Hamburg. Die Entscheidung über den Vorzug von Geimpften und Genesenen in der Pandemie trifft nicht mehr die Politik.
Sollen Geimpfte und Genesene künftig andere Rechte haben als Getestete? Das ist die wichtigste und schwierigste Frage zu diesem Zeitpunkt der Corona-Pandemie in Deutschland. Und was macht der Hamburger Senat? Er überlässt die Antwort denen, die davon direkt betroffen sind.
Das ist aus eigener Sicht clever und klingt zunächst auch einmal fair, bringt aber all die Restaurantbesitzer, Theaterbetreiber und andere, die nun überlegen müssen, ob sie wie bisher auch Getestete einlassen (und damit deutlich weniger Plätze vergeben dürfen) oder eben nur noch Geimpfte und Genesene (das sogenannte 2G-Modell, was eine Platzbelegung bis an den Rand der Vollauslastung ermöglicht), in große Entscheidungszwänge.
Kultureinrichtungen werden das neue Angebot annehmen müssen
Kann/will man es sich leisten, Menschen, die sich, was ihr gutes Recht ist, nicht impfen lassen wollen, den Zutritt zu verwehren? Auch wenn es vielleicht Stammkunden sind oder Abonnenten? Wie geht man mit dem Vorwurf um, dass man sich an einer Art Impfpflicht durch die Hintertür beteiligt? Also: was tun?
Theater und andere Kultureinrichtungen werden gar nicht anders können, als das neue Angebot anzunehmen. Denn mit den bisherigen Belegungen ihrer Säle, zum Beispiel mit dem sogenannten Schachbrettmuster, ist der Spielbetrieb nicht wirtschaftlich zu führen und wird es auch in den kommenden Monaten nicht sein.
2G-Konzept des Senats alternativlos und eine gute Nachricht
Das 2G-Konzept des Senats dürfte in diesem Bereich alternativlos und entsprechend eine gute Nachricht sein: Denn zum ersten Mal seit Beginn der Corona-Pandemie im März des vergangenen Jahres können Theater und Konzertveranstalter wieder so planen, wie sie es gewohnt sind, und das über die nächsten Wochen und Monate. Kultur für Geimpfte und Genesene müsste schließlich auch dann möglich sein, wenn die Inzidenzen weiter stark steigen sollten, was viele Experten für den Herbst leider befürchten.
Die Diskussion über eine Diskriminierung von Nicht-Geimpften wird es natürlich, gerade in kulturellen Kreisen, trotzdem geben, je nach Genre unterschiedlich stark. Das Publikum von Theater- und Opernhäusern etwa, das in der Regel etwas älter ist, dürfte zu größten Teilen längst vollständig geimpft sein.
Proteste dürften sich in Grenzen halten
Dort wird der Prozentsatz derjenigen, die sich durch die 2G-Regel benachteiligt fühlen, sehr gering sein – entsprechend dürften sich die Proteste in Grenzen halten. Hinzu kommt, dass die Selbstverständlichkeit und damit das Interesse an einem Theaterbesuch sicher steigen wird, wenn sich alle Beteiligten darauf verlassen können, dass jeder und jede im Saal geimpft oder eben genesen ist. Was dann wahrscheinlich auch für die Schauspielerinnen und Schauspieler gelten muss …
Einfacher wäre es für die Kulturschaffenden gewesen, wenn der Senat sich eindeutig für einen Weg entschieden, also gesagt hätte: Restaurants und Theater dürfen nur die betreten, die geimpft oder genesen sind, zumal inzwischen jeder die Möglichkeit gehabt hätte (und weiter hat), sich impfen zu lassen.
Die aktuellen Corona-Fallzahlen aus ganz Norddeutschland:
- Hamburg: 2311 neue Corona-Fälle (gesamt seit Pandemie-Beginn: 430.228), 465 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (davon auf Intensivstationen: 44), 2373 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1435,3 (Stand: Sonntag).
- Schleswig-Holstein: 1362 Corona-Fälle (477.682), 623 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 39). 2263 Todesfälle (+5). Sieben-Tage-Wert: 1453,0; Hospitalisierungsinzidenz: 7,32 (Stand: Sonntag).
- Niedersachsen: 12.208 neue Corona-Fälle (1.594.135), 168 Covid-19-Patienten auf Intensivstationen, 7952 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1977,6; Hospitalisierungsinzidenz: 16,3 (Stand: Sonntag).
- Mecklenburg-Vorpommern: 700 neue Corona-Fälle (381.843), 768 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 76), 1957 Todesfälle (+2), Sieben-Tage-Wert: 2366,5; Hospitalisierungsinzidenz: 11,9 (Stand: Sonntag).
- Bremen: 1107 neue Corona-Fälle (145.481), 172 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 14), 704 Todesfälle (+0). Sieben-Tage-Wert Stadt Bremen: 1422,6; Bremerhaven: 2146,1; Hospitalisierungsinzidenz (wegen Corona) Bremen: 3,88; Bremerhaven: 7,04 (Stand: Sonntag; Bremen gibt die Inzidenzen getrennt nach beiden Städten an).
Dass man die Entscheidung auf andere abgeschoben hat, hat einerseits damit zu tun, dass kurz vor der Bundestagswahl kein Politiker Menschen mit zu klaren Vorgaben verprellen will, schon gar nicht bei so einem emotionalen Thema wie dem Impfen. Andererseits ist es ganz schön, dass die Politik, die in den vergangenen Monaten so massiv in unserer aller Leben eingegriffen hat, uns Eigenverantwortung nicht nur zurückgibt, sondern auch zutraut.
Machen wir das Beste daraus.