Hamburg. Frederik Braun, Erfinder des Miniatur Wunderlands, spricht auch nach der Derby-Niederlage gern über seinen Verein – den HSV.
Frederik Braun ist komplett durchnässt, ein wenig zu spät und im Terminstress. Doch all das scheint den 53-Jährigen so gar nicht zu stören, als er mit seinem Fahrrad im strömenden Regen an der Redaktion vom Abendblatt vorfährt. „Und jetzt schnacken wir mal ein bisschen über den HSV“, sagt Braun – und freut sich sichtlich auf die kommende Stunde im Abendblatt-Podcast „HSV – wir müssen reden“.
Man muss schon Mitglied im Club der Optimisten sein, um drei Tage nach dem Derby gegen den FC St. Pauli für ein Gespräch über den HSV zuzusagen. Und man muss auch ein wenig verrückt sein, um sich ausgerechnet am Tag des 20. Geburtstags vom Miniatur Wunderland eine Stunde für seinen Herzensverein Zeit zu nehmen. Frederik Braun ist beides. Der Erfinder und Geschäftsführer von Deutschlands beliebtester Touristenattraktion hatte am Montag zahlreiche Termine rund um das Jubiläum. Doch für seinen HSV hat der vierfache Familienvater immer Zeit.
Miniatur Wunderland: Erfinder hatte schon 1982 eine HSV-Dauerkarte
„Ich bin HSV-positiv“, sagt Braun, dem das HSV-Gen von seinem Stiefvater im Kindesalter eingeimpft wurde. Der hat dem damals 14-Jährigen 1981 die erste HSV-Eintrittskarte geschenkt. Es folgte in der Saison 1982/83 eine Dauerkarte, Westkurve, Block F. „Das war die tollste Zeit“, sagt Braun mit funkelnden Augen. Beim Finale des Landesmeisterpokals 1983 in Athen gegen Juventus Turin traute er sich nicht ins Familienwohnzimmer, weil er ab Magaths 1:0 einfach nicht mehr hingucken konnte: „Ich war die ganze Zeit im Flur und habe meinem Bruder Gerrit immer gebeten, mir zu sagen, ob wir gerade im Ballbesitz sind.“
Aber Braun kennt nicht nur die Hochzeiten im Volkspark. „Ich habe auch alle Tiefs gerne mitgemacht“, sagt er. „Und nach jeder misslungenen Saison habe ich mich trotzdem wieder auf die nächste Spielzeit gefreut.“ Mit drei seiner Kinder war er erstmals beim 1:1 gegen Dynamo Dresden vor zwei Wochen im Stadion („Das war irre“), und auch für das Heimspiel gegen Darmstadt am Sonntag sind die Tickets längst gekauft. Ob es aufgrund der langen Durststrecke nicht besser wäre, den Kindern eine HSV-freie Erziehung zu gönnen?, will Nesthäkchen Sebastian im Podcast von seinem älteren Bruder Frederik wissen. Der Zug sei abgefahren, antwortet der. „Meine Kinder sind HSV-versaut.“
HSV-Leidenschaft auch im Miniatur Wunderland ausgelebt
Er selbst hat seine HSV-Leidenschaft auch im Miniatur Wunderland in der Speicherstadt nie unterdrückt. Natürlich fehlt in der einzigartigen Fantasiewelt auch das Volksparkstadion nicht, das Braun und Co. einfach mal an die Elbe verpflanzt haben. Und das Beste: Hier ist die HSV-Welt noch in Ordnung. Denn der HSV gewinnt das Derby im Maßstab von 1:87 immer mit 4:3. „Irgendwann haben wir mal versprochen, dass wir immer das aktuelle Derby-Ergebnis auf die kleine Anzeigentafel einblenden. Aber irgendwie kam immer etwas dazwischen“, sagt Braun – und grinst.
In der perfekten HSV-Welt hat der Hardcore-Fan auch schon eine ganze Reihe von HSV-Profis zu Gast gehabt. So sei es früher die Regel gewesen, dass der ehemalige HSV-Teammanager Marinus Bester mit Neuzugängen und deren Familien auf einer Kennenlerntour durch Hamburg auch immer im Miniatur Wunderland einen Stopp einlegte. Nigel de Jong sei da gewesen, Joris Mathijsen, Rafael van der Vaart und all die anderen Größen. „Da habe ich mir natürlich immer persönlich Zeit genommen“, sagt Braun, dessen Miniatur Wunderland über die Jahre auch von Stars wie Adele oder Rod Steward gern besucht wurde.
