Hamburg. Peter Tamm steuert das Internationale Maritime Museum und kennt sich auch sonst mit Elbe und Meer bestens aus.
Schlau über Schifffahrt schnacken kann an der Waterkant so mancher Möchtegern-Seebär. Im Dienst der Marine im Flugkörperschnellboot „Gepard“ übers Meer geschippert sind schon weniger. Wer Hand an einen Piraten gelegt hat, gehört zu den Ausnahmen. Und wer dann noch Chef eines international renommierten maritimen Museums ist, muss Peter Tamm sein. Der Schifffahrtskaufmann hegt eine innige Leidenschaft für alles, was mit der Elbe und den Meeren zu tun hat. In seiner Familie wird diese Verbindung traditionell großgeschrieben. Hanseatischer Stil ebenfalls.
Peter Tamm ist Herr über 30 Ozeanriesen
Daher wundert es kaum, dass der 53-Jährige gut ausgerüstet zur Verabredung erscheint. Auf die Minute pünktlich. In der einen Hand trägt er Mettbrötchen vom Bäcker, in der anderen hält er eine Krawatte. Heute darf‘s oben ohne sein, Herr Tamm (später, beim Foto-Termin, dann wieder mit). Offensichtlich geht es in der Welt der Hafenunternehmer gemeinhin weniger leger zu.
Ohne weißes Oberhemd verlässt Tamm sein Haus selten. Als Chef der 1999 von ihm gegründeten Continental Chartering kümmert sich der Makler um Containerschiffe. Die exklusive Flotte, die je nach Auftrag gebucht wird, umfasst rund 30 Ozeanriesen. Um einzelne Container kümmert sich die Firma mit drei Mitarbeitern nicht: „Wir machen nur ganze Schiffe.“
Vater eröffnete 2008 Internationales Maritimes Museum
Auch auf seinen weiteren Geschäftsfeldern hat der gebürtige Berliner mit Hamburger Seele keine kleinen Fische an der Angel. Seine Verlagsgruppe, die Tamm Media, vereint mehrere Buch- und Zeitschriftenverlage. Und das Internationale Maritime Museum zählte vor der Pandemie zu den touristischen Magneten der Hansestadt. Die Institution in der HafenCity wurde 2008 von seinem gleichnamigen Vater eröffnet. Daher firmiert der Junior als Peter Tamm jr. Das war so, und das bleibt auch nach dem Tod des Seniors im Dezember 2016 so.
Beide sehen sich äußerlich verblüffend ähnlich. „Auch seine DNA ist rübergesprungen“, sagt Peter Tamm. Gemeint ist ein außerordentliches Faible für die weite Welt der Schiffe. Für den Sohn ist es eine Frage früherer Vereinbarung und familiärer Würde, das Vermächtnis seines Vaters fortzuführen. Der Einsatz für die Museumsstiftung erfolgt ehrenamtlich. Im Kaispeicher B an der Koreastraße werden Exponate und Erinnerungsstücke aus drei Jahrtausenden Seefahrtsgeschichte präsentiert oder archiviert. Es ist ein maritimer Erinnerungsschatz einmaliger Güte.
Marotten des Seniors sind legendär
Unbezahlbar ist auch ein kleines Flaggschiff mit dem Namen „Tamm 1“ am Bug. Diese Miniatur eines Küstenmotorschiffs aus dem Alten Land schenkte Mutter Margarethe ihrem Sohn Peter Tamm 1934. Der sechsjährige Buttje war erkrankt und beschloss ob dieses Genesungsbeitrags spontan: „Ich möchte Admiral werden“. Zwar wurde daraus dann der langjährige Vorstandsvorsitz des Springer-Verlages; der Bazillus Seefahrt jedoch blieb ebenso wie die Sammelleidenschaft.
„Ich habe beides geerbt“, sagt der Junior trocken. Und die Verantwortung dazu. Den Mann zeichnet ein umgängliches, fröhliches Naturell aus. Ähnlich wie der im Alter von 88 Jahren verstorbene Senior gilt Peter Tamm jr. als kernige Type.
Die Marotten seines Vaters sind legendär. Tag für Tag ließ dieser sich eine frisch geschnittene Baccara-Rose auf den Schreibtisch stellen. Im Garten seiner Villa an der Elbchaussee positionierte er historische Kanonen, die einst Lord Nelson abfeuern ließ. Und selbst im hohen Alter genehmigte der lebensfrohe Senior sich vor dem Lunch einen Manhattan-Cocktail: halb Canadian Club Whiskey, halb roter Martini, ein Spritzer Angostura, Eis, eine Kirsche. Dazu eine Zigarre der Marke Montecristo 3 – und der Tag war sein Freund.
Tamm: „Die Elbe ist meine Heimat“
Der Junior favorisiert tagsüber schwarzen Kaffee ohne alles. Er ist Nichtraucher. Alkohol kommt nur selten ins Glas. Dafür sorgen andere Rituale für Würze. Peter Tamm ist Mitglied im Norddeutschen Regatta Verein. An der Elbe liegt sein „Rib“, ein Schlauchboot mit festem Rumpf. Von einem 100 PS starken Außenbordmotor angetrieben, kommt man damit mächtig auf Touren.
Während der Kindheit und Jugend war davon nicht zu träumen. Hand in Hand mit Kumpels aus Schule und Nachbarschaft zimmerte Peter Boote zusammen. In Vaters Garage an der Elbchaussee waren ausreichend Holzkisten gestapelt. Darin trafen Sammlerstücke aus aller Herren Länder in Othmarschen ein. Ein geniales Baumaterial.
„Die Elbe ist meine Heimat“, sagt Peter Tamm. Den Geburtsort Berlin empfindet er in diesem hanseatischen Zusammenhang nicht als Makel. In der heutigen Hauptstadt war die Zentrale des Axel Springer Verlags zu Hause. Fünf Jahre nach seiner Geburt zog die Familie Tamm wieder dorthin, wo die Wurzeln sich befinden: nach Hamburg. An Bord waren 1972 neben Sohn Peter drei ältere Schwestern. Mutter Ursula, aktuell 87 Jahre alt, lebt in Hamburg. In Elbnähe.
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In Tamms Familie fuhren schon viele zur See
Die Vorfahren kamen im 17. Jahrhundert aus Schweden. Aus Chroniken geht hervor, dass im seinerzeit schwedischen Stade ein Martin Tamm Kommandant des Frachtseglers „Wappen von Hamburg 5“ war. Die Tamms verfuhren nach bewährtem Prinzip des Nordens: Der Älteste erbt den Hof und wird Landwirt, die anderen fahren zur See. Anfang des 20. Jahrhunderts ließ sich Emil Tamm, Vater von Peter Tamm sen., als Versicherungskaufmann in Hamburg nieder. Während des Ersten Weltkriegs war er auf einem U-Boot im Einsatz.
Sein Enkel Peter Tamm jr. absolvierte nach dem Abitur und der Wehrpflicht bei der Marine in Kiel eine Ausbildung zum Schifffahrtskaufmann in Reihen der Reederei Hamburg Süd. Im Auftrag des Traditionsunternehmens führte der weitere Berufsweg drei Jahre nach London und Rio de Janeiro. Unmittelbar vor der Jahrtausendwende gründete der Junior seine Schiffsmaklerei. Die Zusammenarbeit mit China funktioniere sehr verlässlich.
Begeisterung für Maritimes verband Vater und Sohn
Er legt Wert darauf, zu keiner Zeit „nur Sohn“ gewesen zu sein. „Meinen Vater konnte und wollte ich nicht kopieren“, sagt Peter Tamm. „Er war ohnehin einmalig.“ Folglich wollte er grundsätzlich auf eigenen Beinen stehen: „Ich habe immer mein Ding gemacht“. Er habe sich früh freigeschwommen. Und seine Firma habe er nicht geerbt, sondern selbst erarbeitet.
Neben der Familie verband beide ein offenes Visier auf Augenhöhe sowie die Begeisterung für Maritimes. Während sich die gigantische Sammlung seines Vaters als Geschenk an Stadt und Stiftung im Museum befindet, lässt sich Peter Tamm von Geschichtsbüchern und Gemälden in den Bann ziehen. Im Mittelpunkt steht aber auch hier stets das Wasser.
