Hamburg. Affen-Dame wird mit 60 Jahren noch einmal Adoptivmutter und hat sogar einen Eintrag im Guinness Buch der Rekorde.

Sie ist 60 Jahre alt und trotz ihres hohen Alters die Super-Mama im TierparkHagenbeck: Orang-Utan Oma Bella kann es nicht lassen. Immer wieder schnappt sie sich verlassene Orang-Utan-Babys und adoptiert sie – dabei hat sie selbst schon reichlich Nachwuchs.

Dank ihrer Liebe und Fürsorge und der Hilfe der Tierpfleger hat der kleine Menschenaffen-Junge Berani nach dem plötzlichen Tod seiner Mutter überleben können. Immer noch weicht der fast ein Jahr alte Junge seiner Adoptivmutter nicht von der Seite.

Hagenbeck: Orang-Utan-Baby erinnert an E. T.

Am liebsten hängt Berani vorm Bauch seiner Adoptivmama und umklammert das mächtige 50-Kilo-Tier mit seinen kleinen Händchen. Klein mögen sie sein, dafür aber umso kräftiger. Halt ist wichtig, wenn man in der freien Natur in 25 Metern Höhe zur Welt kommt und sich sofort am Muttertier festklammern muss.

Es ist neun Uhr, und Berani und Bella schlafen noch oder ruhen zumindest oben auf Bellas Lieblingsplatz im Affenhaus. Für die betagte Affendame ist es noch zu früh: Sie ist Langschläferin. Zusammen mit Berani kauert sie in ihrem Nest im Affenhaus unter einem Bettlaken. Das erinnert an E. T., den Außerirdischen, als dieser mit Decke überm Kopf im Fahrradkorb sitzt.

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Orang-Utans machen es sich gern gemütlich. Mit Ästen, Zweigen oder wie bei Hagenbeck mit Bettlaken, Strand- und Handtüchern bauen sie sich ein Bett. So kuschelig hat es die Adoptivmama mit ihrem Söhnchen, dass sie keine Anstalten machen, aktiv zu werden. Müssen sie auch nicht. „Bella klettert einmal am Tag hoch auf ihren Lieblingsplatz“, sagt Revierpfleger Tjark Rüther-Sebbel. Das genügt. Dabei sei sie für ihr Alter sehr fit.

Bella aus Hagenbeck hat Eintrag im Guinness Buch

Bella ist der zurzeit älteste Orang Utan der Welt. „60 Jahre ist ein extrem hohes Alter“, so Rüther-Sebbel. Hagenbecks Methusalem-Affe hat sogar einen Eintrag im Guinness Buch der Rekorde. Normalerweise werden Orang Utans 40 bis 50 Jahre alt, und nur die wenigsten werden älter als 50 Jahre. Der Rekord liegt bei 62 Jahren. Da ist Bella nah dran, und alle hoffen, dass sie den Rekord schafft.

Geboren ist Bella noch in der Wildnis im Regenwald von Sumatra. Sie kam mit vier Jahren in den Tierpark Hagenbeck. Heutzutage ist das natürlich undenkbar, ein Tier aus der Natur einzufangen. In den 1960er-Jahren war es eben noch anders. Zumindest geht es Bella so gut, dass sie offensichtlich nicht daran denkt, ihr Affenleben als Rentnerin zu verbringen. Es scheint, als brauche sie eine Aufgabe und als gäbe es für sie nichts Schöneres, als Orang-Utans-Babys zu sich zu nehmen und großzuziehen.

Mutter Conny starb kurz nach der Geburt in Hamburg

Das wäre so, als würde eine 85-Jährige ein Baby bekommen und müsste sich darum kümmern. Mit allem, was dazu gehört: Schlafmangel, Erziehung, Beschäftigung und ganz viel Körperkontakt und schmusen. Seit seiner Geburt am 13. September zieht Bella Berani groß. Denn seine Mutter Conny war kurz nach der Entbindung an einem Herzfehler gestorben. Sie ist nur 31 Jahre alt geworden, und Papa Batak ist der Nachwuchs egal, das ist bei Orang-Utans so.

„Bella ist eine ganz, ganz tolle Mutter“, schwärmt Tjark Rüther-Sebbel. Sie hat darin auch viel Übung. Denn Berani ist bereits das zehnte Jungtier, das sie großzieht. Sie hat bereits sechs eigene Kinder und vier Adoptivkinder. Die anderen Jungtiere waren Kinder, deren Mütter noch sehr jung und überfordert waren. „Bella ist da eingeschritten und hat das übernommen“, so Tierpfleger Rüther-Sebbel. Bella, schwärmt er, ist ein ausgeglichener und lieber Orang-Utan. „Die lässt sich nicht aus der Ruhe bringen, das hängt mit ihrer Lebenserfahrung zusammen.“ Eine gelassene Mutter sei sie, die aber sofort zur Stelle ist, wenn Berani schreit.

Marie soll irgendwann die Mutterrolle übernehmen

Zu ihren eigenen Kindern gehört auch Marie. Die 16-Jährige baut sich gerade im Baumstamm nebenan aus Blättern, Ästen und einer Kuscheldecke ein Nest. Sie soll einmal Bellas Mutterrolle übernehmen, da die Affen-Oma ja nicht mehr die Jüngste ist. „Marie guckt sich das schon jetzt von Bella ab“, hat ihr Tierpfleger beobachtet. Sie bespaßt den Kleinen zwischendurch, ist Beranis zweite Bezugsperson. Sechs bis acht Jahre bleiben Orang-Utan-Kinder bei ihrer Mutter, zwei bis drei Jahre werden sie gesäugt.

Das haben in den ersten Monaten die Tierpfleger um Tjark Rüther-Sebbel und David Wittmann mit Ersatzmilch übernommen. Anstrengend waren die ersten Monate mit dem nächtlichen Füttern, aber absolut notwendig. Der kleine Berani hat am Anfang alle zwei Stunden Milch getrunken. Die Tierpfleger haben dafür im Tierpark geschlafen, Rüther-Sebbel ist bis vor einigen Monaten noch nach Feierabend gegen 21/22 Uhr vorbeigekommen, um nachzuschauen, wie sich das Affenbaby macht.

Adoptivmutter in Hagenbeck geht in ihrer Rolle voll auf

Während Bella in ihrer Mutterrolle voll aufblüht und glücklich scheint, sind die Tierpfleger froh über so ein einmaliges Erlebnis, ein Affenbaby mit großzuziehen, aber auch froh, dass sie wieder geregeltere Arbeitszeiten haben und glücklich, dass alles so gut gelaufen ist. Noch bekommt Berani viermal am Tag das Fläschen. Die erste morgens um 6.30 Uhr und die letzte um 18 Uhr.

Für das Engagement gab es von Hagenbeck-Geschäftsführer Dirk Albrecht diese Woche für die Tierpfleger jeweils einen großen Präsentkorb. „Dass ihr auch nachts gearbeitet habt, für euer Engagement auch außerhalb der Arbeitszeit, dafür danke ich euch beiden.“