Hamburg. Sarah Gerber und Finn Petersen aus Hamburg touren mit dem VW Bus durch Europa – und erzählen davon auf Social Media.
Bilder vom Meer, Sonnenschein und Menschen, die gut gelaunt sind und viel lachen. Das kann in diesen Tagen jeder gebrauchen: Wer Sarah Gerber, Finn Petersen und ihrem VW Bus „Pidivan“ auf Instagram folgt (@pidivan), bekommt davon täglich eine Dosis und Berichte vom Alltag in einem VW Bus. Und jeden Abend schickt Sarah einen persönlichen Sonnenuntergangsgruß an ihre Follower. Das macht nicht neidisch, das macht glücklich.
Vor gut sieben Monaten hatten sich der Tischler und Architekt und die Kunsttherapeutin mit ihrem Bulli auf eine zweijährige Tour durch Europa gemacht. Doch nur wenige gehen in einer Pandemie auf eine solche Reise, und nur selten kann man ein solches Abenteuer so hautnah miterleben. Da werden keine Fotos aufwendig produziert, keine Instagram-Lichterketten platziert, und wenn doch, dann humorvoll und selbstironisch. Hier ist alles authentisch.
Hamburger berichten bei Instagram über Reise-Alltag
Gut gelaunt sitzen Sarah (36) und Finn (38) in ihrem VW-Bus, dem Pidivan, um mit dem Abendblatt per Videochat zu plaudern. Es fühlt sich ein bisschen so an, als treffe man seine Stars. Seit Monaten verfolge ich das Leben der beiden auf ihren sechs Quadratmetern, die ihnen der umgebaute VW Bus Baujahr 1997 bietet, auf Instagram (@pidivan). Sarah, Finn und ihre Reise gehören auch zu meinem Alltag. Es ist ein Leben, das neugierig macht und fasziniert.
Jeden Tag berichten die beiden aus der Hamburger Neustadt über ihr Vagabundenleben, weder verklärt noch mit gestellten Aufnahmen. Ganz im Gegenteil. Sarah, die in Hamburg als Kunsttherapeutin in der Kinder- und Jugendpsychiatrie gearbeitet hat, geht mit ihrem Auftritt auf der Plattform locker um. So macht Instagram Spaß. Das Authentische ist es, was in den Bann zieht. Da läuft Sarah schon mal in Unterwäsche herum, guckt müde in die Kamera und Finn bekommt den Mund nicht auf, weil er keine Lust hat, beim Frühstück gefilmt zu werden, sondern in seinem Campingstuhl am Meer erst mal in Ruhe seinen Kaffee trinken möchte.
Zwei Jahre in einem VW T4 auf Reisen
Und das alles vor einer grandiosen Kulisse. Das blaue Meer vor Kreta, das saftige Frühlingsgrün und die Natur machen auch im fernen Hamburg glücklich. Im September waren die beiden zu ihrer zwei Jahre dauernden Reise gestartet.
Unterwegs sind sie mit „Pidi“, ihrem Haus auf vier Rädern. Die technischen Details: VW T4 Syncro mit langem Radstand, Benziner, 2,5 Liter Hubraum und mit Standheizung. „Er hatte beim Kauf kein Hochdach, das haben wir neu gekauft, mithilfe von meinem Vater montiert und beim TÜV eintragen lassen. Inzwischen hat er zarte 124.000 Kilometer auf dem Tacho“, sagt Finn, der für die Technik zuständig ist, während Sarah die Gardinen genäht hat und im Bus Kräuter und Blumen hegt und pflegt.
Aktuelle Station: Kreta
„Die sechs Quadratmeter wirken von außen winzig und sind von innen wirklich geräumig. Mir war beim Ausbau auch die Stehhöhe von zwei Metern wichtig, da ich 1,94 Meter messe, also fast ein ganzer Zollstock!“, sagt Finn. Der Name des Busses ist eine Hommage an Finns Vater Piet und Sarahs Onkel Dieter. „Ohne deren Wissen und Unterstützung hätten wir unser Busprojekt niemals realisieren können – und so reisen die beiden mit dem Namen immer ein kleines bisschen mit“, sagt Sarah.
Derzeit sind Finn und Sarah auf Kreta. Der normale Tagesablauf: „Frühstück machen. Das dauert im Bus lange, und dann zelebrieren wir erst einmal den Start in den Tag. Alle drei bis vier Tage müssen wir uns darum kümmern, unsere 40 Liter Frischwasser aufzufüllen. Zudem haben wir einen relativ kleinen Kühlschrank und müssen alle zwei bis drei Tage einkaufen“, sagt Sarah.
„Kochen ist für mich Meditation“
Sie kocht im Bus aufwendige Gerichte, „Kochen ist für mich Meditation“, sagt sie. Nachmittags gehen sie spazieren oder liegen am Meer. Jeder, der einen Camper hat, weiß: Man ist auch Hausmeister, irgendetwas ist immer. Die Wartung des Busses nimmt viel Zeit in Anspruch. „Hinzu kommt regelmäßiges Wäschewaschen, Routen planen, mit Freunden telefonieren und Instagram ist auch noch eine Sache für sich. Inzwischen „reisen“ 12.000 Menschen mit.
