Hamburg. Zwei beliebte Klassiker und einen Geheimtipp für Gourmets auf der Suche nach Authentizität stellt Gerd Rindchen heute vor.
Wenn man es sich zur Aufgabe gemacht hat, kulinarische Empfehlungen im Großstadtdschungel herauszufiltern, gehört es meines Erachtens zur Chronistenpflicht, sich auch mit den eher schlichteren Grundbedürfnissen der meisten von Ihnen zu befassen.
Dazu zählt zweifellos die preiswerte, dennoch gute Einkehr zur Mittagszeit – möglichst noch im einstelligen Preisbereich. Drei völlig unterschiedliche, handverlesene Möglichkeiten dazu in Hamburg stelle ich Ihnen heute vor.
Der Klassiker: Bratwurst-Schaschlik vom Imbiss bei Schorsch
Beginnen wir mit einem Klassiker: dem Bratwurst-Schaschlik vom Imbiss bei Schorsch am Neuen Pferdemarkt. Dieser in seiner majestätischen Schlichtheit kaum zu übertreffende, winzige Imbissschlauch wurde vor über 50 Jahren vom legendären Georg „Schorsch“ Karkosch begründet, der den Stab 1991 an Ingrid und Arthur Hunger (sic!) weiterreichte, bis diese vor etwa drei Jahren an den jetzigen Besitzer übergaben.
Geändert hat sich in dieser Zeit nahezu: nichts. Seit rund 40 Jahren, als ich erstmals darüber berichtete, habe ich bundesweit versucht, eine bessere oder zumindest gleichwertige Currywurst zu bekommen. Allein, vergebens – hier wird der glückvolle Inbegriff dieses Klassikers serviert: Die besonders hochwertige, imposante Kalbsbratwurst vom regionalen Schlachter, à point gebraten und serviert in den Versionen „Normal“, „Scharf“ und „Extra scharf“, wird geadelt durch die köstliche, legendäre hausgemachte Tomatensauce nach dem streng gehüteten Geheimrezept aus den 60er-Jahren (3,50 Euro).
Neumodische Verirrungen wie Fritteusen werden hier strikt abgelehnt, weshalb es als Beilage auch keine Pommes, sondern ausschließlich den hausgemachten Kartoffelsalat nach Ingrid Hungers Originalvorgabe gibt (2,90 Euro). Beliebt bei den Heavy Usern ist hier vor allem die Kombi „Currywurst und Schaschlik“, denn das täglich frisch produzierte Schaschlik vom benachbarten Schlachthof (3,70 Euro), wahlweise mit und ohne Speck lieferbar, ist ebenfalls von erlesener Güte.
Dazu passt ein kühles Bier, am besten Jever, oder die one and only Anjola Ananasbrause, einst in der Originalversion von 1952 ein schlichtes süßes Gesöff mit Ananasschnipseln, neuerdings verdienstvollerweise als „Ananas und Limette“ in Bioqualität von Fritz-Kola-Gründer Mirko Wiegert liebevoll und äußerst lecker wiederbelebt (je 3 Euro).
Wirklich guter Döner in Niendorf: das Tibarg Kebap Haus
Zu den verkanntesten Delikatessen zählt auch ein wirklich guter Döner. Meinen Hamburger Top-Favoriten habe ich an einer eher unvermuteten Ecke gefunden, nämlich im insgesamt sehr empfehlenswerten Tibarg Kebap Haus am Zob in Niendorf. Das ist zwar vom Ambiente her ein recht schlicht gehaltenes Schnellrestaurant, hier wird aber täglich und mit sehr ansehnlichen Zutaten frisch gekocht. Türkische Hausmannskost auf hohem Niveau.
Der klassische Döner im Fladenbrot mit Kalbfleisch, frischem Salat und scharfer Sauce ist saftig, aromatisch knackig und einfach perfekt (5 Euro). Ein absolut erstaunliches Preis-Genuss-Verhältnis bieten die täglich wechselnden Mittagsgerichte: Für schlanke 7 Euro kommen so ansehnliche Kreationen wie geschmortes Kalbsragout mit Auberginen und Tomaten auf den Teller oder in die Mitnahmebox, und die Portionen sind eindeutig auf körperlich hart arbeitende Werktätige (m/w/d) zugeschnitten.
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Geheimtipp am Großneumarkt: Authentisch chinesisch am Großneumarkt
Den wohl spannendsten und geheimsten aller Geheimtipps habe ich jedoch in Großneumarktnähe für Sie entdeckt: Hier wirkt im recht gut sortierten kleinen Weinladen Die Weingaleristen mit Meiqin Kuang, eigentlich studierte Musikwissenschaftlerin, eine überaus talentierte chinesische Herdartistin, die werktäglich zur Mittagsstund (12 bis maximal 15 Uhr) authentische kleine Köstlichkeiten aus ihrer Heimat auftischt.
Maßstäbe setzen ihre hauchzarten, aromensatten Wan Tans, gefüllte chinesische Teigtaschen, die entweder original scharf im Szechuan Style (mein Favorit), europäisch gezähmt im Shanghai Style oder angerichtet in einem ungemein wohlschmeckenden, umamisatten und konzentrierten hausgemachten Hühnerfond serviert werden. Mir fällt aktuell nix ein, wofür ich lieber 9,80 Euro ausgeben würde. Veganer haben ihre Freude am hausgemachten Szechuan-Nudelsalat (7,80 Euro), eine echte Aromenexplosion bieten auch die Feuernudeln mit Schweinefleisch und Kräutern (8,90 Euro).
Zwei kleine Pferdefüßchen gibt’s allerdings: Alles wird frisch mit großenteils selbst importierten Zutaten und Kräutern zubereitet, deswegen geht’s nicht mittagspausentypisch zack, zack zur Sache, sondern man muss ein wenig Zeit mitbringen. Und: Die Kapazität ist ob der aufwendigen Rezepturen auf allenfalls 20 bis 25 Gerichte pro Tag begrenzt. Wer sicher sein will, noch was abzukriegen, sollte reservieren.
Und wie verschlägt es eine solche Köchin, Nichte eines der renommiertesten chinesischen Küchenchefs, an den Großneumarkt? Der Liebe wegen, Gemahl Torge Thies ist der Patron der Weingaleristen. Daher gibt’s hier auch zu den Wan Tan für moderate 4,80 Euro ein 0,2-l-Glas Riesling oder Müller von einem der renommiertesten Weingüter der Pfalz oder einen sehr ansehnlichen Weißburgunder aus Rheinhessen. So lässt sich’s aushalten.