Hamburg. Der Unternehmer und die Autorin im Gespräch über Corona, Kinder und was man von Prof. Google und Dr. Youtube lernen kann.
Abstand, Masken, Impfkampagnen – so lässt sich die Corona-Pandemie bekämpfen. Das sind die vordergründigen Rezepte. Sie wirken, wie man an der Entwicklung der Zahlen in Deutschland sieht. Doch wer über den Tellerrand hinausschaut, sieht einen anderen Schlüsselfaktor, der der Türöffner zu einer nachhaltigen Lösung von allerlei globalen Problemen sein kann, die durch das Coronavirus richtig virulent wurden. Es sind die Kinder. Weltweit.
Auma Obama sagt das, Aktivistin, wenn man es so nennen möchte, für Nichtregierungsorganisationen und preisgekrönte Autorin. Michael Otto sagt das ebenfalls, Unternehmer, Hamburger Ehrenbürger und einer, für den es vor allem beim Nachdenken keine Grenzen gibt. In Ottos Unternehmenszentrale in Bramfeld tauschten sich die Kosmopoliten, die beide Mitglied im World Future Council sind, über die Lage der Kinder aus.
Coronavirus: "Kinder haben am meisten Angst"
Auma Obama setzt sich seit Jahren mit ihrer Stiftung in Kenia für den Nachwuchs ein. Kinder müssten anders über Covid-19 informiert werden, sagt sie. „Sie haben am meisten Angst.“ Ihnen komme gleichwohl in der Pandemie eine besondere Rolle zu. Sie setze sich dafür ein, die für Jüngere so unbegreiflichen Regeln zur Infektionsverhütung zu vermitteln. „Nach dem Covid-Awareness-Training für die Kinder lernen auch die Eltern von ihren Kindern.“
Die Situation der Kinder, denen das Abstandhalten naturgemäß schwerfällt und die (noch) nicht geimpft werden, ist dadurch verschärft, dass ihr Recht auf Bildung und der Spaß am Lernen eingeschränkt werden. Homeschooling reißt alte Gräben neu auf. Unternehmer Otto sagt: „Das wird dadurch noch dramatischer, dass in sozial schwachen Familien es keine oder wenig Geräte gibt, mit denen Kinder zum Beispiel auf Distanz lernen können. In den Grundschulen ist das digitale Lernen ohnehin kaum möglich, weil die Kinder das Lesen und Schreiben ja erst einüben. Man kann deshalb schon sagen, dass von der Corona-Pandemie die Kinder am schlimmsten betroffen waren.“
Digitalisierung: Die Hausaufgaben nicht gemacht
Es ist kein Ruhmesblatt für Deutschland, dass Kinder abgehängt sind, weil Erwachsene ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben. Im Land der Erfinder lahmt die Zukunft. Aufsichtsratschef Otto kann darauf verweisen, dass in der Otto Group jetzt 90 Prozent der Mitarbeiter im Homeoffice arbeiten und dass es vor Corona bereits 20 bis 30 Prozent gewesen seien. Aber: „Wir mussten durch die Pandemie feststellen, wie sehr Deutschland insgesamt bei der Digitalisierung zurückliegt.“
Otto und Obama wären kaum in ihren Positionen, wenn sie nicht den Optimismus versprühen würden, den Auma Obamas Halbbruder Barack Obama zum Motto seiner Präsidentschaft gemacht hat: „Yes, we can.“ Die Digitalisierung mag haken. „Allerdings ist es auch erstaunlich, wie sich junge Leute mithilfe digitaler Medien informieren und sich Jobs verschaffen, ob in Europa oder im globalen Süden. Da helfen Prof. Google und Dr. Youtube erheblich.“
Wie man von Google und Youtube Wirtschaft lernt
Das von einer promovierten Germanistin zu hören, ist mindestens bemerkenswert. Sie erzählt von Solo-Selbstständigen, die in Ostafrika digitale Dienste anbieten, die andere anleiten, die Ladestationen für Smartphones mit Solarzellen betreiben. Otto bestätigt: „Ich habe in afrikanischen Ländern erlebt, wie kreativ junge Menschen ihre Ideen zu ihrem Beruf ausbauen.“ Die digitale Schule bringt vielen Menschen in Teilen Afrikas gleichzeitig nahe, welchen Gefahren sie im täglichen Leben ausgesetzt sind. Wie sehr zum Beispiel die Landwirtschaft dominiert wird von Pestiziden, die die Bauern gefährden – und auch hier die Kinder in besonderem Maße. Auma Obama schildert, wie schon Kinder und Jugendliche ohne Maske auf den Feldern arbeiten, wie sie Farben ausgesetzt werden, die durch Blei verschmutzt sind.
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Kinder vor Chemikalien zu schützen, das sei auch eine Aufgabe für Lehrer und deren Ausbildung, sagt Otto. Obama spricht von einer „Ausstiegsliste schädlicher Stoffe“, die man den Menschen näherbringen müsse. Dass sich Otto so für das Thema starkmacht, hat möglicherweise auch mit seinem eigenen Einstieg in das Unternehmen seines Vaters zu tun. Michael Otto, heute 78, wurde vor 50 Jahren Otto-Vorstand für „Einkauf Textil“. Anfang der neunziger Jahre wollte er wissen, welche möglicherweise umweltgefährdenden Stoffe in den Stoffen schlummerten, die das Unternehmen anbot. Er hatte die Überzeugung gewonnen, dass man nachhaltiger produzieren könne. Otto sagt heute: „Es dauerte zehn Jahre, bis wir das gesamte Sortiment umgestellt hatten. Aber es funktionierte.“
"Bio geht auch günstig"
Die Produktion von Billigmode gehört schon lange zur Roten Liste der Globalisierungskritiker. Der Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza 2013 in Bangladesch mit mehr als 1000 Toten richtete ein Schlaglicht auf die katastrophalen Arbeitsbedingungen in den Herstellerländern. Beim Shoppen hierzulande mag sich zumindest das Bewusstsein weiterentwickelt haben. Was nachhaltig erzeugte Lebensmittel angeht, gebe es aber noch immer Missverständnisse, sagt Obama: „Im globalen Süden werden den Menschen oft Dumping-Angebote gemacht, bei denen die Konsumenten kaum nein sagen können. Man muss den Menschen klarmachen, dass sie nicht arm dadurch werden, wenn sie Bio anbauen. Das geht auch günstig.“
Dazu müsse man vor allem die Regierungen überzeugen. „Mehr nachhaltiges Wirtschaften ist möglich.“ Das will der Weltzukunftsrat beweisen, der einst in Hamburg von Jakob von Uexküll gegründet wurde. Dessen Ehrenratsmitglied Otto sagt über den diesjährigen „Future Policy Award“ der Organisation, dessen Preisträger am Montag bekannt wird: „Schädliche Chemie kann man verbieten, ohne der Wirtschaft zu schaden. Eine schrittweise Reduzierung kann in diesem Prozess helfen. Die Beispiele von ,best practice‘ beweisen zudem, dass man nicht alles immer neu erfinden muss, sondern gezielt die Konzepte nachhaltigen Wirtschaftens übernimmt, die an anderen Orten der Welt Erfolg hatten.“