Hamburg. Mehr Menschen kämpfen mit Bauverzögerungen und massiven Mehrkosten. Dass Holz knapp ist, hat mehrere Gründe. Wer dafür haften muss.
Erst war von einer Verzögerung von ein paar Wochen die Rede, inzwischen sind Monate daraus geworden. Und das bedeutet: Stillstand auf der Baustelle. Dabei hatten Sabine Messner und ihre Familie eigentlich gehofft, im Frühjahr einziehen zu können und so den zweiten Corona-Sommer im neuen Haus mit Garten verbringen zu können. Doch derzeit sieht es so aus, als ob das knapp werden könnte.
Den Entschluss, selbst zu bauen, fassten Sabine und ihr Mann vor zwei Jahren. Sie wünschten sich mehr Platz für sich und den Nachwuchs, mehr Grün, mehr Unabhängigkeit. Ein passendes Baugrundstück fanden sie nahe der Hamburger Landesgrenze in Schleswig-Holstein. Ein Holzhaus sollte es wer-den, entschied die Familie. Dass diese Entscheidung einmal zu einer deutlichen Bauverzögerung und am Ende auch zu einer massiven Kostensteigerung führen würde, war damals nicht abzusehen.
Holzwirtschaft befindet sich in einer handfesten Krise
Die junge Familie leidet wie auch andere, die sich derzeit den Traum vom Eigenheim erfüllen, darunter, dass sich die Holzwirtschaft gerade in einer handfesten Krise befindet. Der Bauboom in den USA und China lässt die Nachfrage steigen. Und auch in Deutschland hat Corona dazu geführt, dass viele die Zwangspause für einen Neu-, Aus- oder Umbau genutzt haben.
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Sprich: Auch bei uns steigt der Bedarf. Doch viele der heimischen Hölzer werden nicht in Deutschland verbaut, sondern exportiert. Weiteres Problem: Der Borkenkäfer, einer der gefährlichsten Schädlinge in der Forstwirtschaft, hat sich in Deutschland in den vergangenen Jahren massenhaft ausgebreitet und insbesondere Fichten befallen. Das bestätigt auch Holger Schulz vom Zentralen Forstdienst in Harburg.
„Schadholz bedeutet fast zwangsläufig Exportholz“
„Viele Landesforstverwaltungen haben den Verkauf von gesundem Fichtenstammholz, das zum Beispiel für den Bau von Dachstühlen verwendet wird, deutlich zurückfahren müssen.“ Das Problem: Holz, das von dem Käfer befallen wurde und in Massen anfällt, ist in der Regel so schadhaft, dass es für den deutschen beziehungsweise europäischen Markt im Bauholzsegment nicht mehr nutzbar ist. „Schadholz bedeutet fast zwangsläufig Exportholz“, so Schulz.
Auch Nils Fischer, Revierförster im Klövensteen, hat in den vergangenen Jahren eine Zunahme der Population beobachten können. „Auf den sehr heißen und trockenen Sommer in 2018 folgten weitere Sommer, die eher zu trocken und zu warm waren. Das hat die Bäume geschwächt und es den Borkenkäfern leicht gemacht, sie zu besiedeln.“ Um ein exponentielles Wachstum der Schädlinge zu verhindern, müssten Förster rasch handeln und befallene Bäume schnell fällen. „Wenn es erst mal zu viele sind, kommt man kaum noch dagegen an.“
Bauträger und Projektentwickler schlagen Alarm
Für Sabine Messner und ihre Familie macht sich die Holzknappheit in diesen Tagen sehr deutlich bemerkbar. Bereits seit Wochen warten sie auf die Holzelemente für den Rohbau. Seit Kurzem wissen sie: Es wird noch weitere zwei Monate dauern. „Insgesamt reden wir nun von einer Verzögerung von mindestens dreieinhalb Monaten“, sagt sie.
Auch bei der Holzfaserdämmung dauert alles länger. „Die Lieferzeiten liegen derzeit bei über 20 Wochen.“ Und auch die Vertreter anderer Gewerke – vom Sanitärausstatter bis zum Schornsteinbauer - würden über Lieferschwierigkeiten klagen. Ein Problem, das viele Baustellen im ganzen Land betrifft.
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Längst schlagen mittelständische Bauträger und Projektentwickler Alarm: Zahlreichen Bauprojekten drohen Verzögerungen und Stillstand wegen Materialmangels. Das zeigt eine Umfrage des Bundesverbandes Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) unter seinen rund 1600 Mitgliedsunternehmen. Demnach würden fast 90 Prozent der Antworten signifikante Engpässe bei Holz, Dämmmaterial und Stahl belegen. Und BFW-Präsident Andreas Ibel sieht darin ganz klar eine weitere Gefahr für das bezahlbare Wohnen.
An wem bleiben die Mehrkosten hängen?
Das Problem, das sich derzeit auf vielen Baustellen zeigt, ist, dass eine Verzögerung oft die nächste nach sich zieht. Und viele stellen sich die Frage: Wer muss eigentlich zahlen, wenn die Baukosten sich während des laufenden Prozesses deutlich erhöhen und die Fristen nicht eingehalten werden können?
Im Falle vom Hausprojekt von Familie Messner stehen derzeit immerhin geschätzte Mehrkosten von 25.000 Euro im Raum. „Da wir mit dem beauftragten Bauträger einen Festpreis vereinbart haben, können die Kosten eigentlich nicht an uns weitergereicht werden“, sagt Sabine Messner.
„Aber kann man da wirklich sicher sein?“ Sie betont: „Es geht ja nicht nur um uns, sondern auch um die Zukunft vieler Handwerker und kleinerer Baufirmen, die extrem unter der angespannten Lage leiden und nichts dafür können“, sagt Messner. Ein gutes Verhältnis mit allen Beteiligten ist ihr wichtig. Deshalb ist es ihr lieber, ihren wahren Namen nicht zu nennen.
Risiko für Kostensteigerungen trägt nach Vertragsschluss der Auftragnehmer
Wie die Rechtslage ganz allgemein aussieht, kann Anwältin Kathrin Heerdt, Mitglied im Vorstand der Arbeitsgemeinschaft Bau- und Immobilienrecht im Deutschen Anwaltverein, erklären: „Bislang sieht es so aus, dass die Bauunternehmen die gestiegenen Rohstoffpreise nicht an die Auftraggeber weitergegeben haben.“ Bei laufenden Verträgen sei dies rechtlich in der Regel auch nicht möglich. Denn: „Grundsätzlich ist es so, dass das Risiko für Kostensteigerungen nach Vertragsschluss der Auftragnehmer trägt. In der Regel wird eine Pauschale vereinbart, bei der es auch bleibt, wenn sich die Preise erhöhen.“
Heerdt verweist dabei auch auf eine ähnlich gelagerte Situation vor ein paar Jahren, als der Kupferpreis stark angestiegen war. „Die Rechtsprechung war auch damals schon eindeutig. Alle diesbezüglichen Verfahren gingen zugunsten des Auftraggebers aus.“ Anders sehe es bei Kosten aus, die allein durch die Lieferverzögerung entstehen würden.
Also etwa, wenn man die eigene Wohnung bereits gekündigt hat und dann übergangsweise für eine andere Unterbringung sorgen muss. „Bei möglicherweise entstehenden Ersatzunterbringungs- und Einlagerungskosten kann es durchaus sein, dass der Auftraggeber hier auch zur Verantwortung gezogen wird und die Kosten dafür zumindest zum Teil selbst tragen muss“, so Heerdt.