Hamburg. 100. Geburtstag: Der ehemalige Universitäts-Präsident Peter Fischer-Appelt erinnert an den studentischen Widerstandskämpfer.
„Erhebet Eure Häupter darum, dass sich eure Erlösung naht“. Mit diesem Fanal unbeugsamen und getrosten Widerstands aus Lukas 21, V. 28 ging der Hamburger und Münchner Chemiestudent Hans Leipelt am 29. Januar 1945 aufs Schafott, um seinen Kopf unter das Fallbeil zu legen. Dass der Mensch sich zu aufrechtem Gang in die Senkrechte erhebt, ist das Signal seiner Freiheit und Verantwortung. Unser Gedenken am hundertsten Geburtstag von Hans Leipelt am 18. Juli vergewissert uns dessen, dass wir für Freiheit, Gerechtigkeit, Frieden als Grundlagen und Aufgabe der Demokratie persönlich eintreten müssen.
Hans Leipelt, in Wien geboren, hatte von seiner Mutter Dr. Katharina Leipelt geb. Baron drei Dinge übernommen: die jüdische Herkunft aus der alten Prager Rabbinerfamilie Löw, den protestantischen Glauben augsburgischer Konfession und die Leidenschaft für das Studium der Chemie. Sein Vater, aus Neiße an der Oder, römisch-katholisch, war Direktor der Zinnwerke Wilhelmsburg geworden. Hans Leipelt, überaus intelligent, machte mit sechzehn Jahren sein Abitur in Harburg, danach war er im Reichsarbeitsdienst am „Westwall“ und leistete zum Schutz der Familie freiwillig Wehrdienst in Polen und Frankreich.
Hans Leipelt floh von Hamburg nach München
Seit 1935 war die Familie Leipelt durch die Nürnberger Rassegesetze bedroht. So wurde Hans Leipelt, Inhaber des Eisernen Kreuzes II. Klasse, im August 1940 unehrenhaft aus der Wehrmacht entlassen. Er studierte drei Semester in Hamburg und floh 1942 unter das schützende Dach des Nobelpreisträgers Heinrich Wieland an die Münchner Universität. Doch die Verfolgung erfasste die ganze Familie.
Schon 1938 hatte sich der Bruder seiner Mutter, Otto Baron, nach einem Gestapo-Verhör das Leben genommen. Die Großmutter Hermine Baron geb. Löw wurde den Leipelts 1942 entrissen und in den Tod nach Theresienstadt deportiert. Wenig später starb der besorgte Vater an einem Herzinfarkt. Im Herbst 1943 wurden Hans und seine jüngere Schwester Maria verhaftet.
Fanal gegen Judenentehrung und Holocaust
Auch die Mutter Katharina wurde inhaftiert; sie nahm sich im Polizeigefängnis Fuhlsbüttel am 9. Dezember 1943 das Leben, wohl um der Deportation nach Auschwitz zu entgehen. Drei weitere Leidensgefährten aus dem Freundeskreis der Familie Leipelt wurden bis Kriegsende 1945 ermordet: Elisabeth Lange, Margarete Mrosek und Dr. Kurt Ledien.
In dieser endlosen Tragödie traf Hans Leipelt zwei Entscheidungen. Erstens: Er beschloss, gegen die menschenunwürdige Diskriminierung seiner jüdischen Herkunft und der Herkunft seiner mütterlichen Familie aufzustehen. Seinem Grundmotiv nach sind die nun folgenden Aktionen nicht allein der Protest gegen die Hitler-Diktatur, sondern ein Fanal gegen Judenentehrung und Holocaust.
Erbe der Weißen Rose in Hamburg weitergetragen
Zweitens: Hans Leipelt fasste gemeinsam mit seiner Freundin Marie-Luise Jahn den persönlichen, historischen Beschluss, dass die Hinrichtung von Hans und Sophie Scholl und von Christoph Probst nur eine Antwort nach sich ziehen konnte: Die Übernahme der Verpflichtung zur solidarischen Fortsetzung der Widerstandsaktion, selbst um den Preis des eigenen Todesrisikos.
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Sie verbreiteten die Flugblätter weiter mit dem Zusatz „Und ihr Geist lebt trotzdem weiter!“. Das war die Übernahme des Erbes der Weißen Rose in die Hamburger studentischen und weiteren Widerstandskreise. Es war nicht der Beginn von Opposition und Widerstand in Hamburg, denn die gab es längst auf vielfältige Weise. Aber es war die Begründung des Hamburger Zweigs der Weißen Rose.
Peter Fischer-Appelt war Präsident der Hamburger Universität von 1970 bis 1991. Der Theologe ist auch der Verfasser der Schrift „Weiße Rose Hamburg“, die zum 100. Geburtstag von Hans Leipelt im Wallstein Verlag (12 €) erschienen ist.