Luxemburg/Hamburg. Höhere Hürden für ein Verbot am Arbeitsplatz? Richtungweisendes Urteil auf EU-Ebene erwartet. Neues Gutachten gibt Anhaltspunkte.

Was zählt mehr: die individuelle Religionsfreiheit oder das Recht auf unternehmerische Betätigungsfreiheit? Es ist keine leichte Frage mit der sich die Richter am Europäischen Gerichtshof da derzeit befassen müssen.

Sowohl das Arbeitsgericht Hamburg als auch das Bundesarbeitsgericht hatten sich mit dem Thema an die Instanz gewandt. Mit einem Urteil wird in einigen Monaten gerechnet. Ein Gutachten gibt jetzt aber einen Anhaltspunkt, wie die Antwort lauten könnte.

Arbeitgeber können das Tragen eines Kopftuchs verbieten

Grundsätzlich kann Mitarbeiterinnen das Tragen eines Kopftuchs am Arbeitsplatz verboten werden. Aber: Die Hürden für solch ein Verbot sind höher als bislang angenommen.

Konkret geht es darum, dass in Deutschland bei einem solchen Verbot eine „hinreichend konkrete Gefahr eines wirtschaftlichen Nachteils für den Arbeitgeber oder einen betroffenen Dritten“ nachgewiesen werden müsse, teilte das oberste EU-Gericht am Donnerstag mit. Dies sei mit EU-Recht vereinbar.

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„Ein betriebliches Kopftuchverbot ist danach nur gerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber konkrete Störungen darlegen kann. Allein der Wunsch des Arbeitgebers nach betrieblicher Neutralität ist rechtlich nicht ausreichend“, erklärt Arbeitsrechtler Prof. Dr. Michael Fuhlrott, Professor an der Hochschule Fresenius in Hamburg. „Wenn das Urteil so kommt, bedeutet dies für Arbeitnehmer eine Stärkung der Religionsfreiheit."

Erzieherin entschied sich nach Elternzeit fürs Kopftuch

Hintergrund sind zwei Fälle, der eine davon ist aus Hamburg. So war eine muslimische Mitarbeiterin einer überkonfessionellen Kita mehrfach abgemahnt worden, weil sie mit Kopftuch zur Arbeit erschienen war. Wie berichtet, hatte sie entschieden, nach der Elternzeit Kopftuch am Arbeitsplatz zu tragen. Dabei handelt es sich um eine Kita eines privaten Trägersvereins. Das Arbeitsgericht Hamburg hatte in dem Fall Fragen an den EuGH gerichtet.

Zum anderen hatte das Bundesarbeitsgericht 2019 beim Fall einer Muslimin, die gegen ein Kopftuchverbot bei der Drogeriemarktkette Müller geklagt hatte, das höchste europäische Gericht um eine Stellungnahme gebeten. Während sich die Angestellte in ihrer Religionsfreiheit eingeschränkt sah, verwies die Drogeriekette auf unternehmerische Freiheit.

Bereits 2017 hatte der EuGH in einem ähnlichen Fall mit einem vielbeachteten Urteil Schlagzeilen gemacht. Damals sprachen sich die obersten Richter der EU dafür aus, dass Arbeitgeber ein Kopftuch im Job unter Umständen verbieten könnten, etwa wenn weltanschauliche Zeichen generell in der Firma verboten seien und es sachliche Gründe dafür gebe. Unter diesen Umständen stelle ein Kopftuchverbot keine unmittelbare Diskriminierung dar.