © Imago/Hoch Zwei/Angerer | Unbekannt

Insgesamt geht es um drei alte Handelsschiffe, die auf diese Weise vom Markt verschwunden seien: die „MS Florida“, die „MS Alexandra Rickmers“ und die „E. R. Hamburg“. Noch ist aber nicht klar, wie sich deren Eigentümerverhältnisse verteilen. Aus Ermittlerkreisen hieß es, man müsse ein ganze Geflecht an Firmen und Eigentümern aufdecken.

Rickmers' Mutter kaufte die „E. R. Hamburg“

Rickmers selbst, der in der jüngsten Zeit weniger als Reeder, sondern vielmehr als Gründer einer kostspieligen Denkfabrik zur Erforschung des gesellschaftlichen Wandels (The New Institute) von sich reden machte, trat den Vorwürfen am Mittwoch offensiv entgegen. „Ich stelle mich jeder Verantwortung. Ich bin mir aber keines Verstoßes bewusst“, sagte er dem Abendblatt.

Über seine Gruppe ließ er mitteilen, dass diese nur an einem der drei Schiffe beteiligt gewesen sei, die nun Gegenstand der Ermittlungen sind. Dabei geht es um die „E.R. Hamburg“ die einst von Rickmers’ Mutter getauft worden war. Der Frachter mit einer Kapazität von 2200 Standardcontainern (TEU) gehörte insgesamt 350 Investoren. Die Rickmers-Gruppe sei mit weniger als einem Prozent an dem Schiff beteiligt gewesen.

Rickmers will „vollumfänglich“ kooperieren

2017 hätten die Investoren beschlossen, das 19 Jahre alte Schiff in einem schwierigen Marktumfeld meistbietend zu verkaufen. Die Übergabe an den Käufer sei im August 2017 im ägyptischen Port Said erfolgt. Für alles, was danach geschah, sei man aber nicht mehr zuständig gewesen: „Der weitere Betrieb des Schiffes lag nach dem Verkauf ausschließlich in der Verantwortung der Käufergesellschaft“, heißt es in der offiziellen Mitteilung.

Der ehemalige Reeder Erck Rickmers will „vollumfänglich“ mit den Behörden kooperieren.
Der ehemalige Reeder Erck Rickmers will „vollumfänglich“ mit den Behörden kooperieren. © HA | Michael Rauhe

Dem Abendblatt sagte Rickmers: „Ich begrüße es, wenn Verstöße gegen Umweltvorschriften aufgeklärt werden. Meine Gruppe ist sich keines Verstoßes bewusst und kooperiert vollumfänglich mit den ermittelnden Behörden.“

Entsorgung in Pakistan halb so teuer wie in der EU

Das so genannte „Beaching“, also das Abwracken nicht mehr benötigter Schiffe an fernen Stränden, ist in der Branche gängige Praxis. Auch deutsche Reeder mischen dabei kräftig mit.

Insbesondere in der durch die Finanzkrise 2008 ausgelösten Schifffahrtskrise, als viele Frachter plötzlich keine Aufträge mehr hatten, sahen viele Eigentümer in der Entsorgung der Schiffe die letzte Chance, wenigstens über den Schrottpreis noch einen kleinen Teil ihrer Investitionen zu retten. Dabei war die Entsorgung in der EU in der Regel doppelt so teuer wie an illegalen Abwrackorten in Bangladesch oder Pakistan.

Gefahr für die Umwelt: Schiffwracks in Sitakunda/Bangladesch (Archiv)
Gefahr für die Umwelt: Schiffwracks in Sitakunda/Bangladesch (Archiv) © Imago/UIG | Unbekannt

Obgleich es in den Ländern inzwischen zertifizierte Entsorger gibt, werden Schiffe noch immer von Tagelöhnern unter zum Teil lebensgefährlichen Bedingungen an den Stränden ausgeschlachtet und zerteilt. Die EU kritisiert diese Praxis. Bisher haben sich die Reeder aber gegen einheitliche Standards für die Schiffsentsorgung gewehrt.

Erck Rickers saß für die SPD in der Bürgerschaft

Rickmers selbst galt bisher als Reeder mit Verantwortungsbewusstsein. Als die Schifffahrtskrise zuschlug, legte der damalige SPD-Politiker nach nur einem Jahr sein Bürgerschaftsmandat und seinen Sitz im Fraktionsvorstand der SPD nieder, um sich um den Erhalt seines Unternehmens zu kümmern.

Inzwischen hat er sich vom Reedereigeschäft weitgehend gelöst. 2018 verkaufte Rickmers den gesamten Dienstleistungsbereich rund um die Bereederung von Schiffen. Er behielt lediglich 34 Frachter im Portfolio seines Emissionshauses Nordcapital. Inzwischen hat er gar kein eigenes Schiff mehr, ist aber noch an fünfen beteiligt. „Wir wollen mit unserer Firma CO2-neutral werden. Da sind Schiffe eher ein Hindernis“, sagte er.