Hamburg. Im Stadtpark, auf dem Dom oder bei Hagenbeck: Einige Corona-Auflagen geben Rätsel auf – und nicht immer werden Vorgaben eingehalten.
Ob es noch viele Beschwerden gebe? Der Sprecher der Sozialbehörde lacht kurz auf. „Sagen wir, uns erreichen weiterhin Fragen“, sagt Martin Helfrich. Seit 15 Monaten versucht der Senat nun schon laufend, die nötigen Regeln für die Eindämmung der Pandemie in eine möglichst faire und nachvollziehbare Rechtsverordnung zu gießen. Und ist doch nie ganz am Ziel, wie Helfrich zugibt. „Wer versucht, per Verordnung den Alltag in einer Pandemie in allen Details gerecht zu regeln, der muss scheitern.“
Tatsächlich sind die Auflagen trotz steigender Inzidenz nicht nur weniger scharf, sondern auch weniger komplex als noch im Frühjahr. Für Verwirrung, Unverständnis und offen ausgetragenen Ärger sorgen die Regeln aber teilweise weiterhin. Und in der Praxis liegen vorbildliche Regeltreue und pandemievergessenes Laissez-faire dicht beieinander.
Corona in Hamburg: Regeln im Stadtpark
Da ist etwa die Sache mit den Konzerten im Stadtpark. Die Aufregung unter den Besuchern ist groß, die Schlange am Eingang lang. Die Eintrittskarten können nur personalisiert erworben werden, ein Personalausweis ist mitzubringen. Kontrolliert wird der Ausweis dann aber laut Besuchern nicht immer. Der Einlass ist minutiös geregelt, Herumstehen darf niemand, alle sollen sofort ihre Plätze einnehmen, erst dort darf man seinen Mund-Nasen-Schutz ablegen.
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Vor der Bühne sitzen die Zuschauer in Blöcken, die nach Farben benannt sind. So weit, so vorbildlich, aber: In den Blöcken selbst sitzen die Zuschauer dicht gedrängt, Schulter an Schulter. Das unterschreitet selbst in Nicht-Corona-Zeiten die persönliche Wohlfühl-Schwelle. Und: Um ein Konzert im Stadtpark zu besuchen, muss niemand den sonst üblichen Impf- oder Testnachweis erbringen.
Dom auf St. Pauli mit scharfen Auflagen
Auf Anfrage betont der Organisator, die Konzertdirektion Karsten Jahnke, dass das Hygienekonzept erprobt sei. „Es funktioniert so gut, dass wir bei mehr als 20 Konzerten kein einziges Infektionsgeschehen hatten“, so der Sprecher Frehn Hawel. Ist dann also auch Schunkeln, Tanzen und Mitsingen erlaubt? „Das Stehen am Platz ist okay, solange das in einem gewissen Radius vom Platz passiert und nicht durchgängig“, sagt Hawel. „Am liebsten wäre es mir aber, wenn die Leute sitzen bleiben und Animationen unterbleiben. Das ist einfach nicht die Zeit dafür.“
Genauso hat der Senat auch begründet, dass der Sommerdom auf dem Heiligengeistfeld nur mit scharfen Auflagen stattfinden kann. Dazu gehört auch eine strikte Maskenpflicht, nicht nur in den Warteschlangen und in den Fahrgeschäften. Vor allem Familien fällt dabei aber auf: Etwa bei Hagenbeck, wo der Besucherandrang trotz Pandemie ebenfalls groß ist, gibt es eine solche Pflicht nicht.
Das Ziel der Corona-Regeln in Hamburg
Spricht man den Senat darauf an, verweist dieser gern auf den „Geist der Verordnung“. Soll heißen: Dass die Regeln dazu führen sollen, dass sich die Hamburger selbstständig vernünftig verhalten. „Grundsätzlich gilt: Wenn es eng wird, soll man sich im Zweifel eine Maske aufsetzen. Das gilt an allen Orten der Stadt gleichermaßen, auf dem Heiligengeistfeld ebenso wie im Tierpark oder einer belebten Einkaufsstraße“, sagt der Behördensprecher Martin Helfrich. „Das Maskentragegebot ist ein kleiner Preis dafür, dass der Dom stattfinden kann.“ Und es erhöhe die Sicherheit der Veranstaltung deutlich.
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Kleinere Wirrungen und Unterschiede gibt es allerdings auch in anderen Bereichen. So berichten Besucher des Abaton-Kinos, dass sich online jeweils nur zwei Tickets buchen lassen – schwierig für Familien mit mehreren Kindern, die sich etwa die „Olchis“ ansehen möchten. An der Kasse sind dann aber auch drei Tickets kein Problem.
