Hamburg. Jochen Faiz kämpft mit seiner Ottenser Institution ums Überleben. Warum sich die Corona-Krise auch auf Reinigungen hart auswirkt.
Seine Reinigung ist eine Institution in Ottensen. Seit 1979 arbeitet Jochen Faiz für die Comet-Reinigung an der Ottenser Hauptstraße. Zunächst als Angestellter, ein Jahr übernahm er den seit 1965 existierenden Betrieb.
Mit 63 Jahren könnte der Mann, der als Kind aus Bangladesch nach Hamburg kam, nach jahrzehntelanger harter Arbeit Pläne für den Ruhestand schmieden. Stattdessen kämpft Faiz ums wirtschaftliche Überleben.
„Meinem Laden geht es sehr schlecht. Wahrscheinlich muss ich in die Insolvenz“, sagt er im Gespräch mit dem Abendblatt-Reporter. Seine Mitarbeiter hat er entlassen, ab und zu hilft eines der erwachsenen Kinder.
Reinigungskrise: Keine Feiern, keine Anzüge
Nun stecken durch Corona viele Reinigungen in großen Schwierigkeiten. Wer im Homeoffice arbeitet, trägt keine Anzüge. Bälle, Konfirmationen, Hochzeiten – fast alle Anlässe, für die man seine besten Kleidungsstücke reinigen lässt, haben sich durch die Pandemie erledigt. Dazu fehlen die Wäsche-Aufträge aus der ebenfalls notleidenden Gastronomie und Hotellerie.
Bereits im Sommer 2020 warnte Andree Wolfert, Obermeister der Hamburger Textilreiniger-Innung im Abendblatt: „Wir werden nie wieder die Umsätze erreichen, die wir hatten.“ Denn auch nach der Pandemie werden viele im Homeoffice bleiben. Seine düstere Prognose: „Wer schon vor Corona am Limit gearbeitet hat, den erwischt es als Erstes.“
Angesichts des zweiten Lockdowns prognostiziert der Deutsche Textilreinigungsverband (DTV) für Betriebe, die wie Comet hauptsächlich Kleidung von Privatkunden reinigen, ein Umsatz-Minus von 80 Prozent.
Comet: Wirbel um "Ottensen macht Platz"
Bei Faiz verschärfen mehrere Faktoren das Corona-Problem der Branche. Niemand weiß dies besser als Michael Zaar, der als renommierter Makler und gelernter Bankkaufmann seinen Freund nun zu Krisengesprächen begleitet.
Bereits 2019 verlief für Faiz wirtschaftlich enttäuschend. Der Verkehrsversuch „Ottensen macht Platz“, der das Quartier von September bis Anfang Februar 2020 in eine fast autofreie Zone verwandelte, kostete ihn Umsatz. Besonders Großkunden mochten sich nicht auf die eingeschränkten Liefer- und Abholzeiten einlassen.
Zudem kursierten Gerüchte im Viertel, er habe gegen das Projekt geklagt. Manche Stammkunden, die den Verkehrsversuch befürworteten, mieden fortan seinen Laden – Faiz stellte sogar ein Schild ins Schaufenster, um dies richtig zu stellen. Denn er zählte in der Tat nicht zu den Klägern. Der Verlust schmerzt nun doppelt, da sich die Corona-Hilfen auch nach den Umsätzen des Vorjahres richten.
Bittere Steuernachforderung wegen Versäumnis
Ein weiteres Problem hat sich Faiz selbst eingebrockt. „Leider hat Jochen zu spät ein elektronisches Kassensystem angeschafft, das den Anforderungen des Fiskus genügt“, sagt Zaar. Er hatte wie Faiz gehofft, dass es das Finanzamt mit einem Bußgeld bewenden lässt.
Stattdessen schätzte der Fiskus die Umsätze entsprechend höher ein, was zu einer Steuernachforderung aus den Jahren 2017 bis 2019 von 30.000 Euro führte. Rechtlich sei dies völlig in Ordnung, sagt Zaar. Aber eben in dieser Phase extrem bitter.
Alle private Rücklagen ins Geschäft gesteckt
Rettung ist nicht in Sicht. Der Maschinenpark der Comet-Reinigung ist betagt, ein Käufer müsste nach Schätzungen von Zaar rund 60.000 Euro investieren – kaum vorstellbar angesichts der generellen Not der Branche in Pandemie-Zeiten.
Entsprechend düster sieht Zaar die Perspektiven seines Freundes: „Jochen hat wie viele kleine Selbstständige seine privaten Rücklagen in das Geschäft gesteckt, um es zu retten, sogar seine Lebensversicherung aufgelöst. Ich befürchte, dass er in die Grundsicherung abrutschen wird.“