Hamburg. Staatsanwaltschaft nennt insgesamt drei Schiffe. Sieben Objekte in Hamburg durchsucht, mehr als ein Dutzend Unternehmen im Visier.
Groß-Razzia bei der Hamburger Rickmers-Holding: Am Mittwochmorgen haben Dutzende Ermittler des Landeskriminalamtes zeitgleich mehrere Objekte durchsucht. Es habe sich um Büros und Privatwohnungen gehandelt, bestätigte die Erste Staatsanwältin Liddy Oechtering dem Abendblatt.
Auch eine prachtvolle Villa am Alsterufer hatten die Fahnder dabei im Visier, wo die Erck Rickmers GmbH & Cie. KG ihren Sitz hat. Wie der Hamburger Unternehmer Erck Rickmers dem Abendblatt mitteilte, lautet der offizielle Vorwurf „illegale Verbringung von Abfällen ins Ausland“.
Rickmers und weitere Unternehmen im Visier
Konkret geht es um das Schiff „E.R. Hamburg“, das Platz für 2200 Standardcontainer hat. Das Unternehmen von Erck Rickmers war mit weniger als einem Prozent an dem Fonds-Schiff beteiligt. 2017 sei laut Rickmers beschlossen worden, sich von dem Schiff zu trennen. Es wurde in Port Said (Ägypten) verkauft. Der Käufer ließ das Schiff später offenbar illegal verschrotten.
Bei der Razzia wurden die Erck Rickmers GmbH & Cie. KG am Alsterufer und die Nordcapital-Gruppe in der Hamburger Innenstadt durchsucht. Auf Anfrage teilte Oechtering mit, dass die Staatsanwaltschaft Hamburg federführend gegen mehrere weitere Unternehmen wegen des Verdachts des illegalen Abwrackens dreier alter Schiffe ermittele.
Im Zuge dieses Verfahrens hätten Ermittler am Mittwoch insgesamt sieben Objekte in Hamburg durchsucht und „schriftliche Unterlagen und elektronische Daten sichergestellt, die derzeit ausgewertet werden“. Um welche Beschuldigten es sich handelt, wollte die Staatsanwaltschaft nicht mitteilen. Es handelt sich demnach um mehr als ein Dutzend Unternehmen.
Drei Schiffe umweltgefährdend abgewrackt?
Es geht um den Vorwurf, die Unternehmer hätten die Schiffe nicht ordnungsgemäß abwracken lassen, sondern verkauft – im Wissen darum, dass die Käufer die Schiffe nach Pakistan schaffen, „wo sie auf einen ungesicherten Strand gefahren und dort unter umweltgefährdenden Umständen abgewrackt wurden“, wie die Staatsanwaltschaft weiter mitteilte. Im einzelnen nennen die Ermittler neben der „MS E. R. Hamburg“ noch die Schiffe „MS Florida I“ und „MS Alexandra Rickmers“.
Die Schiffe sollen am Strand zerlegt worden sein, hierbei sei insbesondere der Schrottwert für die Käufer wirtschaftlich von Bedeutung. In der Schifffahrtsbranche wird dieses Vorgehen nach dem englischen Wort für Strand „Beaching“ genannt. Für den unterstellten Verstoß gegen das Abfallverbringungsgesetz ist laut Staatsanwaltschaft eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren vorgesehen.
Rickmers "begrüßt" Umwelt-Aufklärungen
„Aus der Erck Rickmers Gruppe ist von diesen Untersuchungen ein Schiff betroffen, das rund 350 Investoren gehörte“, teilte Erck Rickmers' Investment- und Vermögensverwaltungsgruppe E.R. Capital zu den Durchsuchungen mit. Die Investoren hätten dieses damals 19 Jahre alte Schiff 2017 meistbietend verkauft.
„Der weitere Betrieb des Schiffes lag nach dem Verkauf ausschließlich in der Verantwortung der Käufergesellschaft“, heißt es weiter. „Die Erck Rickmers Gruppe begrüßt es, wenn Verstöße gegen Umweltvorschriften aufgeklärt werden. Sie ist sich keines Verstoßes bewusst und kooperiert vollumfänglich mit den ermittelnden Behörden.“
Die E.R. Capital Holding betreut nach eigenen Angaben die Investmentaktivitäten des Hamburger Unternehmers Erck Rickmers. „Die Gruppe ist breit diversifiziert und in den Bereichen Immobilien (Bestand und Development), Unternehmensbeteiligungen und Schifffahrt engagiert“, heißt es auf der Website des Unternehmens. Die E.R. Capital Holding und die ihr angegliederten Unternehmen beschäftigten rund 100 Mitarbeiter am Standort Hamburg.
Schiffsabwracken in EU-Verordnung geregelt
Das Abwracken alter Schiffe ist in der EU mit einer Verordnung geregelt. Danach dürfen diese nur in von der EU zertifizierten Einrichtungen recycelt werden; die Anlagen selbst dürfen sich auch außerhalb der Union befinden. Außerdem gibt es seit 2009 ein internationales Abkommen über eine umweltgerechte und sichere Abwrackung alter Schiffe, das von Deutschland 2019 ratifiziert wurde.
Allerdings tritt diese so genannte Hongkong-Konvention erst in Kraft, wenn mindestens 15 Staaten mit 40 Prozent der weltweiten Handelsflotten-Tonnage beigetreten sind. Seit Spaniens Beitritt in diesem Jahr sind es zwar schon 17 Länder, die nach Angaben der Internationalen Schifffahrts-Organisation IMO aber erst knapp 30 Prozent der Tonnage repräsentieren.
NGO: „Skrupellose Schifffahrtsunternehmen“
Die internationale Nichtregierungsorganisation Shipbreaking Platform prangert seit Jahren Umweltschäden, Menschenrechtsverletzungen, Kinderarbeit, Krankheits- und Todesfälle sowie Unfälle im Zusammenhang mit der Abwrackung von Altschiffen via „Beaching“ an.
„Der überwiegende Teil der weltweiten Altschiffflotte, die voller giftiger Stoffe ist, wird einfach an den Stränden Südasiens abgewrackt – von Hand“, kritisiert die Organisation. „Dort nutzen skrupellose Schifffahrtsunternehmen die minimale Durchsetzung von Umwelt- und Sicherheitsvorschriften aus, um ihre Gewinne zu maximieren.“