Hamburg. Fällt die Terminvergabe im Impfzentrum schon nächste Woche? Wie die Impfkampagne weitergeht, wenn die Messehallen schließen.

Die Datenlage ist dünn, es gibt noch keine offizielle Empfehlung – doch die Frage einer dritten, einer Auffrischungs-Impfung gegen das Coronavirus beschäftigt in Hamburg bereits Ärzte und Politik. Die Ersten, die überhaupt geimpft wurden, wären auch als Erste erneut dran: Pflegeheimbewohner, Betagte und Ärzte sowie medizinisches Personal.

Die Sorge vor der Delta-Variante erhöht den Druck. Der Impfstoffhersteller Biontech brachte eine Auffrischungsspritze sechs Monate nach der zweiten ins Gespräch. Wie der Sprecher der medizinischen Leitung im Impfzentrum, Dr. Dirk Heinrich, sagte, würden in Fachkreisen ebenso neun und zwölf Monate diskutiert. Robert-Koch-Institut und Ständige Impfkommission haben sich noch nicht genau positioniert.

Hamburger Impfzentrum schließt am 31. August

Impfarzt Heinrich wies darauf hin, dass jeder Impfstoff eine eigene Zulassung für den dritten Piks benötige. „Dafür brauchen wir dann kein Impfzentrum mehr“, so Heinrich. Das heißt: Wenn am 31. August die Messehallen schließen, impfen Haus- und Fachärzte weiter. Der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung (KV), Walter Plassmann, sagte: „Die Bewohner der Heime können von den sie betreuenden Ärzten geimpft werden oder – wie auch schon heute – von den mobilen Teams. Diese Teams werden auch nach dem 31. August arbeiten.“

Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD).
Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD). © THORSTEN AHLF / FUNKE FOTO SERVICES

Ein Sprecher der Asklepios Kliniken sagte, man werde den Beschäftigten eine Impfung wieder in den Krankenhäusern anbieten, wenn sie nötig werde. „Dies setzt natürlich voraus, dass uns der hierfür erforderliche Impfstoff zur Verfügung gestellt werden kann.“

Fünf Prozent "harte Impfverweigerer" in Hamburg?

Hamburg könne es „mit viel, viel Anstrengung“ schaffen, 80 Prozent der Bevölkerung zu impfen, sagte Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD). 60 Prozent seien erreicht. Es gebe weniger Impf­gegner als in süddeutschen Großstädten. Leonhard schätzte den Anteil der „harten Impfverweigerer“ auf fünf Prozent.

KV-Chef Plassmann bestätigte, dass es Gespräche mit der Sozialbehörde darüber gebe, ob man im Impfzentrum ohne Termin geimpft werden könne. Nach Abendblatt-Informationen hatten sich Ärzte aufgrund der versprochenen Impfstofflieferungen dafür eingesetzt, das Terminsystem in den Messehallen aufzugeben, um schnell mehr Menschen zur Immunisierung zu bewegen. Das sei in kurzer Zeit umsetzbar, hieß es.

Die wichtigsten Corona-Themen im Überblick

Sie nennen es Tag der offenen Tür oder auch „Open House“: Um die Impfbereitschaft der Bürger zu erhöhen, haben einige Impfzentren in Deutschland zumindest zeitweise auf eine Terminvergabe verzichtet und laden freimütig zur Immunisierungsspritze ein. In norddeutschen Großstädten war das zum Beispiel in Hannover oder Flensburg der Fall.

Impfen ohne Termin? So könnte es gehen

Die anhaltend gute Versorgung mit Impfstoffen führt dazu, dass es aktuell mehr Spritzen als Impfwillige gibt. Hamburg mit seinem zentralen Impfzentrum in den Messehallen ist noch nicht so weit. Doch die Überlegungen zu offenen Toren und einem Wegfallen der für viele komplizierten Terminvergabe sind weiter gediehen als erwartet.

Das Impfzentrum Hamburg wird am 31. August geschlossen
Das Impfzentrum Hamburg wird am 31. August geschlossen © Marcelo Hernandez

KV-Vorstandschef Plassmann sagte dem Abendblatt: „Aktuell ist das Impfzentrum noch gut ausgelastet mit Zweitimpfungen aus der Zeit der ,Astra-Tage‘. Die Frage des ,Open House‘ könnte sich aber in der nächsten oder übernächsten Woche stellen.“

Schon die „Astra-Tage“ hatten gezeigt, dass die spontane Impfbereitschaft steigt, wenn es ein Angebot gibt, das besser als das geltende scheint. Drei Tage lang hatte das Impfzentrum im April noch in der Zeit der Priorisierung den Impfstoff von Astrazeneca für alle über 60 angeboten, die ihn wollten. Nun könnte ein Wegfallen der für viele noch immer komplizierten Terminvergabe die wankelmütigen Menschen ins Impfzentrum bringen, die noch nicht vor dem Coronavirus und einer möglicherweise gefährlichen Covid-19-Erkrankung geschützt sind.

Hamburg will zusätzliche mobile Impfteams in einzelne Stadtteile und an eigens dazu ausgewählte Orte bringen, um den Grad der „Durchimpfung“ zu erhöhen (das Abendblatt berichtete). Die Frage, warum man nicht wie in den USA verstärkt in Einkaufszentren oder an anderen belebten Orten impft, stellt sich so nicht.

Ärzte warnen vor „Spontan-Impfungen“

In Deutschland muss das Aufklärungsgespräch stattfinden, die Impfung dokumentiert werden – und die Immunisierung ist erst vollständig, wenn die Zweitimpfung stattgefunden hat. „Spontan-Impfungen“, so fürchten Ärzte, könnten einen laxen Umgang mit der Pandemie-Bekämpfung befördern.

