Hamburg. Paul Bethke, Gründer von Lemonaid, spricht im Abendblatt über einen absurden Streit, den er mit Verbraucherschützern führen muss.
Muss eine Limonade eine Mindestmenge an Zucker enthalten? Die Frage klingt absurd, quält Paul Bethke aber seit zwei Jahren. Der Erfinder von Lemonaid und Charitea hätte eigentlich genug damit zu tun, sein Unternehmen durch die Corona-Krise zu bringen, in der 80 Prozent des Absatzes weggebrochen sind.
Aber gleichzeitig muss er noch gegen unsinnige Vorschriften kämpfen, die außerhalb Deutschlands jeder für einen schlechten Scherz hält. In unserer Reihe „Entscheider treffen Haider“ spricht der Unternehmer über Warnhinweise auf Limonaden, existenzielle Sorgen – und warum auf einmal fast viele Unternehmen mit ihrem Geld (auch) etwas Gutes tun wollen.
Das sagt Paul Bethke über …
… den Streit um seine Limonade, an der Verbraucherschützer den zu geringen Zuckergehalt kritisieren:
„Der ganze Wahnsinn ging vor zwei Jahren los. Damals gab es in Deutschland eine Regel, die wir nicht kannten und die wir uns auch nicht vorstellten konnten: Sie besagte, dass Limonaden mindestens sieben Prozent Zucker auf 100 Milliliter Flüssigkeit enthalten müssen. Unsere Limonade enthält deutlich weniger Zucker, und das ist uns zum ersten Mal 2019 auf die Füße gefallen. Damals erhielten wir vom Hamburger Amt für Verbraucherschutz einen Brief, in dem wir aufgefordert wurden, entweder den Zuckergehalt von Lemonaid zu erhöhen oder es nicht mehr als Limonade zu verkaufen.
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Wir haben darüber zwei Monate lang mit dem Verbraucherschutz diskutiert, um diese absurde Sache vom Tisch zu kriegen – schließlich hatte sich auch noch nie ein Kunde bei uns beschwert, dass in Lemonaid zu wenig Zucker sei, im Gegenteil.
Aber der Verbraucherschutz blieb hart und drohte, gegen uns vorzugehen. Wir haben es nicht eingesehen, den Zuckeranteil in unseren Limonaden zu erhöhen und den Vorfall öffentlich gemacht, was vorübergehend für Ruhe gesorgt hat. Ein Jahr später bekamen wir wieder einen Brief vom Verbraucherschutz, diesmal aus Bonn …“
… die Lebensmittelbuchkommission, die Warnhinweise für Limonaden fordert, die zu wenig Zucker enthalten:
„Wir haben im vergangenen halben Jahr an allen Sitzungen dieser Kommission teilgenommen, die schon seit Jahren über die Zuckerregel diskutiert. Da sitzen auch Lobbyvertreter mit drin, jemand von Coca-Cola zum Beispiel. Deshalb ist es wenig verwunderlich, dass wir inzwischen ein neues Problem haben.
Nach elf Sitzungen hat die Kommission zwar gestattet, dass sich ein Getränk mit weniger als sieben Prozent Zucker Limonade nennen darf, gleichzeitig aber einen Warnhinweis auf der Flasche gefordert. Das heißt, man muss kenntlich machen, dass eine Limonade zu wenig Zucker enthält, damit der Verbraucher vermeintlich nicht in die Irre geführt wird. Wir haben zu dem Thema eine repräsentative Umfrage in Auftrag gegeben.
Den ersten und fast letzten Anzug trug er mit fünf Jahren
Das Ergebnis: Niemand geht davon aus, dass in einer Limonade eine Mindestmenge Zucker ist, die Mehrheit fordert im Gegenteil klare Obergrenzen. Trotzdem findet die Kommission die Warnhinweise wichtig, es ist mit normalem Menschenverstand nicht zu verstehen, aber es ist so.
