Hamburg. Ein Mann will die Lebensversicherung seiner Gattin kassieren. Eine Freundin ist seine willige Komplizin, die für ihn töten soll.

Eine Frau hat ein schweres Verbrechen gegen eine andere Frau begangen. Sie hat ihre Widersacherin beinahe getötet. Alina M. tat es für einen guten Freund, weil sie psychisch abhängig war von diesem Mann, den sie sehr geliebt hat. Sie hat alles für Jacob B. getan, alles riskiert und alles verloren: ihre wirtschaftliche Existenz, ihre Redlichkeit, ihre Moral, ihre Freiheit.

Und was hat sie dafür bekommen? Dankbarkeitssex. So hat es die Vorsitzende Richterin in dem Fall, der später vor ihrer Kammer verhandelt wurde, formuliert. Dankbarkeitssex. Das ist ein Wort wie ein Schlag ins Gesicht. Doch das war tatsächlich alles, was Jacob B. gewillt war zu geben.

Alina M. war bereit, alles für ihn zu tun. Sogar Mord?

Nichts von zärtlicher Zweisamkeit, die in die Zukunft gerichtet ist. Wenn Alina M. dieses Wort „Dankbarkeitssex“ hört, dann kann das nur sehr wehtun. Denn eigentlich, so hatte es sich die 39-Jährige erhofft, wollte sie eine Beziehung mit ihrem Traummann eingehen, die ein Leben lang halten sollte.

Dafür war sie bereit, „alles für ihn tun“, hat sie ihm versprochen. Wirklich alles. Sogar Mord?

Der Tag, an dem eine menschliche Tragödie ihrem dramatischen Höhepunkt zutreibt, ist der 29. November 2017. Die 34-jährige Sabrina B. liegt im Bett und hört Musik. Sie ist vollkommen arglos. Plötzlich steht eine unbekannte Frau im Schlafzimmer des Hamburger Einfamilienhauses.

Die Fremde hält in der einen Hand ein Messer, in der anderen eine Softair-Waffe. Außerdem ist die Angreiferin maskiert. Sie verletzt das Opfer schwer, doch die 34-Jährige kann sich mit letzter Kraft befreien. Irgendwie gelingt es ihr, die Fremde wegzustoßen. Das Opfer stürzt zum Balkon, nackt und blutend, und ruft panisch um Hilfe. Und die Frau, die sie niedergestochen hat, flieht.

Der Mann, für den Alina M. alles riskierte, hat noch zwei Geliebte

„Die Verletzungen, die das Opfer erleidet, sind lebensgefährlich. Doch das ist vielleicht nicht das Schlimmste für die 34-Jährige. Es ist viel mehr zerstört als ihre Gesundheit“, sagt Rechtsmediziner Klaus Püschel im Abendblatt-Crime-Podcast „Dem Tod auf der Spur“ mit Bettina Mittelacher. „Die Frau weiß jetzt, dass der Mann, mit dem sie verheiratet ist und mit dem sie ein Kind hat, ihr nach dem Leben getrachtet hat.

Der 40-Jährige ist zum Verbrecher geworden.“ „Und auch die Angreiferin Alina M. erfährt nun überraschende und zutiefst schmerzvolle Wahrheiten“, ergänzt Mittelacher über den Fall, den das Autorenduo in seinem Buch „Sex and Crime“ ausführlich schildert.

„Der Mann, für den Alina M. alles riskiert hat, für den sie zur Kriminellen geworden ist, hat niemals daran gedacht, mit ihr in Zukunft das Leben zu teilen. Er hat nicht nur eine andere Frau. Er hat sogar noch zwei weitere Geliebte!“

Sechs Monate nach diesem verhängnisvollen 29. November 2017 sehen sich die Protagonisten dieses Dramas im Gerichtssaal wieder, wo sich Angreiferin Alina M. und ihr Freund Jacob B. wegen versuchten Mordes verantworten müssen.

Das Opfer tritt als Nebenklägerin auf. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass Sabrina B. in ihrem Bett sterben sollte, damit ihr Mann an zwei Lebensversicherungen im Wert von insgesamt 400.000 Euro gelangen kann. Darin habe er die Lösung seiner Probleme gesehen.

Alina M. unternimmt mehrere Versuche, Sa­brina B. zu töten

Vor Gericht schildert Täterin Alina M., wie sie immer weiter in eine psychische Abhängigkeit von Jacob B. geriet, wie sie ihm erst all ihr Geld überließ und sich für ihn sogar verschuldete, wie sie ihm schließlich versprach, in seinem Auftrag seine Frau umzubringen. Er hat ihr erzählt, dass er in finanziellen Schwierigkeiten ist. Vor allem aber hat er der 39-Jährigen gegenüber seine Ehe als wahre Hölle dargestellt.

Im Auftrag des 40-Jährigen unternimmt Alina M. mehrere Versuche, Sa­brina B. zu töten. Schließlich kommt es zu dem Mordanschlag im Haus der Familie. Der Mitangeklagte Jacob B. stellt das Attentat erst als alleinige Idee seiner Freundin dar. Er gesteht auch, dass er in den Plan eingeweiht war, dass er ihn sogar mit ausgeheckt hat. Und nennt seinen Tatbeitrag das „Unaussprechliche“ und „Unvorstellbare“.

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„Wie sollte ich meinem Sohn erklären, dass ich eine mögliche Tötung seiner Mutter in Betracht gezogen habe?“, fragt der 40-Jährige. Er sei aber, beteuert Jacob B., „unendlich froh, dass diese irre Tat nicht gelungen ist. Für meine Frau, für mich und meinen Sohn.“

Es sei ein Fall, der „wie ein Krimi aus einem schlechten ‚Tatort‘“ daherkomme“, sagt die Richterin schließlich in der Urteilsbegründung und nennt die Tat „nicht nachvollziehbar und unvorstellbar“. Es habe sich „etwas Ungeheuerliches“ abgespielt.