Corona-Regeln: Disziplin schwankt
Andere Hamburger erlebten, dass sie mangels eines aktuellen Tests für den Nachwuchs am Wochenende nicht spontan im Block House essen konnten – für den Besuch im Miniatur Wunderland die Auflage aber nicht gegolten habe. An der Langen Reihe in St. Georg wurden zuletzt wiederum Gäste von der noch gültigen Sperrstunde um 23 Uhr überrascht – und traten aus einem halb leeren Restaurant auf die volle Flaniermeile mit komplett besetzter Außengastronomie, in der länger gespeist werden darf.
Viele Nachfragen zu den aktuell gültigen Regeln kämen von Gastronomen und Gewerbetreibenden, sagt Helfrich. Auf der anderen Seite schwankt die Disziplin bei deren Umsetzung. Unter anderem aus Ottensen berichten Restaurantgäste, dass die vorgeschriebene Registrierung nur auf aktive Nachfrage abzuleisten gewesen sei. Im Außenbereich machte dabei schon die dichte Aufstellung der Tische den 1,5-Meter-Abstand unmöglich. Fast gewöhnt haben sich Restaurantgäste vielerorts daran, dass die Schutzmaske der Kellner zwar noch den Mund, aber nur manchmal auch die Nase bedeckt.
Corona-Regeln: Wann Polizei durchgreift
Bei krassen Regelverstößen – und weiterhin an den bekannten „Hotspots“ mit Alkoholverbot – greift die Polizei durch. Das erlebte eine Gruppe Jugendlicher mit einem Bierkasten an der Alster, aus dem sie auf Anweisung der Beamten jede einzelne Flasche sofort und vor Ort ausschütten mussten. Die Zahl der registrierten Verstöße ist aber zuletzt teilweise auf ein bis wenige Dutzend Ordnungswidrigkeiten pro Tag gesunken. Im vergangenen Jahr waren es häufig noch 300 Verstöße oder mehr.
Die aktuellen Corona-Fallzahlen aus ganz Norddeutschland:
- Hamburg: 2311 neue Corona-Fälle (gesamt seit Pandemie-Beginn: 430.228), 465 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (davon auf Intensivstationen: 44), 2373 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1435,3 (Stand: Sonntag).
- Schleswig-Holstein: 1362 Corona-Fälle (477.682), 623 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 39). 2263 Todesfälle (+5). Sieben-Tage-Wert: 1453,0; Hospitalisierungsinzidenz: 7,32 (Stand: Sonntag).
- Niedersachsen: 12.208 neue Corona-Fälle (1.594.135), 168 Covid-19-Patienten auf Intensivstationen, 7952 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1977,6; Hospitalisierungsinzidenz: 16,3 (Stand: Sonntag).
- Mecklenburg-Vorpommern: 700 neue Corona-Fälle (381.843), 768 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 76), 1957 Todesfälle (+2), Sieben-Tage-Wert: 2366,5; Hospitalisierungsinzidenz: 11,9 (Stand: Sonntag).
- Bremen: 1107 neue Corona-Fälle (145.481), 172 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 14), 704 Todesfälle (+0). Sieben-Tage-Wert Stadt Bremen: 1422,6; Bremerhaven: 2146,1; Hospitalisierungsinzidenz (wegen Corona) Bremen: 3,88; Bremerhaven: 7,04 (Stand: Sonntag; Bremen gibt die Inzidenzen getrennt nach beiden Städten an).
Die Hamburger stellten vor allem Fragen dazu, welche genaue Regel in welchem Fall gültig sei. „Da ist dann zum Beispiel eine Unsicherheit vorhanden, ob ein Chortreffen im Freien schon als Veranstaltung gilt“, sagt Martin Helfrich. Stattfinden darf das Treffen aber am Ende. In Schulklassen kann dagegen stellenweise noch immer nicht gemeinsam gesungen werden, weil es zu wenig Platz für den nötigen Abstand gibt.
Für ihre Disziplin trotz einzelner Widersinnigkeiten lobte der Senat die Hamburger regelmäßig. Der Behördensprecher Martin Helfrich betont, dass die Verordnung regelmäßig überprüft werde. Ihre Kleinteiligkeit sei dem „Ausnahmezustand der Pandemie“ geschuldet. „Beibehalten wird, was erforderlich wird – fallen jedoch Änderungsbedarfe auf, wird erforderlichenfalls nachgeschärft.“