Sogar ein Baumhaus haben die beiden gebaut: Sie standen mit ihrem Bus auf einem Grundstück bei einem Hotel. „Der Besitzer war sofort einverstanden und hat uns mit hausgemachtem Rotwein versorgt. Als wir zusammensaßen, kam zur Sprache, dass ich Tischler bin. So kam das eine zum anderen: Die Idee für ein Baumhaus gab es schon länger, und wir haben uns darauf geeinigt, dass das Baumhaus zum Geburtstag des jüngeren Sohnes fertig sein soll“, erzählt Finn.
Menschenleere Strände durch Corona
Die beiden finanzieren ihre Reise durch Erspartes, ihre Wohnung dürfen sie untervermieten. 1000 Euro pro Person im Monat, so hatten sie berechnet, benötigen sie. Hier auf Kreta reichen rund 500 Euro, weil sie kaum Benzin verbrauchen und sie auch keine Stellplätze bezahlen müssen.
Lesen Sie auch:
- Der lange Weg über den Atlantik zurück in den Alltag
- Hin und weg im Norden: der Jakobsweg vor der Haustür
- Urlaub in Hamburg: Mit dem Wohnmobil zum Wildpark
Reisen in Corona-Zeiten ist leichter als zunächst gedacht. „Die Einschränkungen sind schon enorm. Wir achten auf die Hygiene- und Abstandsregeln. Und da wir oft einsam an verlassenen Orten stehen, haben wir wesentlich weniger Kontakt zu Menschen als in Hamburg“, sagt Finn. Dafür erleben sie menschenleere Strände.
Durch Corona Spontanität gelernt
Der Lockdown in Griechenland kam Anfang November mit Wucht: Ausgangssperren, die bis heute anhalten, Zettel, die sie ausfüllen müssen, bevor sie den Bus verlassen. Corona habe sie gelehrt, noch spontaner zu sein. „Zu Beginn der Reise hatten wir ein paar Monate Griechenland geplant und wollten dann über Albanien zurück Richtung Großbritannien fahren. Inzwischen haben wir gelernt, dass es weniger frustrierend ist, wenn wir keine Pläne machen und uns in Gelassenheit üben“, sagt Sarah.
Außerdem gefällt es ihnen auf Kreta sehr gut. Die Griechen seien einfach toll. „Die Gastfreundschaft ist atemberaubend. Wenn wir irgendwo im Feld stehen, dauert es manchmal keine halbe Stunde und wir werden von wildfremden Menschen mit Raki, Orangen, Nüssen, Mandarinen und Wein versorgt. Uns wurde auch schon angeboten, dass wir in deren Zuhause duschen dürfen.“ Eine Wohltat, denn duschen müssen sie sonst draußen bei Wind und Wetter.
„Das ist der Sinn des Lebens!“
Diese Art von Reisen sei anders als ein Urlaub. „Es fühlt sich an wie ein anderer Alltag, der noch schöner ist“, sagt Sarah. „Immer wieder erwische ich mich dabei, dass ich denke „Das ist der Sinn des Lebens!“ Auch Finn ist begeistert davon, mit der Natur zu leben: „Wir wachen bei Sonnenaufgang auf und gehen ins Bett, wenn es dunkel wird. Wir treffen unterwegs andere Reisende, mit denen wir gerne mal die Nacht zum Tag machen.“ Langeweile kennen sie nicht.
Abends gucken sie Netflix im Bett, Finn verfolgt die Bundesliga. Sarah nutzt die Zeit auch zum Lesen. Sie, die gebürtige Münchnerin, er der Nordfriese aus Bredstedt. Passt das zusammen? Sarah: „Wir sind ziemlich unterschiedlich, aber die Mischung ist perfekt. Bisher verstehen wir uns ausgesprochen gut, viel besser als erwartet.“
Kommunikation für Leben im Bus wichtig
Zoff gibt es selten. „Wir haben mal unsere zehn Minuten, in denen man gerne für sich ist und den anderen gerade eher nicht so berauschend findet, aber nach zehn Minuten war es das dann. Meistens sind das Situationen, in denen beide gestresst sind: Der angepeilte Stellplatz entpuppt sich als Müllhalde, der Verkehr überfordert den Fahrer, oder ich kann mein Frühstück nicht genießen, weil Sarah filmen will“, sagt Finn und lacht.
Das Wichtigste beim Leben im Bus sei die Kommunikation. „Wenn sich jemand unwohl fühlt, sagen wir das sofort und dann wird das auf der Stelle ausdiskutiert. So hat ein großer Zoff gar keine Chance, weil nichts brodeln kann. Dieses Modell haben wir schon in Hamburg gelebt.“
Hamburger raten zum Reisen: „Einfach machen"
Ihr Tipp für Nachahmer: „Akzeptiere, dass das Leben endlich ist und sei mutig!“ Hört sich zwar an wie der Spruch aus einem Sprüchekalender, aber ist wahr. Wir haben unser neues Zuhause immer dabei, überall, ein tolles Gefühl!“, sagt Sarah. Auch sie hätten sich zuvor den Kopf zerbrochen, wie alles wird. Und nun?
Finn: „Einfach machen und alle Bedenken hinter sich lassen. Man muss nur wissen, was auf einen zukommt. Draußen duschen bei zehn Grad und Wind, die Tür öffnen und es regnet dir ins Gesicht, nasse, klamme Klamotten, die bei Minusgraden im Bus nicht mehr trocknen, mit dem Kopf ständig irgendwo anschlagen oder aber auch bei 45 Grad im Bus mehr Schweiß als Mensch zu sein ... Na ja, nicht alles Ponyhof manchmal.“