Hamburg. Abschaffung bezirklicher „Sonderwünsche“ als K.O.-Kriterium. CDU, Linke und FDP sehen Bürgerbeteiligung vor Ort ad absurdum geführt.

Im Vorfeld der Unterzeichnung des neuen Bündnisses für das Wohnen hat die Wohnungswirtschaft ihren Standpunkt bekräftigt. Auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung hat der Bundesverband freier Wohnungsunternehmen (BfW) Nord bei nur drei Enthaltungen beschlossen, die Unterschrift unter den Vertrag nur dann zu leisten, wenn der Senat seine sieben Bezirke zuvor per Beschluss anweist, den Bündnisvertrag auch 1:1 umzusetzen.

Dem Vernehmen nach will die Verbandsspitze den Beschluss auch vorher sehen, um die genaue Formulierung einschätzen zu können. Auch der Verband Norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW) „erwartet“ den Anweisungsbeschluss. Offizielle Statements gab es von beiden Verbänden nicht.

Bündnis für das Wohnen: Schärfere Konflikte vor Ort?

Der Senatsbeschluss zur Anweisung der Bezirke soll das Hauptproblem der Wohnungsunternehmen beim beschleunigten Wohnungsbau lösen: die bezirklichen „Sonderwünsche“. In der Vergangenheit hatten die Bezirke als Genehmigungsinstanzen immer wieder Forderungen an die Bauherren gestellt, die über die im Bündnisvertrag formulierten Anforderungen hinausgingen. Das soll der Senatsbeschluss für die Zukunft ausschließen (wir berichteten).

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CDU, FDP und Linke sehen darin die Bürgerbeteiligung vor Ort ad absurdum geführt. Das werde letztlich zu schärferen Konflikten vor Ort führen und sich auch nachteilig für die Wohnungsunternehmen auswirken. Von „Arroganz der Macht“ und „Durchregieren“ war die Rede. „So wird gute Stadtentwicklung unmöglich gemacht“, sagte Anke Frieling, stadtplanungspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion. „Ich wundere mich sehr, dass die Grünen diesen Weg offenbar mitgehen und hoffe auf einen parteiübergreifenden, massiven Widerstand in den Bezirken.“

Finanzsenator Andreas Dressel als Troubleshooter

Ähnlich äußerte sich auch die wohnungspolitische Sprecherin der FDP, Katarina Blume. Linken-Stadtplanerin Heike Sudmann sprach von einem „völlig unverblümten Versuch, die bezirkliche Demokratie durch die Vordertür abzuschaffen“.

Finanzsenator Andreas Dressel (SPD), seit Jahren als Troubleshooter in Konfliktfällen auch um bebauungsfragen vor Ort unterwegs, sicherte in den sozialen Medien zwar zu, dass der Wohnungsbau „weiter partnerschaftlich mit den Bezirken gestaltet werde“. Er bestritt aber nicht, dass letztlich der Senat entscheiden soll, was unter „partnerschaftlich“ zu verstehen ist und wann die Diskussionen enden.

Bezirke befürchten schlechtere Planung bei Wohnungsbau

Bezirkssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) ließ auf Nachfrage erklären, dass der Bergedorfer Bezirksamtsleiter Arne Dornquast (SPD) als der „für die Bezirke zuständige Federführer die Vereinbarung entscheidend mit auf den Weg gebracht“ habe. „Von einer Entmachtung der Bezirke kann keine Rede sein. Dass der vereinbarte Drittel-Mix nun sogar noch einmal ansteigen soll, wird dafür sorgen, dass auch künftig im Zusammenspiel von Wohnungswirtschaft, Bezirken und Stadtentwicklungsbehörde in Hamburg neuer sozialer Wohnraum entsteht.“

Die Bezirke befürchten, dass vor dem Hintergrund fehlender Baurechte für freie Grundstücke und insgesamt immer knapper werdender Flächen die nach wie vor 10.000 jährlichen Baugenehmigungen nur zu erreichen sind, wenn bei der Planungsqualität massiv abgespeckt wird. Sie verstehen unter der Abschaffung der „Sonderwünsche“ den Verzicht auf individuelle, quartierbezogene Lösungen und eine Standardisierung der Genehmigungspraxis.

Hamburger Wohnungsbau-Ziel sorgt für Druck

Auch fürchten sie den Druck der Zahlen: Altona hat z.B. jährlich 1500 Wohneinheiten zu genehmigen. Im vergangenen Jahr schaffte der Bezirk aber nur 950. Mit den jetzt ins Spiel kommenden Anweisungen durch den Senat könnten die Bauanträge gehäuft zwangsweise positiv beschieden werden, wenn der Bezirk hinter die Sollzahlen zurückfällt.

„Hamburg gehen aber die Baurechte aus“, sagt der Altonaer CDU-Fraktionschef Sven Hielscher. „Wenn die Bezirke nicht mehr Stadtplanungsangestellte für geordnete Planfeststellungs- und Bürgerbeteiligungsverfahren bekommen, wird die 10.000er Wohnungszahl in den Folgejahren nicht erreicht werden. Da kann der Senat Verträge schließen wie er lustig ist, er wird scheitern.“