Hamburg. Senat und Wirtschaft einigen sich nach langen Verhandlungen. Mehr Sozialwohnungen, mehr Erbpachtgrundstücke.
Wohnungswirtschaft und Hamburger Senat haben sich im Grundsatz über die Fortschreibung des „Bündnisses für Wohnen“ geeinigt. Demnach sollen in der bis 2025 laufenden Legislatur auch weiterhin jährlich 10.000 Baugenehmigungen erteilt werden. Am 23. Juni wollen die Vertragsparteien unterschreiben. Die zuletzt strittigen Punkte über die Modalitäten der Grundstücksvergabe, den Anteil der Sozialwohnungen und die Vermeidung bezirklicher Sonderwünsche sind demnach ausgeräumt.
Der Vertrag liefe in der derzeitigen Fassung auf eine faktische Entmachtung der Bezirke hinaus. Die Grundstücke sollen demnach „wesentlich stärker“ im Erbbaurecht vergeben werden als bisher. Die Wohnungswirtschaft, vertreten durch den Verband Norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW) und den Bundesverband freier Wohnungsunternehmen (BfW), will lieber kaufen.
Anstieg bei den Sozialwohnungen
Sie hatte sich massiv gegen die Versuche des Senats gewehrt, der sie im Wesentlichen aufs Erbbaurecht verweisen wollte, um Einfluss auf die Entwicklung der Mieten nehmen zu können. Der Anteil der Sozialwohnungen soll leicht ansteigen. Statt des bisher üblichen Drittelmixes aus Sozial-, Eigentums- und frei vermieteten Wohnungen soll der Anteil der geförderten Wohnungen auf 35 Prozent steigen.
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Zur Vermeidung bezirklicher Sonderwünsche will der Senat der Wohnungswirtschaft „Rechtssicherheit“ zusichern. Das heißt: Der Senat will dafür geradestehen, dass die den Wohnungsunternehmern im Bündnis zugesicherten Inhalte nicht im konkreten Genehmigungsverfahren auf Bezirksebene zu ihren Lasten verändert werden. Vielzitiertes Beispiel dafür ist der Anteil der Sozialwohnungen, der in einzelnen Bezirken gern auf 50 Prozent hochgeschraubt wurde.
Öko- und Gestaltungsstandards wurden für einzelne Projekte oft verschärft
Auch die Öko- und Gestaltungsstandards wurden für einzelne Projekte oft verschärft und also verteuert. Das war möglich, weil formaljuristisch der Bezirk, nicht der Senat für die Baugenehmigungen und die Bebauungspläne zuständig ist. Der Bezirk konnte die Wohnungsbauer also unter Druck setzen.
Um das Ende dieser Praxis garantieren zu können, will der Senat dem Vernehmen nach am 22. Juni einen Beschluss fassen, der für den Konfliktfall die Evokation vorsieht: Sollte der Bezirk also mehr vom Wohnungsbauer verlangen als es das Bündnis vorsieht, würde der Senat das Verfahren an sich ziehen und dem Bezirk das weitere Handeln vorgeben.
Votum des Senats stünde im Vorhinein fest
„Das liefe auf eine Entmachtung der Bezirke hinaus und würde das Bezirksverwaltungsgesetz aushebeln“, sagte der Altonaer CDU-Fraktionschef Sven Hielscher. Nach einer Evokation und der Anweisung des Bezirks durch den Senat könnte die Bezirksversammlung nach Bezirksverwaltungsgesetz einen sogenannten §-19-Beschluss fassen, der den Bezirksamtsleiter bindet.
Fühlt sich der Amtschef dem Senat verpflichtet, kann er den Beschluss beanstanden. Der Konflikt mündet dann in ein Schlichtungsverfahren, an dessen Ende der Senat entscheidet. Allerdings stünde das Votum des Senats schon im Vorhinein fest: Er steht ja bei der Wohnungswirtschaft im Wort, der er Rechtssicherheit versprochen hat.
Kleine Anfrage der Linkspartei
Hielscher bezweifelt deshalb auch, dass der Senat solche Zusagen überhaupt geben kann. „Die Bezirke sind Teil der Vereinbarung. Sie müssen zustimmen bzw. mitunterschreiben. Auch der Senat kann nicht zulasten Dritter Geschäfte machen.“ In die gleiche Richtung zielt eine Kleine Anfrage der Linkspartei in der Bürgerschaft.
Deren stadtentwicklungspolitische Sprecherin Heike Sudmann will wissen, was der Senat tun will, wenn der Bezirk die über seinen Kopf hinweg in seinem ureigensten Zuständigkeitsbereich getroffene Vereinbarungen gar nicht umsetzen will.
„Welche rechtlichen Möglichkeiten hat der Senat, die Zustimmung des Bezirks zu ersetzen?“ Sudmann wandte sich entschieden gegen eine Zentralisierung der Entscheidungen über Bauvorhaben. „Die Bauleitplanung ist sowohl rechtlich als auch inhaltlich der Kern der Bezirkspolitik. Will der Senat die Kompetenz vor Ort ignorieren und die Bezirksversammlungen abschaffen?“
Altona: Zustimmung hängt von Bezirksversammlung ab
Die Bezirksversammlung Altona hatte bereits im Vorfeld der jetzt zustande gekommenen Einigung auf das Bündnis für das Wohnen die Altonaer Bezirkschefin Stefanie von Berg (Grüne) darauf verpflichtet, dem Bündnis für das Wohnen nur zuzustimmen, wenn zuvor ihre Bezirksversammlung das Vertragswerk verabschiedet hat. Sie hat auch nicht vor, sich gegen den Verwaltungsausschuss zu stellen, der sie gewählt und verpflichtet hat.
Es fragt sich nur, ob sie überhaupt eine Gelegenheit dazu bekommen wird. In der Vergangenheit hatte lediglich ein einziger Bezirksamtsleiter stellvertretend für alle sieben Bezirke das Bündnis abgezeichnet: der Bergedorfer Amtschef Arne Dornquast (SPD).
Dem Vernehmen nach will der Senat es auch dieses Mal so handhaben. Das Bündnis für das Wohnen muss noch ergänzt werden um den „Vertrag für Hamburg“. Mit ihm verpflichtet der Senat die Bezirke, die im Bündnis gegebenen Zusagen gegenüber der Wohnungswirtschaft umzusetzen. Der Vertrag für Hamburg regelt auch, wie viel Geld der Senat den Bezirken für jede genehmigte Wohneinheit zahlt. Bislang waren es 250 Euro.