Übrigens nur in Deutschland. Wenn ich in den anderen Ländern, in denen wir unsere Getränke verkaufen, die Geschichte erzählen, denken die Menschen dort, dass ich sie veräppeln will. Das kann keiner glauben. Wir hoffen, dass die öffentliche Diskussion über diesen Wahnsinn bei uns dazu führt, dass die Entscheidung mit den Warnhinweisen wieder kassiert wird.“
… den Verzicht auf Etiketten auf den Flaschen seines Unternehmens:
„Alles, was man über unsere Produkte wissen muss, kommt mittels Keramikdruck auf die Flaschen. Das hat ökologisch den Vorteil, dass man in einer Mehrweganlage dieselbe Flasche 30-mal nutzen kann. Würde man Etiketten benutzen, müssten die jedes Mal abgelöst und verbrannt werden. Das ist übrigens auch ein weiteres Problem in der Diskussion über den Zucker: Wir können nicht einfach die Etiketten austauschen, wir müssten Millionen Flaschen wegschmeißen und neu mit einem Warnhinweis produzieren.“
… den Zuckerstreit, der zu einem denkbar unmöglichen Zeitpunkt kommt:
„Wir haben bisher etwa 80 Prozent unseres Absatzes über die Gastronomie gemacht, entsprechend katastrophal sind die Rückgänge seit Beginn der Corona-Pandemie. Das Geschäft im Handel läuft ganz gut, betrifft aber eben nur die restlichen 20 Prozent. Wir mussten einen großen Teil der Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken und versuchen, den Betrieb mit Minimalbesetzung aufrechtzuerhalten.
Wenn es keine Kurzarbeitergelder und andere Hilfsmaßnahmen gegeben hätte, und wenn wir nicht 2019 ein herausragend gutes Jahr mit 24 Millionen verkauften Flaschen gehabt hätten, in dem wir Rücklagen bilden konnten, wäre es das für uns gewesen. Und 2021 geht es ja heftig weiter: Januar und Februar waren für uns eine Katastrophe, und ich befürchte, dass es auch im zweiten Quartal nicht deutlich besser wird. Dabei war unser stärkster Monat bisher immer der Mai.“
… die Gründung eines Unternehmens, das Gutes tun will:
„Als ich 2009 die Idee dazu hatte, haben die meisten mir einen Vogel gezeigt und gesagt: Wenn du ein Unternehmen gründen willst, geht es um Profit und viel Geld für dich. Wenn du etwas Gutes tun willst, musst du einen Verein gründen oder für eine Stiftung arbeiten. Aber ich wollte wirtschaftliches Handeln mit sozialer Verantwortung kombinieren.
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Das Ziel eines Unternehmers muss nicht sein, mit dem Bentley um die Alster zu fahren, sondern kann auch sein, mit den erwirtschafteten Geldern gemeinnützige Projekte zu unterstützen. Wir haben ganz gut gezeigt, dass das möglich ist und unterstützen mittlerweile 32 Projekte auf der ganzen Welt, fünf Cents je Flasche gehen an sie. Darüber sind jetzt fast sechs Millionen Euro zusammengekommen.
Was mich freut, ist, dass mittlerweile die meisten Unternehmer, die gründen, so etwas auch machen wollen. Das ist ein großer Trend geworden, der nicht mehr abreißen wird. Den Kunden wird immer wichtiger, dass sie sich wohl mit dem Kauf eines Produktes fühlen. Sie wollen wissen, wer dahintersteckt und wie derjenige Produzenten, Mitarbeiter, etc. behandelt.“
… die Unterstützung der gemeinnützigen Projekte in der Corona-Krise:
„Wir haben unsere finanziellen Mittel so verteilt, dass keines der Projekte, das wir unterstützen, leiden musste. Das ist unsere DNA, daran wollen wir nichts verändern.“
… die Frage, warum es Charitea und Lemonaid nur in kleinen Flaschen gibt:
„Das ist eine Frage, die wir uns auch gestellt haben, und wir wollen das tatsächlich ändern. Es ist Zeit, größere Flaschen anzubieten, wir arbeiten dran. Spätestens nächstes Jahr gibt es da etwas Neues. Und nicht nur das. Im Herbst werden wir auch noch mit einer neuen Produktreihe auf den Markt kommen.“