Hamburg. Oft kämen Fälle gar nicht erst zur Anzeige. Auch der illegale Welpenhandel floriert. So gehen die Kriminellen vor.

Treu und geduldig wartet ein Hund auf sein Herrchen, das mal eben zum Einkaufen in den Supermarkt geht. Als der Besitzer zurückkommt, ist das Tier verschwunden – der Hund wurde gestohlen. Solche Szenen geschehen in der Corona-Pandemie laut Tierschützern häufiger, weil die Nachfrage nach Haustieren gestiegen ist. Und Banden, aber auch Einzeltäter daraus ein perfides Geschäftsmodell gemacht hätte.

Die Tierschutzorganisation „Vier Pfoten“ mit Sitz in Hamburg warnt jetzt vor Kriminellen, die mit dem Diebstahl von Hunden ihr Unwesen treiben. Die Tiere verschwinden vor Geschäften, wo sie angeleint sind, oder werden aus Gärten und Autos gestohlen.

Tierschützer warnen: Auch Pferdehöfe sind nicht sicher

Sogar vor Pferdehöfen machen die professionell agierenden Hundediebe demnach nicht Halt. Schätzungen zufolge werden in Deutschland tagtäglich Hunde in Großstädten gestohlen. Die Täter könnten auch in Hamburg wieder verstärkt zuschlagen, befürchtet Sarah Ross, Heimtierexpertin bei der internationalen Tierschutzorganisation „Vier Pfoten“.

Schon jetzt komme es in einer Großstadt wie Hamburg schnell mal vor, dass Hunde gestohlen werden, sagte die Expertin dem Abendblatt. „Den Hund nur einmal kurz vor Budni angeleint, um noch etwas zu besorgen – und wenn man zurückkehrt, ist der Hund weg. Großstädte sind anonymer, da wird der Hundeklau den Dieben noch einfacher gemacht.“

Häufig werden Trend-Rassehunde gestohlen

Gestohlene Hunde würden oft anonym weiterverkauft. Häufig werden Trend-Rassehunde wie Golden Re­triever gestohlen, um sie dann gewinnbringend zu verkaufen. Besonders jetzt, während des Corona-Lockdowns, sei die Nachfrage nach einem Heimtier zu groß, als dass Tierheime oder seriöse Züchter diese bedienen können.

Golden Retriever gehören zu den Trendhunden und sind auch bei Hunde-Dieben beliebt.
Golden Retriever gehören zu den Trendhunden und sind auch bei Hunde-Dieben beliebt. © Getty Images/iStockphoto

Ob Labrador, Golden Retriever oder Französische Bulldogge: „Die Nachfrage ist extrem. Quer durch alle Rassen“, bestätigt Herbert Klemann vom Verband für das Deutsche Hundewesen. Hamburger Züchter berichten darüber, dass sie mit Anrufen von Interessenten geradezu „überrannt werden“. Potenzielle Tierbesitzer sehen sich deshalb nach weiteren Angeboten um – und werden im Internet fündig. Dort kaufen sie dann eventuell gestohlene Hunde, ohne es zu wissen.

Nicht alle Diebstähle werden zur Anzeige gebracht

Wie viele Hunde in den vergangenen Monaten in Hamburg entwendet wurden, darüber gibt es keine konkreten Zahlen. Das liegt nach Angaben der Tierschützer unter anderem daran, dass für die Statistik schwer zu erfassen ist, ob ein Hund gestohlen wurde, entlaufen ist oder vielleicht sogar bewusst ausgesetzt wurde. Wie ein Sprecher der Hamburger Polizei sagt, erfolgen statistische Erhebungen zu Hundediebstählen nicht. Dass es einzelne Fälle von Hundediebstählen gibt, sei allerdings nicht ausgeschlossen.

So verschwand im vergangenen Jahr die zweijährige Labradorhündin Inge vor dem Rewe-Supermarkt in der Nordschleswiger Straße. Auch sie wurde genauso gestohlen wie ein Welpe in der Fritz-Reuter-Straße. Um das zu erreichen, hatten die Täter eine 19-Jährige überfallen, die mit dem Hund Gassi ging. Beide Fälle wurden bei der Polizei angezeigt. Doch nicht alle Diebstähle werden zur Anzeige gebracht.

Große Gewinnmarge für die Kriminellen

Thomas Schwerdtfeger, Hundetrainer in Sülfeld (Schleswig-Holstein), berichtet, wie groß die Gewinnmarge für die Kriminellen ist. Für einen „gebrauchten Hund“, der gerade entwendet wurde, können gut 250 Euro im Internet verlangt werden, auch 500 Euro seien denkbar. Für Rassehunde entsprechend mehr. Dazu kommt der illegale Welpenhandel, der deshalb floriert, weil viele Menschen in dieser Zeit unbedingt auf den Hund kommen wollen. Die meist kranken und verängstigten Jungtiere gelangen nach ihrer Aufzucht in Polen oder Ungarn nach Deutschland. An 20 Chihuahua-Welpen aus Ungarn verdient eine Bande bis zu 15.000 Euro.

Beim illegalen Handel mit Welpen hatte zuletzt neben dem Hamburger Tierschutzverein (HTV) auch das Bezirksamt Hamburg-Mitte von einem „dauerhaften Problem“ gesprochen. Die Hamburger Verbraucherschutzzen­trale rät zu besonderer Vorsicht beim Haustierkauf. Janet Bernhardt, Vorsitzende des Hamburger Tierschutzvereins, warnt davor, Tiere auf der Straße zu kaufen oder sich bei der Übergabe des Tieres an jeden beliebigen Ort wie eine Autobahnraststätte zu begeben.

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Um sich vor dem Hundediebstahl zu schützen, ruft die Tierschutzorganisation „Vier Pfoten“ Hundehalter dazu auf, im Alltag bestimmte Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen, „Jede Tierhalterin und jeder Tierhalter muss sich im Klaren darüber sein, dass ein Hundediebstahl ex­trem schnell gehen kann.“ Ein Mikrochip schütze zwar nicht vor Diebstahl, dennoch sollten verantwortungsvolle Tierhalterinnen und -halter ihren Hunden einen Mikrochip implantieren lassen und ihr Tier regis­trieren. Im besten Fall könne dies helfen, das Tier wiederzufinden, sagt Sarah Ross.

Potenzielle Tierbesitzer sollten sich fragen, ob ein Kauf in der derzeitigen Krisensituation auch wirklich sein muss. „Ein Tier braucht volle Aufmerksamkeit – auch nach Lockdown, Homeoffice und Homeschooling, wenn Bars und Cafés wieder öffnen und man wieder verreisen möchte“, betonte Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes.