Hamburg. Frau und Töchter des Firmengründers führen das Fachgeschäft für Buddelschiffe in Winterhude fort – und pflegen die alte Seemannskunst.
Einen Tatterich kann man sich in diesem Beruf nicht leisten. Wer das Schiff behutsam durch den Flaschenhals in den Bauch bugsiert und dann die Segel fachgerecht aufrichtet, benötigt Fingerspitzengefühl. Ein Fall für Eda Binikowski. Auch wenn die gebürtige Philippinerin in den vergangenen Jahrzehnten Tausende Buddelschiffe vom Stapel laufen ließ, bleibt jede kleine Taufe ein Erlebnis – wenn der Korken aufgesetzt und mit rotem Siegellack befestigt ist.
Dass Frau Binikowski nahe dem Winterhuder Marktplatz eines der führenden Fachgeschäfte für maritime Produkte betreibt, krönt eine spannende Geschichte. Hand in Hand mit ihren drei Töchtern führt sie das vor 45 Jahren von ihrem verstorbenen Ehemann gegründete Unternehmen.
Der Name des Geschäfts ist Programm
Der Name des Geschäfts ist Programm: „Buddel-Bini“. Die vier Frauen schaffen es mit vereinten Kräften, wirtschaftlich anständig über die Runden zu kommen. Zudem halten sie das Vermächtnis des Gründers in Ehren. Neben dem Laden und dem Namen gehört eine Sammlung außerordentlicher Buddelschiffe dazu.
Alles begann 1976. Nach einer Malerlehre und zwei Jahren beim Bundesgrenzschutz besann sich der Hamburger Jochen Binikowski auf die Faszination seines Großvaters. Dieser war früher unter Segeln auf den Ozeanen unterwegs und hatte ein Hobby mit nach Hause ge-bracht. Der Seebär im Ruhestand beherrschte die Seemannskunst, filigrane Buddelschiffe herzustellen.
Die ältesten der Schiffe in Glasgefäßen stammen aus der Zeit um 1760
Wenn Flaute herrschte, griffen die Matrosen zu dem, was an Bord ihrer Windjammer reichlich vorhanden war: Holz, Tauwerk, Stoff, leere Rumbuddeln. Die ältesten dieser Schiffe in Glasgefäßen stammen aus der Zeit um 1760. Wahrscheinlich handelte es sich um Geschenke für Admirale, Wirtschaftskapitäne oder Königshäuser, gefertigt von professionellen Modellmanufakturen. Mitte des 19. Jahrhunderts kamen erstmals durchsichtige Getränkeflaschen in den Handel. Fortan war das Hobby erschwinglich.
Jochen Binikowski machte es zum Beruf. 1976 eröffnete er in Eppendorf ein Ladengeschäft. Am Lokstedter Weg/Ecke Tarpenbekstraße bot der 23-jährige Kaufmann Buddelschiffe aus eigener Produktion an. Nach und nach keimte die Idee, mehr daraus zu machen. „Bini“ ließ die Modelle handgearbeitet in Asien herstellen – erst in Thailand, anschließend auf den Philippinen.
Der Vater war Grundschuldirektor
Es passte prima, dass ein Kumpel aus Hamburger Jugendzeiten in der Hauptstadt Manila lebte. Der Besuch dort brachte doppelt Glück. „Bini“ lernte bei seinem Freund im Januar 1980 das 18 Jahre alte Hausmädchen Eda kennen und lieben. Ihre Eltern und zwölf Geschwister lebten in der Kleinstadt Tigaon am Golf von Lagonoy. Der Vater war Grundschuldirektor. Man verstand sich erstklassig. Der Hamburger heuerte mehrere philippinische Großfamilien zur Herstellung seiner Schiffsmodelle an. Parallel gründete er vor Ort ein Landwirtschafts- und medizinisches Hilfsprojekt.
Auch privat ging’s gut voran. Am 4. Juni 1981 feierten Eda und Jochen Binikowski in Hamburg Hochzeit. Nach und nach kamen drei Töchter zur Welt: Melanie, Jennifer und Sarah Jane. Heutzutage sind sie verheiratet und haben teilweise Kinder. Sie sprechen perfekt Deutsch und gebrochen Philippinisch. Das Trio wuchs quasi zwischen Buddelschiffen auf.
Boomte das Geschäft anfangs, brachten billige Massenproduktionen aus China den Markt alsbald zum Beben. „Zum Glück hatte ich einen Teil der Kohle in eine Eigentumswohnung investiert“, schrieb Jochen Binikowski in seinen Lebenserinnerungen, „sonst hätten wir unter den Elbbrücken hausen müssen.“
Zwei entscheidende Weichenstellungen
Mit zwei entscheidenden Weichenstellungen manövrierte er das Geschäft dauerhaft in die Gewinnzone. 1998 startete er den Internethandel. In Eigenregie. Außerdem weitete er das Angebot aus. Je nach Saison kamen Kleidungsstücke wie Wetterjacken, Seemannspullover, Kapitänsmützen und maritime Souvenirs hinzu. Aktuell bringen Buddelschiffe nur noch rund ein Fünftel des Umsatzes. Und etwa 70 Prozent der Einnahmen werden durch Verkäufe via Internet erzielt. Firmen wie Lufthansa, Hanse-Merkur oder auch der HSV orderten größere Stückzahlen. Personalisiert, mit passender Flagge zum Beispiel.
2012 zog „Buddel-Bini“ in ein 175 Quadratmeter großes Ladengeschäft an der Barmbeker Straße/Ecke Dorotheen-straße. Als der Firmengründer im Februar 2016 an Leukämie verstarb, bewährte sich der Zusammenhalt. Ehefrau Eda und die drei Töchter übernahmen das Kommando.
Beeindruckende Fingerfertigkeit
„Eigentlich erledigt jede alles“, sagt Melanie, mit 39 die älteste der Kinder. Im Prinzip hat sich diese Aufgabenteilung ergeben: Während Melanie sich um den Verkauf im Laden sowie um die Buchhaltung kümmert, sind die 30 und 34 Jahre alten Schwestern für Onlinehandel zuständig. Aus einem Büro mit Lager in Schnelsen wird der Versand gesteuert. Mutter Eda unterstützt im Laden und ist in der Werkstatt die Chefin. Ihre Fingerfertigkeit beim Herstellen der Buddelschiffe ist in vier Jahrzehnten bestens trainiert.
An der Werkbank im hinteren Teil des Ladens zeigt Frau Binikowski verschiedene Techniken und Werkzeuge. Erst wird eine Seite der Flasche mit hell-blau gefärbtem Fensterkitt gefüllt. Mit feinen Pinselstrichen zeichnet sie Wellen darauf. Anschließend wird das Schiffsmodell in die Buddel geschoben und mit geübtem Griff zur Entfaltung gebracht. Masten mitsamt Takelage zieht sie mit einem Faden in die Höhe. Man sieht, dass ihr die Arbeit Freude macht. Es gibt Miniflaschen, Flachmänner, Weinpullen oder große Apothekergläser. Mit ein paar Euro geht es los. Solide Handarbeit hat einen höheren Preis.
Das Treffen mit den vier Frauen in ihrem maritimen Paradies ist von guter Laune begleitet. Jochen Binikowskis Vermächtnis kann sich sehen lassen. Auch in Glasvitrinen. Dort ist ein Teil der alten Sammlung zu bewundern, die bis 2011 im „Buddelschiff-Museum“ im Schulauer Fährhaus in Wedel untergebracht war. Darunter befindet sich ein Modell in einer Flasche der Schnapsmarke „Burhenne“. Gebastelt wurde es 1969 vom damals 16-jährigen „Bini“. Im Schulunterricht. Aus etwas Kleinem entstand seitdem etwas richtig Großes.