Braun hatte eine gute Beziehung zu Boateng
Noch enger war Brauns Beziehung aber zu Vincent Kompany, Jerome Boateng und Heiko Westermann, die einer nach dem anderen in Winterhude seine Nachbarn waren. „Vincent war der Erste. Und als er dann zu Manchester City wechselte, wollte er seine Wohnung einfach nicht verkaufen. Hier sind dann nach und nach die anderen Jungs eingezogen“, sagt Braun, dessen Nachbarschaft zu Boateng 2016 sogar bundesweit für Schlagzeilen sorgte.
Kurz vor der Europameisterschaft in Frankreich hatte Rechtsaußen Alexander Gauland in einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ eine heftige Debatte ausgelöst. „Die Leute finden ihn als Fußballspieler gut. Aber sie wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben“, hatte der AfD-Rechtspopulist gesagt. Ein Satz, den Frederik Braun schon damals so nicht stehen lassen wollte. „Ich habe selten einen höflicheren, netteren und vor allem lustigeren Nachbarn gehabt als ihn“, schrieb der Unternehmer seinerzeit auf Facebook. Und direkt an Gauland gerichtet schrieb Braun deutlich: „Wenn ich allerdings Sie als Nachbarn hätte, dann würde ich ausziehen!“
Miniatur Wunderland setzte Zeichen gegen Trumps Mauer
Auch wenn es immer wieder Gegenwind gab, wollte Braun mit seiner Meinung nie hinter dem Berg halten. Nach Donald Trumps Wahl als Präsident in den USA bauten er und sein Bruder Gerrit mal eine Mauer rund um Amerika, um so gegen Trumps Anti-Mexiko-Mauer zu rebellieren. Ein Shitstorm aus den USA „und ein Lovestorm aus dem Rest der Welt“ waren die Folge. Auch als sich Braun und Co. für den Tierschutz und artgerechte Haltung durch eine provokante Plakataktion starkmachten, gab es ein heftiges Echo. „Eine Bäuerin hat bei Facebook dazu aufgerufen, dass statt der Küken lieber die Brauns geschreddert werden sollen“, berichtet Frederik Braun.
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Leise war er auch bei Gegenwind nie. Und auch beim HSV soll und will Frederik Braun zukünftig noch deutlicher seine Meinung zum Besten geben. Seit anderthalb Wochen ist er mit OMR-Gründer Philipp Westermeyer, Hafenchef Jens Meier, Lena Schrum (Gründerin der Nachhaltigkeitsplattform Aware) und HSV-Ikone Horst Hrubesch Mitglied im sogenannten Impulsgeberrat, den Neu-HSV-Präsident Marcell Jansen ins Leben gerufen hat. Den habe er vor einem Jahr auf einer privaten Feier kennen- und schätzen gelernt, sagt Braun. Nun freue er sich auf die Treffen, auf denen man sicherlich kontrovers über viele HSV-Themen reden werde.
„Ich bin nicht wirklich unparteiisch“
Der Versuchung, ein offizielles Amt beim HSV zu übernehmen, konnte er trotz mehrerer Angebote bislang widerstehen. „Dafür bin ich einfach viel zu wenig diplomatisch“, sagt Braun, der auch als Zuschauer nicht viel von Diplomatie hält. „Ich gehe ins Stadion, um mich gepflegt danebenzubenehmen. Ich bin nicht wirklich unparteiisch“, gibt er zu.
Zu Hause habe er aber nichts zu befürchten. Auch seine Frau Johanna (34) sei durch und durch HSV-Fan und sogar Mitglied. Er selbst sei bereits seit 1999 HSV-Mitglied und habe auch die eine oder andere Mitgliederversammlung besucht. Auch bei der Ausgliederung 2014 war er und wollte eigentlich für die Ausgliederung stimmen.
Boldt überreichte Braun eine HSV-Torte
Doch weil die Redner an diesem Tag bei Nachfragen immer mehr ins Schwimmen gerieten, habe er schließlich umgeschwenkt und gegen die Ausgliederung gestimmt. Gebracht hat es aber nichts. 86,9 Prozent der Mitglieder stimmten seinerzeit für die AG – und wurden in den Jahren danach bitter enttäuscht. „Der Hauptfehler war meiner Meinung nach aber nicht die Ausgliederung, sondern wie danach die Millionen verpulvert wurden“, sagt Braun.
Vom HSV konnte er trotzdem nie lassen – und wurde dafür am Montag belohnt. Nicht mit dem Derbysieg, aber mit einer von Vorstand Jonas Boldt überreichten HSV-Torte und passenderweise einer Mini-HSV-Eisenbahn. In diesem Sinne: auf die nächsten 20 Jahre.