Hamburg. Wissenschaft trifft in den unterschiedlichen Regionen der Erde auf lokales Wissen. An der Universität Hamburg wird dazu geforscht.
Für den Klimawandel ist der Mensch verantwortlich. Internationalen Umfragen zufolge glauben dies immer mehr Menschen. Doch verlassen sie sich dabei auf wissenschaftliche Erklärungen? Diese zeigen mit großer Übereinstimmung: Menschen in bestimmten Regionen produzieren mit ihren Lebens- und Wirtschaftsweisen zu viele Treibhausgase.
Gleichzeitig zerstören sie Treibhausgas-Senken wie Moore und Wälder. Dadurch ändern sich die globale Durchschnittstemperatur und das Wetter. Rund um die Welt wird die Rolle des Menschen als Verursacher des Klimawandels allerdings unterschiedlich interpretiert, wie wir nun herausgefunden haben.
Forschung zum Klimawandel an Universität Hamburg
Meine Kollegin Coral O’Brian und ich sind Ethnologinnen am Exzellenzcluster Climate, Climatic Change and Society (CLICCS) der Universität Hamburg. Gemeinsam haben wir untersucht, wie Menschen sich verändernde klimatische Bedingungen in ihrer Umgebung wahrnehmen und erklären.
Dazu haben wir in Sammelbänden und Datenbanken nach sämtlichen, in den letzten 20 Jahren erschienenen ethnografischen Fallstudien mit Erklärungsmustern von Wetter und Klimawandel gesucht. So konnten wir Studien aus ländlichen Gegenden, beispielsweise in den Anden, oder Großstädten wie Bengaluru in Indien oder Lagos in Nigeria miteinander vergleichen und auch Fallstudien aus dem globalen Norden, wie den USA und Italien, miteinbeziehen.
Menschen verbinden verschiedene Erklärungsmuster
Dabei haben wir festgestellt, dass Menschen weltweit häufig verschiedene Erklärungsmuster miteinander verbinden und wissenschaftliche Erklärungen mit lokalem Wissen vermischen. Auch wenn sie meist an einen menschengemachten Klimawandel glauben, identifizieren sie als Verursacher oft andere Menschen, als es in wissenschaftlichen Diskursen der Fall ist.
So etwa auf der philippinischen Insel Palawan. Dort werden Menschen für Überschwemmungen und Erdrutsche verantwortlich gemacht, weil sie durch illegale Abholzung des Regenwalds, Fischerei oder Bergbau Profit aus natürlichen Ressourcen schlagen wollen. Indem die Menschen moralisieren und sich selbst und andere beschuldigen, geben sie in ihrer Deutungswelt dem für sie wenig greifbaren wissenschaftlichen Diskurs einen Sinn. Möglich ist dies, weil beide Ansätze den Menschen als Verursacher der beobachteten Veränderungen betrachten.
Massai deuten Dürreperioden als Strafe
Diese Art der Lokalisierung findet sich in ähnlicher Form in den verschiedensten Gegenden der Welt. Auch in North Carolina in den Vereinigten Staaten nennen Menschen als Ursache für den Klimawandel nicht global steigende CO2-Emissionen, sondern dass dortige Waldflächen zunehmend dem Bau von Straßen oder eines Walmart-Einkaufszentrums weichen müssen.
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Oder wenn beispielsweise in Ostafrika der Regen ausbleibt und sich Dürreperioden häufen, deuten die Massai dies als Strafe ihres Gottes Eng’ai für den zunehmenden Verfall ihrer traditionellen Lebensweise. Klimaveränderungen werden so in vielen Fällen als lokale Phänomene wahrgenommen, die Menschen für ihr Handeln belohnen oder bestrafen. Der Glaube der Menschen ist dabei zentral auch für ihr Verständnis und ihre Akzeptanz des wissenschaftlichen Diskurses zum Klimawandel.
Forschung aus Hamburg zeigt: Kommunikation wichtig
Unsere Forschung zeigt: Es lohnt sich zu überdenken, wie wir über Wissenschaft und den Klimawandel kommunizieren. Wenn die Wissenschaft und Menschen vor Ort ein Phänomen wie Wetter unterschiedlich einordnen, sollten wir uns fragen, ob wir nicht auch offener für diesen Unterschied sein müssen, um Menschen überhaupt zu erreichen.
Inga Janina Sievert ist Ethnologin an der Universität Hamburg und forscht zu Umweltthemen mit Fokus auf Klimawandel.