Hamburg. Auch PCR-Untersuchungen, die Hamburgs Bürgermeister Tschentscher fordert, würden im Herbst kostenpflichtig sein.

Für Hamburg ist heute in zweifacher Hinsicht ein besonderer Tag: Erstens werden im zentralen Impfzen­trum in den Messehallen die letzten Erstimpfungen verabreicht. Von Mittwoch an gibt es drei Wochen lang nur noch Zweitimpfungen, bevor die Einrichtung am 31. August schließt – damit endet die Geschichte des größten Corona-Impfzentrums in Deutschland.

Zweitens berät ab Mittag die Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) per Videoschalte mit der Bundesregierung darüber, wie die Pandemiebekämpfung künftig aufgestellt werden soll – und diese Neuregelung ist für Hamburg extrem wichtig. Denn die Hansestadt hat nach eigener Berechnung mit 63,6 die mit Abstand höchste Inzidenz aller Bundesländer und nähert sich mit großen Schritten dem Grenzwert 100.

Corona: Inzidenzzahlen in Hamburg steigen

Entscheidend ist zwar der Wert des RKI, wonach Hamburg erst auf 54,8 kommt, aber das ändert nichts an der Lage: Die Zahlen steigen stetig, am Montag kamen 172 Corona-Fälle hinzu, 135 mehr als am Montag der Vorwoche. Wird der Inzidenzwert 100 überschritten, müssen nach dem Infektionsschutzgesetz bestimmte Maßnahmen greifen, etwa die Umstellung der Schulen auf Wechselunterricht. Da das in Hamburg niemand will, muss dringend eine Neuregelung her.

Ob Bund und Länder sich schon am Dienstag verständigen können, gilt als offen. Relativ einig ist man sich immerhin, dass der Inzidenzwert an Bedeutung verlieren wird, beziehungsweise die Grenzwerte im Gesetz angehoben werden sollen. Zudem könnte die Impfquote mit eingerechnet werden: In Hamburg sind bislang 64,9 Prozent der Bürger mindestens einmal gegen Corona geimpft, und 52,6 Prozent vollständig immunisiert. Klar ist auch, dass die Auslastung der Krankenhäuser und hier insbesondere der Intensivstationen eine stärkere Rolle spielen soll. Die steigt in Hamburg nicht so stark wie die Neuinfektionen, aber sie steigt auch langsam. Aktuell liegen 56 Covid-19-Patienten in den Kliniken, darunter 19 auf Intensivstationen.

Hamburgs Bürgermeister lehnt Lockdown ab

Ein wichtiger Punkt auf der MPK dürfte die Frage werden, inwiefern Geimpfte, Genesene und negativ Getestete künftig von Beschränkungen ausgenommen werden. Wie berichtet, lehnt Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) einen erneuten Lockdown für weite Teile der Gesellschaft ab. „Wenn der Großteil der Menschen aufgrund einer Impfung nicht mehr gefährdet ist, können wir nicht wieder die gesamte Bevölkerung mit Beschränkungen belegen“, sagte er jüngst der „FAZ“. Bestimmte Beschränkungen dürften daher nur für Ungeimpfte gelten.

Da Schnelltests nicht die gleiche Sicherheit böten wie PCR-Tests, forderte Tschentscher, dass Ungeimpfte für Besuche von Konzerten oder anderen Veranstaltungen künftig einen PCR-Test vorlegen müssten. Auf Nachfrage sagte sein Sprecher Marcel Schweitzer dem Abendblatt: „Den müsste man dann selbst bezahlen, wenn man für sich entscheidet, die Schutzimpfung nicht anzunehmen. Hiervon ausgenommen sind jene, die sich nicht impfen lassen können oder dürfen.“ Darüber, ob Hamburg diese Regelung notfalls auch im Alleingang einführen würde, sei noch nicht gesprochen worden.

Olaf Scholz hält PCR-Testpflicht nicht für nötig

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz hält die PCR-Testpflicht dagegen nicht für nötig. Es gehe jetzt erst einmal darum, die bestehenden Regeln fortzusetzen, sagte Scholz am Montagabend bei einer Wahlkampfveranstaltung auf dem Hamburger Dom. „Wir haben sehr viele verfügbare Antigen-Tests. Das hilft auch.“ Er erwarte aber auch, dass im Herbst der Zutritt zu bestimmten Räumen nur für Genesene, Geimpfte und Getestete erlaubt sein werde, sagte Scholz. Klar sei, dass auch die Corona-Schnelltests ab etwa Mitte/Ende Oktober nicht mehr umsonst sein werden.

