Hamburg. Hamburger Politik streitet über neue Möglichkeiten für Veranstalter. Sportvereine wie der HSV prüfen nun Konsequenzen.
Der Senat spricht von einer „Entscheidung für die Freiheit“: Ab Sonnabend können Restaurants, Kneipen, Kinos, Theater und weitere Kulturstätten in Hamburg wieder voll besetzt werden – sofern die Veranstalter und Einrichtungen nur noch Geimpfte und Genesene (2G) zulassen.
Erstmals seit knapp anderthalb Jahren dürfen auch Diskotheken in Hamburg wieder öffnen. In Innenräumen bleibt es aber vorerst bei einer weitgehenden Maskenpflicht. Die Entscheidung des Senats hat zu einer umfangreichen Debatte in der Stadt geführt.
Corona in Hamburg: FDP und Linke üben Kritik an 2G
„Es ist gut, dass Sportveranstaltungen, die Eventbranche, die Club- und Barszene und Gastronomiebetriebe jetzt auch in Hamburg endlich die Möglichkeit bekommen, auf das Modell Genesen und Geimpft zurückgreifen zu können“, sagte CDU-Fraktionschef Dennis Thering.
„Der damit verbundene Wegfall der allermeisten Beschränkungen bietet einen echten Mehrwert und leitet eine neue Phase der Corona-Pandemie ein.“ Andere Bundesländern seien allerdings „schon weiter und als CDU-Fraktion hätten wir uns frühere Schritte im Sinne von Öffnungen mit 2G gewünscht“.
FDP-Landeschef und Bundestagskandidat Michael Kruse dagegen kritisierte die Regelung. „Mit den neuen Corona-Regeln schafft der Senat Staatsbürger 1. und 2. Klasse“, so Kruse. „Das ist gefährlich, zumal sich Bürgermeister Tschentscher das Prinzip der Diskriminierungsfreiheit auf die Fahnen geschrieben hat. Ich halte diese Regelung für verfassungswidrig.“ Gastronomen, Kulturschaffende und Event-Veranstalter seien nun einem hohen Druck ausgesetzt, so Kruse. „Sie müssen die Aufgaben von Hilfs-Sheriffs übernehmen.“
Handelskammer begrüßt Entscheidung des Senats
Auch Linken-Gesundheitspolitiker Deniz Celik zeigte sich skeptisch. „Von Geimpften, Genesenen und auch von Menschen mit einem aktuellen, negativen PCR-Test geht kein nennenswertes Infektionsrisiko aus“, so Celik. „Deshalb gibt es keine hinreichende Rechtfertigung, Menschen mit aktuellem negativen PCR-Test schlechter zu stellen als Geimpfte und Genesene und ihnen weiterhin Grundrechte vorzuenthalten.“ Stattdessen solle man über ein „3G-Plus-Modell“ nachdenken, beim dem auch negativ PCR-Getesteten die gleichen Rechte eingeräumt würden.
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Bisher reichte auch ein ungenauerer Antigen-Schnelltest. AfD-Gesundheitspolitiker Thomas Reich sagte: „Mit der 2G-Regelung beschreitet Hamburg einen gefährlichen Sonderweg, der unsere Gesellschaft weiter spaltet.“
Zustimmung bekamen Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne), die das neue Konzept am Dienstag im Rathaus präsentierten, dagegen von der Handelskammer. „Wir begrüßen die Entscheidung des Senates, weitgehende Freiheiten für Geimpfte und Genesene zuzulassen“, sagte Handelskammer-Präses Norbert Aust.
HSV prüft Umsetzung der 2G-Regeln
„Der Senat greift damit Vorschläge aus den Reihen der Wirtschaft auf. Nichtsdestotrotz unterliegen Unternehmen noch Beschränkungen und haben großen Planungsaufwand. Die Krise ist noch nicht vorbei. Deswegen gilt unsere Forderung weiter: Kein vorher gesundes Unternehmen darf durch die Corona-Krise in die Insolvenz gehen.“
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Auch aus dem Sport kam eher Zustimmung. Der HSV will nach Abendblatt-Informationen mit Blick auf das nächste Heimspiel gegen Sandhausen am 11. September prüfen, ob die 2G-Regeln sich so schnell umsetzen lassen. Zudem will man das Gespräch mit der Stadt suchen, ob im Falle einer Umsetzung auch mehr Fans als bislang (dann also 25.000) kommen und ob diese Alkohol konsumieren dürfen und die Abstandsregeln nicht mehr einhalten müssen.
