Hamburg. An der Königstraße sollen schon 2023 eine Grundschule und zwei Gymnasien eröffnen. Doch die Bauarbeiten haben nicht einmal begonnen.
Beim symbolischen Spatenstich im vergangenen September schien die Welt noch in Ordnung. Neben Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) ließ sich auch die französische Botschafterin Anne-Marie Descotes beim Sandschaufeln fotografieren.
Die Bauarbeiten für den neuen Schulcampus Struenseestraße, direkt neben der S-Bahn-Station Königstraße, schienen nun bald loszugehen. Descotes sprach von einem anspruchsvollen Projekt, ein Schild verkündete: „Gute Räume für gute Bildung, hier baut Schulbau Hamburg im Auftrag der Behörde für Schule und Berufsbildung.“
Neue Schulen für Hamburg geplant
Wie berichtet, sollen vor Ort eine Grundschule und zwei Gymnasien entstehen, darunter ein deutsch-französisches. Die Gesamtkosten: rund 82 Millionen Euro. Von einer „voraussichtlichen“ Fertigstellung im Sommer 2023 war die Rede – nicht nur beim Spatenstich.
Zurzeit baut vor Ort allerdings niemand. Seit Monaten bietet das eingezäunte, weitläufige Gelände zwischen König- und Struenseestraße das gleiche Bild: Tiefe Baugruben wechseln sich mit Sand- und Erdhaufen ab, ansonsten: Ödnis und Stillstand. Bauarbeiter und Maschinen sind so gut wie nie zu sehen, stattdessen hoppeln massenhaft Kaninchen herum. Dass das Projekt zurzeit stockt, ist offenkundig – doch warum?
„Wir brauchen die neuen Schulgebäude doch"
Das wollte auch die CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Anke Frieling wissen, die dazu eine schriftliche Anfrage gestellt hat. „Ich kann mir nicht erklären, warum Schulbau Hamburg den Planungs- und Zustimmungsprozess nicht abschließt und in einem Zuge durchbaut“, wundert sich Frieling.
„Wir brauchen die neuen Schulgebäude doch – je eher, desto besser.“ Die Politikerin verweist auf den starken Zuzug in die diversen Neubauareale des Bezirks. Da dabei immer wider betont werde, dass junge Familien das Zielpublikum seien, müssten auch entsprechende Schulangebote baldmöglichst vorgehalten werden, so Anke Frieling zum Hamburger Abendblatt.
Vergabeverfahren ist noch nicht abgeschlossen
Aus den Antworten des Senats auf die Anfrage ergeben sich nun vor allem zwei Gründe für die Verzögerung: Zum einen ist der eigentliche Bauauftrag an einen sogenannten Generalübernehmer noch gar nicht erfolgt. Dieses Vergabeverfahren stehe aber nach Auskunft des Senats „kurz vor dem Abschluss“.
Zum anderen fehlt noch eine Zustimmung zu den Ausgleichsmaßnahmen für die vielen gefällten Bäume vor Ort. Und: „Vor Baubeginn stehen noch einige restliche Baumfällungen an, weil sich das Bezirksamt Altona diese Zug um Zug wünscht und die restlichen Fällungen noch zu genehmigen sind“, erläutert Claudia Pittelkow von der Pressestelle der Schulbehörde gegenüber dem Abendblatt.
Hamburger Senat kann keine Auskunft geben
Eine Auskunft dazu, wann es vor Ort denn nun endlich losgeht, kann die Stadt nicht geben. In der Senatsantwort heißt es dazu: „Der Terminplan mit konkreten Angaben zu Baubeginn und Fertigstellung ist Bestandteil des Vergabeverfahrens.“ Erst nach dessen Abschluss seien „belastbare Aussagen“ zu Baubeginn und Fertigstellung möglich.
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„Ich finde das alles nicht nachvollziehbar“, sagt Anke Frieling. „Hier geht es um ein Prestigeprojekt auch des frühen Bürgermeisters Olaf Scholz, das uns allen sehr öffentlichkeitswirksam präsentiert wurde. Und nun?“ Frieling verweist auf eine behördliche Darstellung im Internet vom Mai 2018, in der zum Zeitplan Folgendes steht: „Ab Frühjahr 2019: Planungsphase, Abriss und Räumung des Grundstücks, Bauphase.“ Die Politikerin ist skeptisch: „Dass der Schulcampus 2023 wirklich seine Tore öffnet, wird jeden Tag unwahrscheinlicher“, sagt Frieling, das sei angesichts des Stillstands eher unrealistisch. Und wörtlich: „Außer vielen glücklichen Kaninchen sehe ich auf dem Gelände zurzeit überhaupt nichts.“
Kritik kommt auch von Elternvertretern
Doch die Kritik geht noch weiter. Denn zwei Schulen, die zuvor am Standort Struensee zu Hause waren, sind schon seit Beginn der Abrissphase ausgelagert: Die Grundschule an der Elbe arbeitet bereits seit 2018 am Übergangsstandort Carsten-Rehder-Schule, das Struensee Gymnasium am Schulstandort Wohlwillstraße.
Beide Schulen sollen eines Tages an den Standort Struenseestraße zurückkehren, wo sie dann – wann auch immer –, ergänzt um das deutsch-französische Gymnasium, den Schulcampus bilden werden. Doch schon die bisherigen Verzögerungen haben bei den Eltern des Struensee Gymnasiums für erhebliche Verstimmung gesorgt.
Neubau sollte eigentlich bis 2019 fertig werden
Der Elternrat kritisiert in einer im Internet abrufbaren Stellungnahme, dass den Eltern zunächst zugesagt worden war, dass der Neubau „bei laufendem Betrieb“ bis 2019 fertiggestellt werden solle. Erst im März 2018 erfuhren sie dann bei einer Informationsveranstaltung vom Landes-Schulrat, dass durch die aufwendige Erweiterung des Geländes zum Schulcampus der komplette vorübergehende Umzug in die Räume der Gewerbeschule Werft und Hafen an der Wohlwillstraße nötig sei.
Letztlich unvorbereitet sei der ganze Schulbetrieb ausgelagert worden – mit den entsprechenden Belastungen für alle Beteiligten. Die Eltern akzeptierten die Situation schließlich notgedrungen und machten, wie auch alle anderen, den Umzug mit viel Engagement mit. Unter anderem müsse von vielen Kindern nun ein weiterer Weg in Kauf genommen werden, wird kritisiert, noch dazu in einer verkehrsreichen Gegend.
Hamburger Eltern stellen Schulbehörde zur Rede
Aktuell gehen die Eltern von einem Rück-Umzug an den alten Standort im Sommer 2023 aus. Zu einem Fragenkatalog, den sie an die Schulbehörde gerichtet haben, gehört unter anderem: „Was planen Sie für den Fall, dass der Neubau des Struensee Gymnasiums nicht bis zum Beginn des Schuljahre 2023 /24 bezugsfertig ist?“
Die Antwort auf diese Frage ist weiterhin offen.