Im Hamburger Corona-Impfzentrum in den Messehallen: Aufklärungsgespräch über das Impfen
Im Hamburger Corona-Impfzentrum in den Messehallen: Aufklärungsgespräch über das Impfen © Michael Rauhe

Nicht immer hatten die terminlosen Impfungen hierzulande den gewünschten Erfolg. In Uelzen musste die Aktion vor gut einer Woche abgebrochen werden. Unter den „Neukunden“ waren einige, die ihre Zweitimpfung eigenmächtig vorziehen wollten. Das fiel auf und sorgte erst für Diskussionen, dann für Aggressionen. Der Sicherheitsdienst musste einschreiten.

So wird es vorerst auch in den Hamburger Krankenhäusern bei der Terminvergabe über die Hotline 116 117 und www.impfterminservice.de bleiben. Allerdings hat das Bergedorfer Agaplesion Bethesda Krankenhaus am kommenden Donnerstag von 8 bis 18 Uhr für alle impfwilligen Erwachsenen geöffnet sowie für 16- und 17-Jährige, die aber einen Elternteil mitbringen müssen. Verimpft wird Biontech, Impf- und Personalausweis sind mitzubringen, ebenso die Krankenversicherungskarte.

Der begehrte Impfstoff von Biontech
Der begehrte Impfstoff von Biontech © Michael Rauhe

Im Schnelsener Albertinen, das wie die Asklepios-Häuser Nord/Heidberg und Harburg und das Agaplesion Diakonieklinikum in Eimsbüttel ebenfalls impft, hätte man ohne Terminvergabe ein „logistisches Problem“, wie ein Sprecher sagte. Der Impfstoff müsse für eine feste Zahl von Impfkandidaten aufbereitet werden. Die Impftermine mit Moderna und Johnson & Johnson seien stärker nachgefragt als die mit Astrazeneca.

In den Hausarztpraxen wird eine „offene“ Impfsprechstunde auch immer davon abhängen, welcher Impfstoff zur Verfügung steht und wie verhindert werden kann, dass er verfällt. Bei den Impfungen im Jobcenter und bei Obdachlosen hat sich das Einmal-Vakzin von Johnson & Johnson für solche Zwecke als sinnvoll erwiesen.

Hamburger Senat plant keine größeren Lockerungen

Auch hier liegen noch keine Erkenntnisse darüber vor, wann eine Nachimpfung nötig wird und welche „Kreuzimpfungen“ sinnvoll sein könnten. Also die Frage, ob man danach für eine Auffrischung den Impfstoff von Biontech oder Moderna erhalten sollte.

Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher
Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher © Marcelo Hernandez

Gestern hat die Sozialbehörde 19 Corona-Neuinfektionen gemeldet. Das sind zwar fünf Fälle weniger als am Sonntag, aber acht mehr als am Montag vor einer Woche. Damit steigt der Inzidenzwert leicht an und liegt nun mit 11,2 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen weiterhin im zweistelligen Bereich.

Dennoch bewegen sich die Corona-Zahlen für Hamburg auf einem niedrigen Niveau. Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) sagte, der Senat plane derzeit keine größeren Lockerungen der Corona-Regeln. Möglich seien kleinere „Arrondierungen“ wie bei der Testpflicht für körpernahe Dienstleistungen, der Sperrstunde für die Innengastronomie oder beim Alkoholverbot. Clubs und Diskotheken zu öffnen, schloss Leonhard aus. „Da ist Vorsicht geboten.“ Bis zu einem Drittel der täglichen Neuinfektion seien Reiserückkehrer, so Leonhard. Mehrfach seien schon alle Passagiere eines Flugzeugs aus Spanien unter Quarantäne gestellt worden. Spanien gilt seit Sonntag als Risikogebiet.

Die aktuellen Corona-Fallzahlen aus ganz Norddeutschland:

  • Hamburg: 2311 neue Corona-Fälle (gesamt seit Pandemie-Beginn: 430.228), 465 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (davon auf Intensivstationen: 44), 2373 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1435,3 (Stand: Sonntag).
  • Schleswig-Holstein: 1362 Corona-Fälle (477.682), 623 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 39). 2263 Todesfälle (+5). Sieben-Tage-Wert: 1453,0; Hospitalisierungsinzidenz: 7,32 (Stand: Sonntag).
  • Niedersachsen: 12.208 neue Corona-Fälle (1.594.135), 168 Covid-19-Patienten auf Intensivstationen, 7952 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1977,6; Hospitalisierungsinzidenz: 16,3 (Stand: Sonntag).
  • Mecklenburg-Vorpommern: 700 neue Corona-Fälle (381.843), 768 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 76), 1957 Todesfälle (+2), Sieben-Tage-Wert: 2366,5; Hospitalisierungsinzidenz: 11,9 (Stand: Sonntag).
  • Bremen: 1107 neue Corona-Fälle (145.481), 172 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 14), 704 Todesfälle (+0). Sieben-Tage-Wert Stadt Bremen: 1422,6; Bremerhaven: 2146,1; Hospitalisierungsinzidenz (wegen Corona) Bremen: 3,88; Bremerhaven: 7,04 (Stand: Sonntag; Bremen gibt die Inzidenzen getrennt nach beiden Städten an).

Seit Beginn der Pandemie wurden in Hamburg 77.692 Corona-Infektionen registriert. Von ihnen gelten nach Schätzungen des Robert-Koch-Instituts 75.600 als genesen. 1.081.119 Menschen sind bereits einmal geimpft. Ihre Zweitimpfung haben 758.341 Bürger bekommen. In Hamburger Krankenhäusern werden derzeit 33 Corona-Patienten behandelt. 18 Menschen sind so schwer erkrankt, dass sie intensivmedizinisch betreut werden müssen. 13 von ihnen kommen aus Hamburg.