Hamburg. Die Elbinsel gehört zu einem einzigartigen Naturschutzgebiet – mit wunderbarem Sandstrand. Die Anreise hat aber ihre Tücken.
Ob sich auf dieser Insel früher tatsächlich Schweine im Elbsand suhlten? Dass heutzutage auf Schweinesand bisweilen die Sau los ist, liegt nicht nur an den drei Wildschweinen, die jüngst auf der Inselkette vor Blankenese gesichtet wurden. Das vitale Trio hat ein Teil des Eilands Nesssand „auf links gedreht“. Vereinzelt gibt es Menschen, die sich ähnlich verhalten.
Um sich ein Bild von einem grandiosen Naturparadies zu machen, muss man findig sein – oder ein Boot besitzen. Am besten mit Motorantrieb, denn der Schiffverkehr zwischen dem Falkensteiner Ufer und dem Alten Land ist tückisch. An wenigen Stellen von Schweinesand ist das Anlanden gestattet. Manche nennen das Eiland auch „Schweinsand“. In jedem Fall klare Regel: Der Strand darf betreten werden; das Grünland inmitten Schweinesands ist ebenso tabu wie die fast acht Kilometer lange Insel Nesssand.
Naturschutzgebiet von Stadt Hamburg betreut
Dieses einmalige Naturschutzgebiet wird von der Stadt Hamburg betreut. Seeadler sind hier zu Hause, Bussarde, Dachse, Marderhunde und eine Vielfalt an Vögeln und Insekten. In der Nähe leben Seehunde und Kegelrobben.
„Paradiesische Verhältnisse in Hamburg“, sagt Inselwart Uwe Florin an Bord des städtischen Kajütbootes „Ness“. Das 7,5 Meter lange und 2,5 Tonnen schwere Schiff bringt uns aus dem Rüschkanal in Finkenwerder nach Schweinesand. Das Anlegen dort ist ein Meisterstück – minuziös getaktet im Wasserspiel zwischen Elbe und Flut. Kurz vor der Insel stellt Florin den 150 PS starken VW-Motor aus. Sachte berührt der Stahlkiel den Elbgrund. Eine Frage der Geduld, bis die Ebbe es uns ermöglicht, von Bord zu klettern und durchs schlammige Watt zum Inselufer zu laufen.
Steuerbords Blankenese, backbords Cranz
Es ist ein Bild für Götter und Liebhaber des Nordens: steuerbords das hügelige Blankenese, backbords der Stadtteil Cranz. Und eingebettet in der an dieser Stelle etwa 400 Meter breiten Elbe die unberührte Inselwelt. Elbabwärts gehört Hanskalbsand dazu. Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein teilen sich die Länderhoheit. Für das kilometerlange Naturschutzareal ist Hamburg zuständig.
Die Wartezeit gibt Gelegenheit, Uwe Florins Aufgabengebiet zu ergründen. Der 56-Jährige wuchs in Bahrenfeld auf. Heute wohnt er vor den Toren der Stadt. Das Schwimmen lernte er in der Elbe, am Falkensteiner Ufer. Mit Blick auf Schweinesand und Nesssand. „Dass ich dort einmal als Ranger im Einsatz sein darf, hätte ich nicht zu träumen gewagt“, sagt Florin. Jeder Tag auf dem geschützten Eiland Nessand erscheine ihm wie ein „Privileg“. Er ist dankbar für Einblicke in das größte Süßwasserwatt Europas.
Tiere schwimmend in Strommitte gelangt?
Privat fotografiert er mit speziellen Objektiven, manchmal in einem Tarnzelt versteckt. Neulich kam ihm ein Reh vor die Linse, das den Priel zwischen Nessand und Schweinesand überquerte. Es ist ein Wunder, wie Wildschweine, Wachbären, Marderhunde und andere Landtiere in die Strommitte gelangt sind. Wahrscheinlich schwimmend, durch die Hahnöfer Nebenelbe. Vielleicht auch notgedrungen bei einer Sturmflut?
Uwe Florin kontrolliert den Anker. Das Wasser nimmt weiter ab. Gleich können wir los. Muße für einen Berufsweg im Sauseschritt: Garten- und Landschaftsbau gelernt, Fach-Agrarwirt, mehrere Jahre Klettern bei der Baumpflege, seit 2009 im Dienst der Stadt. Seit drei Jahren kümmert er sich mit drei Kollegen im Auftrag des Landesbetriebs Straßen, Brücken und Gewässer um den Schutz der Bäume auf Baustellen. Aktuelles „Baby“ ist der Komplettumbau der Elbchaussee.
Manche nennen Florin Inselwart, andere Ranger
Vor vier Jahren nutzte der grünbegeisterte Naturfreund die Gunst der Stunde. Seitdem ist er im Nebenjob offiziell fünf Stunden je Woche als Naturschutzwart auf Nesssand im Einsatz. Manche sagen „Inselwart“ dazu, andere Ranger. Während der Saison verbringt Florin jedes zweite Wochenende auf der Station. Er wundert sich über gar nichts mehr. In der Regel reagieren Bootsbesitzer und paddelnde Touristen verständnisvoll auf die Ansage: „Leute, hier bitte nicht.“ Muss man verstehen, warum der Katamaran nach Helgoland mit Hochgeschwindigkeit an den Elbinseln vorbeiprescht – und die Natur in Wallung versetzt?
„Kann losgehen“, ruft der Ranger. Runter vom Schiff, ab durchs nur noch knietiefe Watt, rauf auf den Strand von Schweinesand. Erst Kies, Steine, Muscheln, dann wunderbarer, weicher Sand. An diesem Nachmittag Mitte Juli gehört die Insel nur uns. Und allem möglichen Getier. Üppig gedeihen Gräser, Schilf, Weiden und Pappeln. Ein Dorado für seltene Enten, Fisch- und Vogelarten. Uwe Florin, ein uriger, aufgeschlossener Begleiter, entwickelt Höchstform. Begeistert schildert er seine Leidenschaft für den Schutz der Natur.
Inselwelt durch Elbvertiefung entstanden
Im Laufe der Jahrzehnte entstand die Inselwelt durch Ausbaggern der Elbe und Sandaufhäufungen. Einerseits soll Schweinesand ein Geheimtipp bleiben. Andererseits wächst durch Information das Bewusstsein: Mensch, halte dich zurück. Und wenn du anlandest, verhalte dich bitte anständig.
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Libellen schwirren, Vögel zwitschern, Insekten zirpen, Pflanzen wuchern. Das Wasser glitzert. Ein Hauch von Karibikflair inmitten der Elbe. Majestätisch zieht ein Ozeanriese Richtung Elbmündung. Uwe Florin blickt zur Uhr. Zurück zum Dienstboot. Ab 16.20 Uhr läuft das Wasser wieder auf. Dann hebt es die „Ness“, gibt sie frei für die Elbe. Zurück Richtung Rüschpark. Und vorbei an einer Sandbank, die im Blankeneser Volksmund „Sherry Island“ genannt wird. Lebenskünstler des Mühlenberger Segel-Clubs, heißt es, pflegten dort stilvoll den Sonnenuntergang zu genießen. Bei einem Gläschen Sherry. Vielleicht machen sie es heute noch so. Wenn sie schlau sind.