Hamburg. Ein Streetwear-Label, Tonstudios, Musiker und Künstler fürchten um ihre wirtschaftliche Existenz. Hamburger wollen helfen.

Nach der Explosion in dem Gewerbebau an der Hamburger Straße ist weiter unklar, ob das Gebäude jemals für die Spurensicherung betreten werden kann oder ob es von außen abgetragen werden muss. Nach Einschätzung eines Statikers ist der komplette Bau einsturzgefährdet. Mindestens eine Hälfte, so berichten Mieter, müsse abgerissen werden.

Für die etwa zehn gewerblichen Mieter ist die Situation eine Katastrophe. „Wir fürchten um unsere Existenz“, sagt Christoph Schröder vom Street­wear-Label „Aight Evolution“. Die 2012 gegründete Firma hat dort auf 200 Qua­dratmetern ihr Büro und die Lagerräume mit einem kleinen Fotostudio. „Ich weiß nicht, ob ich jemals dort rein kann, um Sachen zu retten“, sagt Schröder. Er weiß nicht, ob die Sachen verbrannt sind, oder „nur“ durch die Explosion beschädigt. Ware muss er neu ordern. „Es gibt aber Dinge, die nicht rekonstruierbar sind“, sagt er. Dazu gehören die Daten auf den Computern.

Hamburger Kunstgalerie in explodiertem Gebäude

In dem Gebäude befinden sich auch Foto- und Tonstudios, aber auch die Kunstgalerie „Scorpion“, in der im Rahmen der Ausstellung „Brücken in Zeitalter“ Zeichnungen des Hamburger Künstlers Charly Wüllner zu sehen waren. Die Galerie liegt im zweiten Stock. „Ob sie zerstört ist, ganz oder teilweise, ist noch nicht bekannt“, so Galeristin Mariola Wisniowska. Erst vor einem Jahr war sie mit der 1998 gegründeten Galerie in das Gebäude gezogen.

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Am Mittwochabend wollten sich die Betroffenen erneut treffen. Christoph Schröder hält bereits Ausschau nach neuen Räumen. „Eigentlich wollte ich dort mit meiner Firma alt werden“, sagt er. Und eigentlich wollte er dort kommendes Jahr das zehnjährige Jubiläum des Streetwear-Labels, das seine Wurzeln in der Skaterszene hat, feiern. Das ist jetzt völlig in den Hintergrund getreten. Über soziale Medien bekommt er viel Zuspruch und aufmunternde Worte.

Nach Explosion: Spendenaufruf für Hamburger Start-up

Auch das Hamburger Start-up Elbdestille arbeitet seit vergangenem Jahr aus dem nun zerstörten Haus in Barmbek-Süd. Das Unternehmen bietet Gin mit individuell designten Etiketten an und hatte erst kürzlich die Renovierungsarbeiten in den Räumlichkeiten abgeschlossen. "Wir haben die letzten Monate viel Zeit, Herzblut, Arbeit und Geld investiert, um unsere Zukunft aus diesem Büro heraus aufzubauen. Nun ist leider alles über Nacht wortwörtlich verpufft", heißt es nach der Explosion auf dem Instagram-Profil des Unternehmens.

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Für das Unternehmen wurde am Mittwoch ein Spendenaufruf organisiert. "Neben den Neuanschaffungen (Produktionsstraße, Etikettendrucker, u.v.m.) befanden sich in dem Büro viele laufende Kundenaufträge, Muster von allen bisher umgesetzten Projekten und diverse ausgezeichnete Spirituosen", heißt es in der Beschreibung auf Gofundme. Dort wurden bis zum Abend bereits Spenden in Höhe von knapp 6700 Euro gesammelt.

Auch Tonstudios und Musiker von Explosion betroffen

Ebenfalls von der Explosion betroffen ist das Yeah! Yeah! Yeah! Tonstudio – die Betreiber wissen weiterhin nicht, ob ihr Equiment "nur" verschüttet ist oder zerstört wurde – der Gebäudeteil, in dem das Studio seine Räume hat, steht zwar noch, es ist aber unklar, wie es im Innneren aussieht. Besonders bitter: Die Yeah! Yeah! Yeah! Studios sind erst vor wenigen Jahren in das Gebäude an der Hamburger Straße gezogen – nachdem zwei Wasserschäden nahezu ihr gesamtes Equipment am vorherigen Standort in Hammerbrook vernichtet hatten.

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Knust organisiert Soli-Konzert für Tonstudio

Studio-Inhaber Dennis Rux hat eine Spendenseite bei Gofundme eingerichtet und informiert über den aktuellen Stand der Dinge in einer Facebook-Gruppe. Dort bittet er nicht um finanzielle, sondern um tatkräftige Hilfe, "sobald ich erfahre, ob und wann ich das Studio gegebenenfalls leerräumen kann".

Das Knust hat ein Soli-Konzert für die Yeah! Yeah! Yeah! Studios organisiert: Am 16. Juni spielen Bands auf dem Lattenplatz – der Erlös soll komplett gespendet werden. Die Corona-Regeln (tagesaktueller negativer Test, Impf- oder Genesungsnachweis, Maskenpflicht) gelten natürlich auch bei diesem Konzert.

 Tonstudios vor dem Ruin: Sängerin versteigert Gitarre

Die Tonstudios sehen sich in jedem Fall einer existenziellen Notlage gegenüber, aber erste Hilfsaktionen sind bereits angelaufen. Durch Spendenkampagnen unter anderem auf den Plattformen Gofundme und Betterplace sind bis Freitagmorgen bereits mehr als 12.000 Euro gesammelt worden und auch einzelne Hamburger Musikerinnen und Musiker werden aktiv.

Etwa Sängerin Miu, die in einem der Studios aufgenommen hat und deren Songs hier produziert und gemischt wurden. Sie versteigert auf Ebay eine Gretsch-Gitarre (auf Wunsch mit signiertem Schlagbrett), um einem Freund zu helfen – schon am Freitagmorgen wurden mehr als 450 Euro für das Instrument geboten.

Auch der Musiker Chris Haertel steht buchstäblich vor den Trümmern seiner wirtschaftlichen Existenz: "Der Gebäudeteil, in dem meine Instrumente stehen, ist unbegehbar und wird vermutlich nur noch abgerissen", schreibt er bei Facebook.

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Hamburger Polizei bewacht Gebäude in Barmbek-Süd

Völlig unklar ist weiter die Ursache der Explosion. Einziger möglicher Hinweis ist bislang eine Gasflasche, die im zweiten Stock auf Bildern einer Drohne gesichtet wurde, die Brandermittler durch das zerstörte Gebäude fliegen ließen. Das Gebäude steht unter Bewachung der Polizei. Die Identität des bei dem Feuer getöteten Mannes ist noch unklar.