Towers: „2G ist eine interessante Option für uns“
„2G ist eine sehr interessante Option für uns“, sagte auch Jan Fischer, Geschäftsführer der Hamburg Towers. „Wir müssen aber erst in den kommenden zwei Wochen mit dem zuständigen Gesundheitsamt besprechen, wie wir noch mehr als die jetzt erlaubten 1300 Zuschauer in die Halle lassen können.“
Für die Bundesliga-Handballer des HSV Hamburg ist 2G eine „denkbare Option“, wie der Aufsteiger auf Abendblatt-Nachfrage mitteilt. „Für uns ist es von großer wirtschaftlicher Bedeutung, möglichst viele Fans in die Halle lassen zu können, so dass wir uns jetzt intensiv damit beschäftigen“, sagte HSVH-Geschäftsführer Sebastian Frecke.
Vierte Corona-Welle in Hamburg sei „Welle der Ungeimpften“
Bürgermeister Peter Tschentscher hatte bei der Vorstellung des Beschlusses betont, dass die 7-Tage-Inzidenz bei den Geimpften unter 5 liege, bei den Ungeimpften dagegen zuletzt um die 80. „Wir wissen, dass Geimpfte und Genesene einen hohen individuellen Schutz haben“, sagte Tschentscher. „Das ist eine ganz andere Situation als noch vor wenigen Monaten. Geimpfte und Genesene haben keinen wesentlichen Anteil am Infektionsgeschehen.“ Die vierte Corona-Welle sei im Wesentlichen eine „Welle der Ungeimpften“.
Für Kultur, Messen, Veranstaltungen, private Feiern, Clubs und Diskotheken oder Sportveranstaltungen sei 2G eine gute Möglichkeit, wieder besser planen zu können, so der Bürgermeister. Nötig dafür sei, dass sehr genau kontrolliert werde. Ab kommenden Sonnabend könnten sich die Veranstalter „unkompliziert über das Internet“ für 2G registrieren.
Corona: Klare Regeln für 2G-Weg in Hamburg
Etwa Gastronomen könnten dies online anmelden, müssten die Nachweise von Geimpften und Genesenen in Verbindung mit einem Ausweis kontrollieren. Im Gegenzug entfallen etwa Personenbegrenzungen in Kinos, die Abstands- und Platzvorgaben in Restaurants und Kneipen sowie die Sperrstunde um 23 Uhr in der Innengastronomie. Musikclubs dürfen bis zu 1300 Gäste einlassen. Tanzen ist auch in Innenräumen wieder erlaubt – bei einer Begrenzung auf 150 Menschen und Maskenpflicht.
Es sei dann notwendig, dass in den Lokalen von außen erkennbar gemacht werden, dass es sich um ein 2G-Angebot handele. „Wir müssen hier wirklich auf strikte Einhaltung der Bedingungen achten“, so Tschentscher. Das Personal müsse ebenfalls geimpft sein. Wer sich nicht an die Bedingungen halte, könne das Recht auf 2G-Angebote verlieren.
Sonderregeln in Hamurg für Kinder und Jugendliche
Für Kinder und Jugendliche gelten Sonderregeln. Zunächst dürfen alle unter 18-Jährigen an „2G-Veranstaltungen“ auch ohne vollen Impfschutz teilnehmen. Für Zwölf- bis 18-Jährige, denen jetzt eine Impfung empfohlen wird, läuft diese Übergangszeit in sechs Wochen aus. Für Kinder unter zwölf Jahren gilt die Ausnahme dauerhaft.
Ob viele Kulturveranstalter die 2G-Option wahrnehmen, ist fraglich. Stage Entertainment, das Musicals wie „König der Löwen“ im Programm hat, erklärt, die Shows befänden sich bereits länger im Vorverkauf, viele hätten die Tickets „unter anderen Voraussetzungen“ gekauft. Auch Ohnsorg-Intendant Michael Lang will zunächst bei 3G bleiben. Er würde es bevorzugen, wenn es beim Schachbrettmuster bliebe, aber die Maskenpflicht am Platz aufgehoben würde