Internationales Maritimes Museum ist Besuchermagnet
2008 ergaben sich neue geschäftliche Freiräume. Tamm jr. gründete seine Verlagsgruppe. Die Mitarbeiter kümmern sich aktuell in mehreren Verlagen um die Schwerpunkte Schifffahrt, Rechtsvorschriften in einer Loseblattsammlung, Verteidigungspolitik sowie Bücher und Biografien. Die Büros befinden sich in Hamburg, Bonn und Berlin. Das etwa 800 Quadratmeter große Kontor in den Stadthöfen nahe dem Rödingsmarkt ist die maritime Bastion. Die Einrichtung passt ins Bild.
Ein bisschen sieht es in dem Neubau aus wie im Internationalen Maritimen Museum – nur erheblich kleiner. Nachdem der Betrieb während des Lockdowns abgeebbt war, nehmen die Besucherzahlen dort nun zu. In guten Jahren wurden mehr als 150.000 Besucher registriert. Das Gros von ihnen stammte von auswärts. „Hamburg kam durch unser Museum vor Corona im Schnitt auf 100.000 Übernachtungen jährlich“, sagt Peter Tamm.
Gemeinsamer Bootsbau mit dem Sohn
Als Freund klarer Kante macht er keinen Hehl daraus: Das Tamms Angaben zufolge 172 Millionen Euro teure künftige Hafen-Museum kommt ihm ungelegen. „Wir machen uns doch selber Konkurrenz“, murrt er. Nach der Pandemie müsse man umdenken – mehr denn je: „Hamburg ist großartig, aber nicht vergleichbar mit New York oder Shanghai.“ Außerdem bedaure er, „dass sich bis heute niemand bei uns gemeldet hat“. „Es ist ein unmögliches Verhalten meinem verstorbenen Vater gegenüber, der das maritime Museum mit privaten Mitteln aufgebaut hat“, meint Peter Tamm. Stil zeige man nicht nur in Kleidungsfragen.
Nach einem zweiten halben Brötchen und neuem Kaffee haben sich die Wogen geglättet. Hin und wieder Klarschiff mit offenen Worten sei angesagt. Wenn nicht in Hamburg, wo sonst?
Das Verhältnis zu seinem 17 Jahre alten Sohn bezeichnet Peter Tamm als „ganz besonders“. Ein gelungenes Vater-Sohn-Projekt waren die Arbeiten in einer Bootsbauwerkstatt in Halstenbek. Dort möbelten die beiden Männer binnen sechs Monaten einen fünf Meter langen Holpiraten auf. Diese klassische Jolle, 1960 auf der Werft Abeking & Rasmussen aus Mahagoniholz gebaut, ist ein Traum von einem Boot. Als familiäre Gemeinschaftsleistung dient sie jetzt für eine besondere Freizeitqualität. Elbe, Alster und Ostsee sind das Revier für Peter Tamm jr. und Sohn.
3 Fragen an Peter Tamm
1. Was ist Ihr wichtigstes persönliches Ziel für die nächsten drei Jahre?
Am meisten wünsche ich mir, dass die Familie, Freunde und Mitarbeiter stets gesund bleiben und die Krise unbeschädigt überstehen. Gerade in diesen Zeiten ist die Gesundheit unser höchstes Gut.
2. Was wollen Sie in den nächsten drei Jahren beruflich erreichen?
Ein stetiges und solides Wachstum des Unternehmens, mit Mut für die Zukunft. Für das Museum wünsche ich mir, dass es weiterhin krisenfest bleibt, die Besucherzahlen steigen und der Freundeskreis immer weiterwächst.
3. Was wünschen Sie sich für Hamburg in den nächsten drei Jahren?
Wieder Wachstum und Innovation. Als zweitgrößte deutsche Stadt muss Hamburg konkurrenzfähig und wahrnehmbar bleiben, gerade um den internationalen Tourismus zurückzugewinnen. Auch wünsche ich mir eine bessere Verkehrspolitik.