Hamburg. Für insgesamt 82 Millionen Euro entstehen auf dem Campus Struenseestraße noch ein weiteres Gymnasium und eine Grundschule.
Es ist eine Baustelle auf historischem Grund, auf bildungshistorischem Grund zumal: Im Herzen des alten Altona zwischen Königstraße und Struenseestraße, wo im 18. Jahrhundert der erste Bau des Christianeums errichtet wurde, sollen jetzt gleich zwei Gymnasien und eine Grundschule entstehen – der Schulcampus Struenseestraße.
Besondere, internationale Bedeutung hat die Gründung des Deutsch-Französischen Gymnasiums, das als nunmehr staatliche Einrichtung aus dem privaten Lycée Français in Lokstedt hervorgeht. Zum symbolischen Spatenstich für den Neubau auf dem Baufeld an der Struenseestraße war die französische Botschafterin Anne-Marie Descôtes nach Hamburg gekommen. „Hamburg ist das Tor zur Welt und seit Langem auch ein Tor zu Frankreich“, sagte die Botschafterin und erinnerte an die seit 1958 bestehende Städtepartnerschaft Hamburgs mit Marseille. Zudem sei die Stadt einer der großen Standorte der Airbus-Produktion, was dazu führe, dass viele Franzosen in Hamburg arbeiteten.
Gymnasium ist erst das vierte seiner Art
Das Deutsch-Französische Gymnasium ist erst das vierte seiner Art – nach Standorten in Freiburg/Breisgau, Saarbrücken und Buc bei Paris. „Das Hamburger Gymnasium ist das erste auf deutscher Seite, das nicht in der Grenzregion liegt“, betonte Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD). Die Planungen reichen mehrere Jahre zurück. Tschentscher und sein Vorgänger Olaf Scholz (SPD) hatten sich für das Projekt vor allem von 2015 bis 2018 eingesetzt, als zunächst Scholz und dann Tschentscher das Amt des „Bevollmächtigten der Bundesrepublik Deutschland für kulturelle Angelegenheiten im Rahmen des Vertrages über die deutsch-französische Zusammenarbeit“ innehatten.
Projekte wie das Deutsch-Französische Gymnasium erfüllen für Tschentscher den Elysée-Vertrag mit Leben. Die Partnerschaft zwischen den beiden Staaten sei Fundament und Motor der europäischen Einigung. „Das Erlernen der jeweils anderen Sprache fördert das tiefere Verständnis füreinander. Dafür braucht es einen ersten Anschwung, den die Schule geben kann“, sagte Tschentscher. „Ich freue mich sehr, die Idee, ja die Vision einer gemeinsamen schulischen, beruflichen und akademischen Bildung zur Realität zu machen.“
Baukosten für das Gymnasium übernimmt Hamburg
Tschentscher wies darauf hin, dass die Zahl der Schülerinnen und Schüler, die Französisch lernen wollen, in den vergangenen Jahren zurückgegangen ist. Zurzeit lernen 24.760 Hamburger Schüler die Sprache des Nachbarlandes. Das ist nur Platz drei nach Englisch (185.031 Schüler) und Spanisch (31.606).
Das Deutsch-Französische Gymnasium führt zum zweisprachigen Abitur, das in beiden Staaten anerkannt wird. „Es ist ein anspruchsvolles Bildungsprojekt. Hier werden zwei Bildungstraditionen, zwei Schulsysteme zusammengeführt“, sagte Botschafterin Descôtes, die früher als Deutschlehrerin gearbeitet hat. Frankreich unterstützt die Schule durch die dauerhafte Entsendung von 16 Lehrkräften, deren Stellen von den französischen Steuerzahlern finanziert werden. Die Baukosten für das Gymnasium – zwischen 25 und 30 Millionen Euro – übernimmt Hamburg.
Wachsender Populismus
„Das Deutsch-Französische Gymnasium kommt genau zum richtigen Zeitpunkt“, sagte Außenstaatsminister Michael Roth (SPD), dessen Videobotschaft aus Berlin eingespielt wurde. In einer Zeit des wachsenden Populismus sei das Aufeinanderzugehen elementar wichtig.
Bis zur voraussichtlichen Fertigstellung des Neubaus im Sommer 2023 läuft der Schulbetrieb, der am 1. August aufgenommen worden ist, am Standort des Lycée Français in Lokstedt. „Das Gymnasium ist drei- bis vierzügig geplant“, sagte Schulleiter Torge Lorenzen dem Abendblatt. Derzeit entstammen rund 30 Prozent der Schülerschaft französischen Familien, die befristet in Hamburg leben. Weitere 60 Prozent kommen aus deutsch-französischen Familien oder Familien mit besonderem Frankreich-Bezug. „Wir verstehen uns nicht als Eliteschule, unsere Schule steht allen offen“, betonte Lorenzen.
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Die Schulbauplanungen am Standort Struenseestraße – die Baukosten belaufen sich insgesamt auf 82 Millionen Euro – hatten in den vergangenen Jahren zu Protesten geführt. Zunächst sollte das ebenfalls neu gegründete Struensee-Gymnasium einen Teil der Gebäude der inzwischen abgerissenen Haupt- und Realschule Königstraße weiternutzen.
Die Neuplanung eines Schulcampus unter Einbeziehung des Deutsch-Französischen Gymnasiums ist die großzügigere Lösung, aber sie bedeutet für die Struensee-Gymnasiasten, dass sie vier Jahre lang in dem Provisorium der früheren Berufsschule an der Wohlwillstraße (St. Pauli) unterrichtet werden. Bedenken hatte es zunächst auch aufseiten der Eltern der Schüler des Lycée Français hinsichtlich der Standortverlagerung von Lokstedt nach Altona gegeben.