PCR-Tests gelten als der „Goldstandard“ für den Nachweis einer Corona-Infektion. Dieses Verfahren weist zuverlässig das Erbgut des Virus Sars-CoV-2 nach, Antigen-Schnelltests dagegen lediglich Eiweiße aus der Hülle des Virus. Diese Tests werden zwar auch von geschultem Personal durchgeführt, die Auswertung erfolgt aber in der Regel direkt vor Ort. Problem: Bei niedriger Viruslast in der Probe, also kurz nach der Ansteckung mit dem Erreger, kann der Antigen-Schnelltest trotz der Infektion ein negatives Ergebnis bringen.

Labore in Hamburg haben noch Kapazitäten

Die aufwendigeren PCR-Tests werden hingegen in wenigen spezialisierten Laboren analysiert. Und diese haben in Hamburg noch Kapazitäten. Der Ärztliche Leiter des Aes­culabors, Dr. Wolfgang Becker, sagt, das Labor führe derzeit 3000 PCR-Tests pro Woche durch, 12.000 seien machbar. Bei einer höheren Auslastung müsse man ein Mehr an Personal bedenken, ausreichend Geräte haben und nicht zuletzt eine „Fahrlogistik“, um die Proben einzusammeln. Eine Auswertung der Tests unter acht Stunden zu schaffen, das sei schon sportlich. Viel hänge vom sorgfältigen Abstrich ab.

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Jens Heidrich vom Labor Dr. Heidrich und Kollegen schätzt, dass derzeit 20 Prozent der aufgebauten PCR-Testkapazitäten genutzt würden. Er glaubt, dass bei einer Vorlaufzeit von zwei Tagen zur Vorbereitung ein Ergebnis für 1000 Testpersonen innerhalb von 24 Stunden vorliegen könne. Das sei dann auch ohne „Pooling“ möglich. „Pooling“ bedeutet hier: Man wirft Proben mehrerer Testpersonen zusammen und kommt so schneller zu einem (negativen) Ergebnis. Ist es aber positiv, muss man sich doch die Mühe machen, jede einzelne „gepoolte“ Probe zu testen.

Kosten für PCR-Tests schwanken

Doch wie lange haben die Testergebnisse überhaupt eine Aussagekraft? Wenige Stunden sind es bei Antigen-Schnelltests. Sogar der geschäftsführende Gesellschafter der sanaGroup, Thomas Wüstefeld, Hersteller von PCR- und Antigen-Tests, hatte im Abendblatt gewarnt: „Auch der Schnelltest ist nur eine Momentaufnahme mit einer Geltungsdauer von zwei bis vier Stunden. Nach diesem Zeitfenster kann sich bei einem Infizierten Virenlast gebildet haben.“

Die wichtigsten Corona-Themen im Überblick

Die Kosten für einen PCR-Test können erheblich schwanken. Zwischen 128 und 140 Euro sind es eigentlich nach ärztlicher Gebührenordnung. Labor-Betreiber Heidrich sagt: „Viele Labore unterschreiten diesen Preis, begeben sich dabei aber in einen rechtlichen Graubereich. Für ein Qualitätslabor, das ein aufwendiges Qualitätsmanagementsystem betreibt und eine PCR mit vorheriger Probenextraktion bietet, die den neuesten und besten Anforderungen entspricht, zudem nachts und sieben Tage in der Woche misst, wäre dieser Preis auch legitim.“

Hamburger Flughafen mit Kampfpreisen für Tests

Kampfpreise von 59 Euro werden am Hamburger Flughafen angeboten. Nach 24 Stunden ist das Ergebnis da. Wer es nach sechs Stunden benötigt, zahlt 129 Euro. Das Ergebnis in 75 Minuten kostet 199 Euro. Bei großen Nachfragen sinkt der Preis. Heidrich warnte: „Hier wünsche ich mir in jedem Fall Klarheit von der Politik, damit es nicht auf Kosten der Qualität zu einem Unterbietungswettbewerb der Labore kommt.“ Er vermisse schon jetzt „konsequente Kontrollen der Behörden“.